Ball-Geschichte: Wer das Spiel mit dem runden Ding erfunden hat

Calcio nannten die Florentiner das Fußgerangel um den Ball. Es wurde bereits im 17. Jahrhundert betrieben
Kevin Moore trug die Schmach mit Fassung und britischem Humor: „Um es ganz klar zu sagen – es war China, das den Fußball erfand“. Der Experte für Fußballhistorie hat zahlreiche Bücher zum Thema geschrieben und das National Football Museum in Manchester aufgebaut, das weltweit als das Beste gilt. Er sollte es also wissen. Das antike Spiel Cuju sei jenes, das am weitesten in die Geschichte zurückreicht und unserem Fußball am ähnlichsten ist. „Es gab Teams, Ligen, Profis und gigantische Fan-Clubs“. Nachsatz von Moore: „Wobei natürlich die Engländer den modernen Fußball, Soccer, erfunden haben.“ Doch so weit sind wir noch nicht.
Rückblende ins Jahr 1689: Ferdinando de Medici, Erbprinz der Toskana, gibt Violante Beatrix von Bayern das Jawort und schenkt ihr ein Fußballturnier – mit den besten Spielern der Stadt Florenz. „Die Medici spielten selbst und machten Calcio in Florenz zum Nationalsport“, erinnert der deutsche Kulturhistoriker Wolfgang Behringer. Calcio nannten die Florentiner das Fußgerangel um den Ball, erklärt der Experte, der der Geschichte des Fußballs in unzähligen Chroniken, Briefwechseln, Tagebüchern sowie Memoiren nachgegangen ist. Eine Genealogie zurück bis ins Altertum ist trotzdem schwierig zu schreiben. Frühe, zuverlässige Aufzeichnungen zum runden Leder sind rar: Der vielleicht älteste Nachweis stammt aus dem England des Jahres 1137 – ein Bericht über einen Buben, der beim Kicken starb.
Blutrache & Scheiterhaufen
Damals dauerte ein Spiel oft vom Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit. Ganze Dörfer traten gegeneinander an. Das Spielfeld konnte kilometerlang sein. Wer zuerst den Ball durch das gegnerische Stadttor kickte, hatte gewonnen. Mitmachen konnte, wer wollte. Mord und Totschlag waren verboten, sonst wurden Forechecking und Pressing nicht groß beschränkt. Motto schon damals: Schön spielen bringt keine Punkte. Rudelbildungen und Fouls, auch Blutrache sind bekannt.
Ja, es war brutal und gefährlich. Und ja, Menschen starben oft dabei.
Experte für Fußballhistorie
Behringer ergänzt: „Im 16. Jahrhundert ist ein Familienstreit nach einem Todesfall auf dem Platz dermaßen ausgeartet, dass beide Familien versuchten, einander gegenseitig auf den Scheiterhaufen zu bringen“. Der König musste den Unparteiischen geben und den Streit schlichten.
Verboten wurde das Spiel aber nicht, weil es so gefährlich war, erzählte Moore, „sondern weil es von anderen, vernünftigen Sportarten abhielt; dem Bogenschießen etwa, das man für die Landesverteidigung brauchte“. Außerdem ging ständig Glas zu Bruch, weshalb die Fenster in vielen englischen Kirchen vergittert sind – auch weit oben, was wenig sinnvoll wäre, wenn die Kirche sich nur vor Einbrechern hätte schützen wollten.
Historiker sind heute sicher, dass es in fast allen Kulturen fußballähnliche Spiele gab (siehe Grafik oben) und das Kicken in Italien und England spätestens seit dem zwölften Jahrhundert weit verbreitet war. Wer sich jetzt - am Beginn der Europameisterschaft – fragt, welches Turnier das erste internationale Turnier war: „Im Vereinigten Königreich gab es immer verschiedene Fußball-Nationen“, sagt Moore. „Und so spielte England 1884 gegen Schottland, Irland und Wales. Das erste internationale Turnier war also eigentlich ein nationales.“ Kein Scherz.
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