Haiunfälle: Warum Schwimmer häufiger sterben als Surfer
Zu Beginn der Hauptreisezeit sorgen zwei tödliche Haiunfälle in Ägypten für Aufsehen: Am Freitag wurde zunächst von einer 68-jährigen Österreicherin berichtet, die vor der Küste von Sahl Hasheesh südlich des bekannten Badeortes Hurghada schwamm und dabei von einem Hai getötet wurde. Am Montag wurde bekannt, dass - ebenfalls am Freitag - eine zweite Frau unweit der Stelle des ersten Angriffs von einem Hai tödlich verletzt wurde, der KURIER berichtete.
Noch ist unklar, ob es sich um dasselbe Tier handelt. Vorsorglich wurden mehrere Strände am Roten Meer von den verantwortlichen Behörden gesperrt. Neben dem Baden ist auch Tauchen, Schnorcheln, Windsurfen, Drachensegeln und Fischen vorerst untersagt. Das ägyptische Umweltministerium leitete eine Untersuchung ein.
Haiangriffe im Roten Meer sind eigentlich sehr selten, kommen aber vereinzelt vor. 2018 starb etwa ein tschechischer Tourist, 2015 und 2010 wurde jeweils ein Urlauber aus Deutschland vor der ägyptischen Küste getötet.
70 bis 100 Angriffe jährlich
Weltweit gibt es jährlich rund 70 bis 100 Haiangriffe, wovon statistisch gesehen fünf tödlich enden. 2021 verzeichnete das International Shark Attack File (ISAF), eine Datenbank des Florida Museum of Natural History, 73 bestätigte nicht provozierte Fälle. Als nicht provoziert gelten Vorfälle, bei denen ein Mensch im natürlichen Lebensraum des Hais gebissen wird, ohne, dass er auf irgendeine Weise mit dem Hai interagiert hat. Im Gegensatz dazu stehen 39 Bisse, die als provoziert eingestuft werden, etwa, wenn Taucher versuchen Haie zu berühren oder Fischer Haie aus einem Netz befreien wollen. Elf der Haiunfälle im Jahr 2021 endeten tödlich, neun davon wurden als nicht provoziert eingestuft.
Die Zahl der Haiangriffe schwankt von Jahr zu Jahr, wobei Forscher davon ausgehen, dass es pandemiebedingt zu weniger Bissen kam, da zahlreiche Strände zeitweise gesperrt waren. So wurde 2020 mit 52 Unfällen weltweit die niedrigste Zahl seit mehr als einem Jahrzehnt verzeichnet. Die Zahl der Angriffe 2021 nähert sich dem globalen Fünfjahresschnitt von 72 Angriffen wieder an.
"Statistisch gesehen äußerst selten"
"Setzt man diese Zahl ins Verhältnis zu den Milliarden Menschen, die jedes Jahr im Meer baden, sind Haiangriffe statistisch gesehen äußerst selten. Im Gegensatz dazu werden jährlich hunderte Millionen Haie getötet, einerseits, weil sie gezielt gejagt werden, etwa wegen ihrer Flossen, andererseits landen sie als Beifang in den Fischernetzen", sagt Michael Mitic, Direktor des Haus des Meeres in Wien. Der häufig gefürchtete Weiße Hai ist etwa vom Aussterben bedroht.
Am häufigsten kommt es in den USA zu Unfällen mit Haien, gefolgt von Australien, Südafrika und Neuseeland. Die USA führen die weltweite Statistik seit Jahrzehnten an – die meisten Fälle passieren in Florida.
Fälle im Mittelmeer
Im Mittelmeer werden zwar vereinzelt Haie gesichtet, Haiangriffe zeigen sich in der Statistik kaum. Dem Weißen Hai ist es im Sommer im Mittelmeer etwa viel zu warm, er bevorzugt kühlere Gewässer. Eine Auswertung des Global Shark Attack File berichtet von rund 220 Haiangriffen im Mittelmeer in den vergangenen 200 Jahren. Die meisten davon ereigneten sich in den Gewässern vor Italien, gefolgt von Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens, Spanien und Griechenland. Die überwiegende Zahl an Angriffen erfolgte in tiefen Gewässern. 2017 sollen etwa lybische Migranten beim Versuch das Mittelmeer zu überqueren, von Blauhaien getötet worden sein. Blauhaie bevorzugen offene Gewässer und nähern sich normalerweise nicht der Küste. Der bisher letzte Haiunfall mit einem Schwimmer oder Taucher im Mittelmeer ereignete sich 1989 vor Sardinien.
