"Wundermittel" gegen Depression: Placebos helfen bei Schuldgefühlen

"Wundermittel" gegen Depression: Placebos helfen bei Schuldgefühlen
Neue Erkenntnisse aus der Schweiz legen nahe, dass die Scheinmedikamente bei der Behandlung von Depression wirken könnten.

Dass die Psyche beim Genesen mithilft, ist bekannt. Ebenso ist der positive Effekt von Scheinmedikamenten auf die Gesundheit wissenschaftlich belegt. Nun verknüpften Schweizer Forscher diese Wirkungen. Sie konnten in ihrer aktuellen Studie nachweisen, dass Placebos auch in der Behandlung von Schuldgefühlen helfen.

Die Testpersonen spürten selbst dann eine Linderung der empfundenen Schuld, wenn sie wussten, dass sie nur ein Medikament ohne wirksame Bestandteile bekommen. Dieser Effekt könnte u.a. dafür genützt werden, irrationale Schuldgefühle bei Depressionen zu reduzieren und dennoch Transparenz bei der Behandlung zu erlauben, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt "Scientific Reports".

„Normale“ Schuldgefühle verschwinden meist, wenn die Sache wieder in Ordnung gebracht ist. Doch Schuldgefühle können auch als Symptom von Depressionen auftreten. Sie sind dann irrational und nicht durch Wiedergutmachung zu lindern.

Gesunde Testpersonen

Mit dieser Ausgangslage wollten Forschende um Dilan Sezer von der Universität Basel herausfinden, ob sich auch depressive Symptome mit Placebos behandeln lassen. Sie bezogen in ihre Studie mehr als 100 Teilnehmer ein; es waren gesunde Personen ohne Depressionen, da sich die Schuldgefühle so isolierter vom restlichen Krankheitsbild einer Depression messen lassen. Um Schuldgefühle zu wecken, sollten die Teilnehmer ein Erlebnis aufschreiben, bei dem sie sich falsch verhalten haben und das sie immer noch belastet. Danach mussten sie angeben, wie schuldig sie sich gerade fühlen.

Im Anschluss teilten Sezer und ihre Kollegen die Versuchspersonen in drei Gruppen auf: Zwei erhielten ein Placebo – die einen wissentlich, die anderen unwissentlich – und die dritte Gruppe erhielt keine Behandlung. Der unwissentlichen Placebo-Gruppe sagten sie, dass sie jetzt ein pflanzliches Mittel bekommt, mit dem sich Schuldgefühle innerhalb von drei bis fünf Minuten lindern lassen. Auch die wissentliche Placebo-Gruppe erhielt die Information, dass das Mittel gegen Schuldgefühle hilft, aber gleichzeitig, dass es sich dabei um ein Placebo handelt. Nach Ablauf einer gewissen Zeit mussten alle Studienteilnehmer erneut angeben, wie ausgeprägt ihre Schuldgefühle waren.

Selbstbestimmte Therapie

Das Ergebnis: Die Schuldgefühle verringerten sich bei beiden Placebo-Gruppen signifikant gegenüber der Gruppe ohne Medikation, wie die Forschenden berichten. „Speziell die offene Vergabe von Placebos ist ein vielversprechender Ansatz, da sie die Autonomie der Patientinnen und Patienten wahrt, weil diese vollumfänglich über die Intervention aufgeklärt werden“, sagte Sezer. Sie könnten in Zukunft also womöglich selbstbestimmter und auch symptomspezifischer über die eigene Therapie gegen Schuldgefühle entscheiden.

Bewährungsprobe mit Patienten ausständig

Ob sich die Erkenntnisse auf die Praxis - spezielle auf Patienten mit Depression - übertragen lassen, ist freilich noch offen.

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