„Bereits bei den ersten Olympischen Spielen in Athen sollen Frauen beim Marathon dabei gewesen sein“, erzählt Klos und gesteht: „In der Frühphase der Spiele fehlen harte Daten, es gab keine Startlisten. Es handelt sich also um ein Gerücht.“ Coubertin hätte das ohnedies nie gutgeheißen. Für ihn waren öffentlich wetteifernde Frauen unattraktiv. Sogar Ärzte meinten, Sport würde Frauen nicht guttun. Noch 1931 tönte Gynäkologe Hugo Sellheim: „Durch zu viel Sport nach männlichem Muster wird der Frauenkörper direkt vermännlicht, die weiblichen Unterleibsorgane verwelken.“ Wenig verwunderlich konzipierte Coubertin die Spiele als „Männlichkeitsprüfung“, wie die Kulturwissenschafterin es ausdrückt.
Zeitgeist
„Das Konzept war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil der Zeitgeist in die andere Richtung ging“, sagt Klos. Es war die Zeit der Suffragetten und Frauenrechtlerinnen, die für Gleichberechtigung kämpften. Auch im Sport. Schon 1900 gab es daher erste Frauenwettbewerbe bei Olympia – Golf und Tennis. Auch in offenen Klassen wie Segeln nahmen Frauen teil. Sehr zum Leidwesen von Coubertin. „Diese Sportarten galten als bürgerlich akzeptiert. Alles, was mit körperlicher Anstrengung verbunden wurde, war verpönt.“
Als die feministischen Schweden 1912 bei den Spielen in Stockholm die Schwimmwettbewerbe für Frauen öffneten, war der Olympia-Erfinder empört, fürchtete er doch ein Einfallstor für weitere Sportlerinnen.
Dass sie aber auch Leichtathletik betreiben wollten, ging dem Internationale Olympische Komitee (IOC) endgültig zu weit.
Klos weiter: „Es war unausweichlich, dass Frauen sich ihre eigenen Spiele bauten“ – die eingangs erwähnte erste „Frauen-Olympiade“ 1921.
Der Kopf dahinter war die Alice Milliat. Sie war Teil der umtriebigen Pariser Sportszene und des Klubs Fémina Sport, der schon ab 1912 Frauenfußball bekannt machte. Nachdem Milliat im Klub erst ruderte, wurde sie 1915 Präsidentin und bat das IOC, Frauen in der Leichtathletik bei Olympia 1924 zuzulassen. Vergeblich.
Der Rest ist Geschichte: Frauen-Olympia entstand. Und die jungen Sportlerinnen, die in kurzen Hosen beim Laufen und Werfen zu beobachten waren, sorgten für gehörige Aufmerksamkeit. Die Wettkämpfe waren so erfolgreich, dass sie bis 1934 liefen. Und auch Olympia musste sich den Frauen öffnen (siehe Grafik oben: Überblick über die erstmalige Teilnahmemöglichkeit für Sportlerinnen, teilweise wurden die Sportarten für beide Geschlechter eingeführt).
Milliats Initiative gab dem Frauensport eine Bühne, als sich i h r e Rolle in der Gesellschaft gerade wandelte: Im Ersten Weltkrieg hatten sie die Arbeit der Männer übernommen; danach erkämpften sie sich das Wahlrecht. Im Sport dauerte es länger: Das IOC nimmt erst seit 1981 weibliche Mitglieder auf. Und 2024 bei Olympia in Paris treten erstmals gleich viele Frauen wie Männer an.
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