Vor den europäischen Atlantikküsten sind überwiegend kleinere Haiarten zu finden, etwa der Katzenhai, von dem mit 1,5 Meter Länge für den Menschen keine Gefahr ausgeht. In den kühleren Küstengewässern vor den britischen Inseln sind durchaus auch Hammerhaie anzutreffen, die für den Menschen nicht ungefährlich sind. Vor den Kanaren gibt es etwa 50 Haiarten, allerdings bevorzugen sie tiefe Gewässer, sodass sie selbst bei Tauchgängen sehr selten gesichtet werden.
Surfer sterben seltener als Schwimmer
Die dokumentierten Fälle weltweit beziehen sich vor allem auf Surfer – jeder zweite Fall 2021 betraf laut ISAF Brettsportler. Sie verbringen viel Zeit in der Brandungszone, wo Haie eher schwimmen als in Strandnähe. Sie können die Tiere unbeabsichtigt anlocken, da sie von unten wie Robben aussehen und somit ins Beuteschema der Haie fallen. Tatsächlich sterben sie aber seltener als Schwimmer, da das Brett einen gewissen Schutz bietet und die Haie, sobald sie merken, dass sie in einen Fremdkörper gebissen haben, meist ablassen. 39 Prozent der Haiunfälle betrafen im Jahr 2021 Schwimmer, vier Prozent entfielen auf Schnorchler oder Taucher.
Warum Haie angreifen, kann unterschiedliche Gründe haben. Am häufigsten sind laut ISAF sogenannte "Hit-and-Run"-Angriffe, die häufig Schwimmer und Surfer betreffen. Davon spricht man, wenn der Hai nur einmal angreift, etwa, weil er den Menschen mit seinen Beutetieren verwechselt, nach einem Biss aber merkt, dass er sich vertan hat und wieder wegschwimmt. Die Angegriffenen bemerken den Hai meist erst, wenn er bereits zugebissen hat. Begünstigt wird dieses Verhalten, durch Planschbewegungen, glänzenden Schmuck oder kontrastierende Badeanzüge. Mitic: "Dadurch, dass Haiangriffe so selten sind, ist es schwierig seriös Muster festzustellen. Man weiß aber, dass für Haie Farben keine Rolle spielen, schon aber Objekte mit starken Kontrasten. So kann etwa etwas Weißes auf Schwarz ihr Interesse wecken."
Eine weitere Angriffsart sind "Stoß- und Biss"-Angriffe, die meist zu größeren Verletzungen und auch Todesfällen führen. Sie betreffen normalerweise Taucher und Schwimmer in tieferen Gewässern. Der Hai umkreist das Opfer dann zunächst und stößt es, bevor er zubeißt. Eine dritte Angriffsart ist, wenn Haie sich anschleichen und ohne Vorwarnung zubeißen.
Welche Arten für den Menschen gefährlich werden können
Vor allem drei Haiarten sind Hauptangreifer des Menschen: der Weiße Hai, der Tigerhai und der Bullenhai. Generell können Arten mit einer Gesamtlänge von zwei Metern oder mehr für den Menschen gefährlich werden. Dazu zählen etwa der Große Hammerhai, der Kurzflossen-Mako, der Hochsee-Weißspitzenhai, der Galapagoshai und bestimmte Riffhaie. Bei ihnen kommt es aber eher zu "Hit-and-Run"-Angriffen. Experten gehen davon aus, dass sie den Menschen mit anderen Beutetieren verwechseln und deshalb angreifen, aber wieder ablassen, sobald sie den Irrtum feststellen.
Bei den aktuellen Haiunfällen in Ägypten soll es sich laut lokalen Medienberichten um einen oder mehrere Mako-Haie gehandelt haben. Dieser schwimmt üblicherweise selten an die Küsten, ist aber weltweit weit verbreitet.
"Dass Haie sich nicht an der Küste aufhalten, ist abhängig von der Region. Wer schon einmal auf den Malediven war, weiß, dass dort permanent Haie auch in seichten Gewässern zu beobachten sind. Dabei handelt es sich meist um Große Schwarzspitzenhaie, die an den Menschen gewöhnt sind. Nur wenige Haiarten der insgesamt rund 500 können für den Menschen gefährlich werden", betont Mitic.
Warum aber sorgen Haiunfälle, obwohl sie so selten sind, so sehr für Angst und Schrecken? "Der Hai ist eines der wenigen Raubtiere, die überhaupt auf den Menschen losgehen. Anderen Räubern begegnet der Mensch kaum mehr. Zudem betrifft es meist die Urlaubszeit, wo Menschen alles andere wollen, als einem gefährlichen Tier zu begegnen“, meint Mitic. Filme wie "Der Weiße Hai" hätten die Angst vor den Tieren verstärkt. Dabei sorgen Überfischung und gezielte Jagd dafür, dass viele Haiarten in ihrem Vorkommen stark reduziert wurden und der Hai durch den Menschen mehr bedroht ist als umgekehrt.
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