Fünfte Attacke auf Fahrer: Öffis bleiben in Remise

Fünfte Attacke auf Fahrer: Öffis bleiben in Remise
Betriebsrat will mehr Sicherheit: Wiener Linien starten kommenden Mittwoch später in den Tag.

Beschimpfungen, Spuck-Attacken, Ohrfeigen, Faustschläge und sogar Messerstiche. Bei Angriffen auf Chauffeure und Kontrollorgane der Wiener Linien wurden heuer bereits fünf Öffi-Mitarbeiter krankenhausreif geprügelt. Ein Straßenbahnfahrer wäre bei einem Messerangriff (zehn Stiche in den Rücken) in Floridsdorf beinahe gestorben. Erst am Dienstag wurde ein Bim-Fahrer in Rodaun mit einem Schlagstock niedergestreckt.

"Es reicht uns", sagt Michael Bauer, Zentralbetriebsrat der Wiener Linien. Unter der Belegschaft herrsche Fassungslosigkeit und Wut über die jüngsten Vorfälle, erzählt Bauer: "Wir können nicht mehr einfach zur Tagesordnung übergehen."

Zwei Stunden Stillstand

Am Mittwoch nach Ostern wird daher eine Betriebsversammlung abgehalten. Die Mitarbeiter der Wiener Linien beginnen dadurch ihren Dienst mit zweistündiger Verspätung. Bis 6.30 Uhr bleiben alle Fahrzeuge in der Remise. Betroffen davon sind 5 U-Bahn-Linien, 29 Bim-Linien und 145 Bus-Linien.

Zugleich werden Forderungen an die Geschäftsführung gestellt. "Wir wollen Videoüberwachung in jedem Fahrzeug, in den Stationen und auch an den Endstellen", sagt Bauer. Gleichzeitig müsse das Sicherheitspersonal aufgestockt werden. Und: "Wir wollen nur noch Fahrzeuge mit Fahrerkabinen."

Fünfte Attacke auf Fahrer: Öffis bleiben in Remise
APA3206370-2 - 26112010 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT CI - Ein Diensthund mit seinen Polizeihundeführer während einer Übung in einer Straßenbahn am Freitag, 26. Oktober 2010, in Wien. Die Wiener Linien übergaben heute eine Straßenbahn an die Diensthundeabteilung der BPD für das "Polizeihunde-Training". APA-FOTO: ROBERT JAEGER

Die Unternehmensspitze versteht die Sorgen der Mitarbeiter, äußert aber auch Kritik: "Es ist legitim, eine Betriebsversammlung abzuhalten, aber nicht die beste Lösung. Denn es sind Fahrgäste betroffen", sagt ein Sprecher.

Der Betriebsrat indes hofft auf das Verständnis der Fahrgäste und appelliert auch an die Zivilcourage. "Jeder, der bei Vorfällen eingreift, kann wichtig sein." 77 Attacken gab es 2013 auf Mitarbeiter der Wiener Linien. 2014 gibt es keine genauen Zahlen, fünf Attacken waren aber so schwer, dass die Mitarbeiter ins Krankenhaus mussten.

Das vorerst letzte Opfer, ein Straßenbahn-fahrer der Linie 60, erlitt Dienstagabend in Rodaun massive Kopfverletzungen. Der noch flüchtige Täter schlug mit einem Teleskop-Schlagstock – von hinten und völlig grundlos – auf den Fahrer ein. Der 38-Jährige erlitt Rissquetschwunden am Hinterkopf.

Krisenbetreuung

Seit fünf Jahren betreut das Team Sozius traumatisierte Kollegen. 30 routinierte Wiener-Linien-Mitarbeiter fahren bei Übergriffen sofort zu den Betroffenen, um Unterstützung zu geben. Auch während des Genesungsprozesses gibt es Gespräche mit den Opfern.

Einer der Helfer ist Reinhard Artinger, seit 34 Jahren bei den Wiener Linien und seit fünf Jahren im Sozius-Team. "Wir unterstützen unsere Kollegen, so lange sie es wünschen. Wichtig ist das Realisieren und die Aufarbeitung des Vorfalls. Sonst bleibt das Negativerlebnis hängen", erklärt der 59-Jährige. Um eine Gesprächsbasis aufzubauen, muss Vertrauen gewonnen werden.

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Artinger: "Entscheidend ist die Verschwiegenheitspflicht. Denn Betroffene reden sich in der sensiblen Situation auch andere Probleme von der Seele. Manchmal hängen sie mit der beruflichen Situation zusammen. Von uns erfährt kein Vorgesetzter vertrauliche Informationen." Will ein Mitarbeiter das Aufgabengebiet im Unternehmen – wegen einer Attacke – wechseln, setzt sich das Team Sozius für den Jobtausch ein. Und wie oft schmiss ein Kollege das Handtuch und kündigte? Artinger lächelt: "Das kam bei mir nur ein Mal vor."

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