Klimaschutz: Droht der wichtigste Vertrag zu kippen?

Australien setzt weiterhin auf fossile Energien.
Nach den USA könnten sich auch Kanada und Australien von den Zielen zur Begrenzung der Erwärmung abwenden. Experten sehen Risiken – und Chancen.

Es schaut aufs Erste nach einem Schneeballeffekt aus: Nach dem die USA das Pariser Klimaabkommen gekündigt haben, wollen jetzt auch die Australier aussteigen. Und Kanada hat ebenso angekündigt, dass seine geplante Kohlendioxid-Steuer nicht in dem Ausmaß kommen wird wie ursprünglich geplant.

Das Pariser Klimaabkommen hat das Ziel, die globale, vom Menschen verursachte Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor der Industrialisierung zu begrenzen.

Ist es jetzt gestorben? „Nein“, ist Herbert Formayer, Klimatologe an der Universität für Bodenkultur in Wien, überzeugt. Er sieht vielmehr ein letztes Aufbäumen der Lobbys, die auf fossile Energien wie Kohle und Gas setzen. Dass Australien den technologischen Wandel nicht forciert, hat einen einfachen Grund – das Land ist Kohleexporteur und setzt im eigenen Land fast ausschließlich auf fossile Energie.

Pessimistischer ist Ubimet-Chefmeteorologe Manfred Spatzierer: „Wenn sich auch Kanada und Australien vom Pariser Klimaabkommen abwenden, ist das ein beunruhigendes Signal. Des besteht die Gefahr, dass weitere Länder wegen kurzfristiger wirtschaftlicher Vorteile folgen werden.“

„Rückstand“

Der private Wetterdienst hat eine Niederlassung in Australien, Spatzierer kennt die dortige Situation von regelmäßigen beruflichen Aufenthalten sehr gut: „Australiens Energieversorgung hängt zu einem großen Teil an billiger, schmutziger Braunkohle. Und Australien hatte in der Energieversorgung schon immer einen technologischen Rückstand.“ Ein Abwenden von den Zielen des Klimaabkommens würde den Rückstand weiter vergrößern, ein dringend notwendiger Innovationsschub für Wind- und Sonnenergie weiterhin ausbleiben.

Klimaschutz: Droht der wichtigste Vertrag zu kippen?

Demonstration für erneuerbare Energien in Australien.

Dass Länder wie Australien technologisch und somit auch ökonomisch abgehängt werden, könnte aber auch eine Chance fürs Klima sein, meinen manche Experten. Den es ist China – die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt –, das mittlerweile die Standards setzt, wie Formayer erläutert. „Die dortigen Industriemetropolen leiden unter der schlechten Luft, weshalb die Regierung gezwungen ist, Maßnahmen zu setzen. So darf jetzt nur noch ein bestimmter Prozentsatz an Autos mit Verbrennungsmotor neu zugelassen werden. Deutsche Autobauer haben schon versucht zu erreichen, dass Peking hier weniger strenge Regelungen setzt, weil sie mit der Entwicklung umweltfreundlicherer Autos hinterherhinken.“

Gefahr manchen bewusst

Die Gefahr, in einen technologischen Rückstand zu geraten, ist manchen in den westlichen Industrieländern durchaus bewusst: In den USA setzt Kalifornien der Trumpschen Kehrtwende zum Trotz auf erneuerbare Energien.

Eine größere Gefahr für das Klima droht von Chinas Nachbarn: „Indien steht wirtschaftlich da, wo China vor ca. 40 Jahren stand. Wird dort der Aufschwung auch durch fossile Energie getragen, dann haben wir wirklich ein Problem“, warnt Formayer.

Klimaschonend leben

Und er nimmt die westlichen Industrienationen in die Pflicht: „Unseren Lebensstil wollen fast alle Menschen auf der Welt nacheifern. Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, unser Leben attraktiv und gleichzeitig klimaschonend zu gestalten.“

Doch gelingt das, wenn immer mehr Staaten dem Pariser Klimaabkommen adieu sagen? „Es könnte natürlich ein Schneeballeffekt entstehen“, räumt Formayer ein. Der Vorteil des Pariser Abkommens liege aber auch darin, dass man gar nicht so schnell aussteigen kann. Zudem müssen die Staaten berichten, welche Maßnahmen sie gesetzt haben: „Das erzeugt Druck“, ist der Klimaforscher überzeugt. Der ist wohl auch für Österreich nötig: „Denn wir haben noch keine Maßnahmen gesetzt, um die Klimaziele zu erreichen.“

Doch die Zeit drängt: „Schon jetzt ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Zwei-Grad-Ziel erreicht werden können", sagt Spatzierer. „Und je mehr Länder sich vom Pariser Abkommen entfernen, umso unwahrscheinlicher wird es.“

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