Bartenstein: "Da ist kein Schuss Wehmut dabei"

Bartenstein: "Da ist kein Schuss Wehmut dabei"
Seine Rolle als Investor, sein neues Leben: Was der Ex-Wirtschaftsminister heute macht, erzählt er im KURIER-Interview.

KURIER: Herr Bartenstein, Sie waren 14 Jahre Minister, sind im Herbst 2013 auch aus dem Parlament ausgeschieden. Fehlt Ihnen die Droge Politik?

Martin Bartenstein: Nein, tut sie nicht. Da ist kein Schuss Wehmut dabei, obwohl ich viele Erinnerungen habe, für dich ich sehr dankbar bin. Die 14 Jahre an der Seite von Wolfgang Schüssel waren eine beeindruckende Zeit. Vor allem zwischen 2000 und 2003 haben wir viel zustande gebracht, von dem Österreich heute noch zehrt.

Die Ära Schüssel wird heute vor allem mit Korruption in Verbindung gebracht.

Das schmerzt natürlich, weil dieses Image in der Sache nicht gerechtfertigt ist. Ein Ernst Strasser hat seine Sünden erst als EU-Abgeordneter begangen. Trotzdem wird es der Ära Schüssel zugerechnet. Auch die Missetaten, die die Staatsanwaltschaft Karl-Heinz Grasser seit gefühlten zehn Jahren nachzuweisen versucht, sind erst Jahre nach seiner Tätigkeit als Minister passiert.

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Gehen wir zur aktuellen Politik. Wird die Steuerreform den erhofften Impuls für die Wirtschaft bringen?

Ich fürchte, dass wir uns die Steuerreform in der momentanen budgetären Lage nicht leisten können. Blicken wir nach Deutschland: Obwohl Wolfgang Schäuble einen ausgeglichen Staatshaushalt hat, denkt er nicht daran, die Deutschen in einer Höhe von umgerechnet 50 Milliarden Euro zu entlasten. Zweitens sind manche punktuelle Belastungen der Wirtschaft vor allem im Bereich des Tourismus nicht nachvollziehbar. Die SPÖ hat es hier geschickt geschafft, die "poison pills" an das der ÖVP nahestehende Klientel zu verteilen.

Österreich rutscht in Standort-Rankings ab. Wie sehr schmerzt Sie das als ehemaliger Wirtschaftsminister?

Sehr. Während unserer Regierungszeit war die Benchmark stets Deutschland. Wir waren bemüht, das bessere Deutschland zu sein – und das ist uns auch gelungen. Vor wenigen Wochen erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Leitartikel, warum Österreich in allen Schlüsselparametern zurückgefallen ist. Ich war ehrlich gesagt stinksauer. Die Regierung – vor allem der Regierungschef – muss da endlich aufwachen und Nägel mit Köpfen machen. Die Standortschwächung Österreichs ist hausgemacht und man geht hier fahrlässig mit unserer Zukunft um.

Was sind die größten Fehler?

Das Pensionsalter der Frauen muss endlich mit jenem der Männer gleichgestellt werden. Hier sind wir längst die Ausnahme in Europa. Dann müssen die Sozialpartner dringend die Lohn-Stück-Kosten in den Griff bekommen. Hier sind wir in den letzten Jahren gegenüber Deutschland um zehn Prozent zurückgefallen. Was unsere Europapolitik anbelangt, sollte unser Bundeskanzler in Brüssel in Sachen Griechenland-Hilfe nicht den großen Freund von Herrn Tsipras geben, sondern stärker an die österreichischen Steuerzahler denken. Österreich zahlt nämlich pro Kopf gleich viel wie die Deutschen. Österreich hat jahrzehntelang eine konsequente Hartwährungspolitik an der Seite von Deutschland betrieben. Ich weiß, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling im Ecofin die richtige Position einnimmt. Aber was hilft es, wenn Faymann dann beim EU-Gipfel der Staatschefs sich auf die Seite der Marxisten Tsipras schlägt.

Die Flüchtlingsfrage ist derzeit das bestimmende Thema. Hat die Regierung aus der Steiermark- und Burgenland-Wahl nichts gelernt?

Die Flüchtlingsfrage ist die Mega-Aufgabe für Europa. Das Durchgriffsrecht des Bundes war wohl unvermeidbar und ist nach der Zänkerei zwischen Bund und Ländern über Quoten wie das Durchschlagen des gordischen Knotens. Natürlich braucht es auch europaweit ein stärkeres gemeinsames Vorgehen, sonst macht Schengen keinen Sinn. Tatsache ist, dass wir 1956 bei der Ungarnkrise und 1991 im Bosnien-Krieg mit hunderttausend Flüchtlingen umgehen konnten. Heute geht es allein in Syrien um Millionen und ein Ende ist nicht absehbar. Für echte Kriegsflüchtlinge muss in Österreich und in Europa Platz sein. Doch für Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa wollen, werden wir um konsequente Rückführungsprogramme nicht umhin kommen. Um die politische Dimension zu beurteilen, sollten wir nach Deutschland blicken: Auch hier kommen täglich hunderte Flüchtlinge an, aber es gibt keinen HC Strache, der in den Umfragen an die die 30 Prozent für sich verbuchen kann. In Deutschland hat es die AFD-Partei zerbröselt und Pegida ist Geschichte. Bei uns ist die FPÖ auf dem Weg zur Nummer 1. Die täglichen Flüchtlingsbilder und auch die Sozialistische Internationale am Salzburger Domplatz sind die beste Wahlwerbung für Strache in Wien.

Sie haben zuletzt den Büromöbelhersteller Bene übernommen. Planen Sie, künftig weitere heimische Unternehmen vor der Insolvenz zu retten?

Bei Bene bin ich erstmals eine Partnerschaft mit dem Investor Erhard Grossnigg eingegangen. Weitere Investitionen sind nicht ausgeschlossen. Aber fürs Erste bin ich mit der Aufgabe bei Bene, wo wir in Waidhofen an der Ybbs knapp 1000 Arbeitsplätze gerettet haben, für die nächsten Monate ausgelastet. Dazu kommt ja noch mein Fulltime-Job in der Pharmaindustrie, wo wir inklusive Großhandel und 1000 Mitarbeitern rund 500 Millionen Umsatz machen.

Sie sind 62 Jahre alt und Vater von fünf Kindern. Wann wird an die nächste Generation übergeben?

Auf diese nicht ganz einfache Frage hat das Familienunternehmen noch keine Antwort gefunden. Denn das hängt nicht nur von den Eltern ab, sondern auch von den Talenten und den Interessen der Kinder. Derzeit studieren alle meine fünf Kinder in Wien, Madrid und New York. Was meine Arbeitszeit betrifft, so sind Pensionsmodelle von VW oder BMW für mich kein Vorbild, wo mit 62 Schluss ist, sondern eher Unternehmertypen wie Warren Buffet.

Sie haben trotzdem sicher mehr Freizeit als in Ihrer Zeit als Politiker. Wie schaut Ihr neues Leben aus?

Ich bin wieder Herr meines Terminkalenders und damit ein freier Mensch geworden. Die Jagd hat als Hobby mehr an Stellenwert gewonnen. Ich laufe für mein Leben gerne und versuche mich so fit zu halten. Außerdem ist das Zeitmanagement mit fünf Kindern, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, eine Herausforderung. Und meine Frau und ich schauen künftig auch gerne unseren großelterlichen Aufgaben entgegen.

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