Depressionen mit Partydrogen behandeln: Was steckt dahinter?
Wer in Kalifornien lebt, kennt den Begriff Microdosing wohl schon seit einiger Zeit. Dort boomt das Geschäft mit minimal dosierten Drogen, obwohl sie illegal sind. Vor allem im strebsamen Silicon Valley hat man den Mini-Trip (etwa ein Zehntel der üblichen Einheit) mit LSD oder psychedelischen Pilzen für sich entdeckt, um mehr Leistung zu bringen.
Nicht im Club werden die Substanzen eingeschmissen, sondern vor dem PC. Die Konsumenten erzählen von mehr Konzentration und Leistungsstärke, aber auch von mehr Kreativität und positiven Gedanken.
900.000 Österreicher nahmen innerhalb eines Jahres das Gesundheitssystem wegen psychischer Erkrankungen in Anspruch. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.
20 von 100 Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an einer Depression oder einer chronisch depressiven Verstimmung (Dysthymie). Während der Corona-Lockdowns ist die Zahl gestiegen.
Island ist in der Verschreibung von Psychopharmaka mit großem Abstand Spitzenreiter in den den OECD-Ländern, vor Australien und Portugal. Österreich liegt im Durchschnitt.
Wirkstoff aus Pilzen
Dass der Wirkstoff Psilocybin in Magic Mushrooms tatsächlich auch gegen Depressionen helfen könnte, hat nun erstmals eine belastbare klinische Studie vorgelegt. Bei schwer betroffenen Patienten führte Psilocybin kurzfristig zu signifikant weniger depressiven Symptomen. „Die Forschung steht hier aber noch am Anfang“, bestätigt Martin Aigner, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP).
Vor allem in der Schweiz wird derzeit viel zu LSD und anderen Psychedelika geforscht. Durch Untersuchungen der Uni Wien gibt es zudem erste Daten zu MDMA – der Wirkstoff, der auch in der Partydroge Ecstasy steckt.
In einer Placebo-kontrollierten Studie hat MDMA zu höheren Serotoninspiegeln der Probanden geführt. Ein Mangel an Serotonin wird in Zusammenhang mit Depressionen gebracht.
Minimale Dosierung
Anders als bei der Einnahme der illegalen Tabletten oder Tropfen, wurde die Substanz in der Studie in kleinsten Mengen und möglichst rein verabreicht, damit nicht auch Dopamin freigesetzt wird, das auf das Belohnungszentrum des Gehirns wirkt. Damit soll die Medikation nicht so leicht abhängig machen und gefährdet für Missbrauch sein.
„Aber es ist noch zu früh, um zu beurteilen, ob MDMA im Alltag eingesetzt werden kann. Es dauert lange, um zu erforschen, wer profitieren kann, wie hoch die Dosis sein soll und zu welcher Zeit und in welcher Umgebung der Wirkstoff verabreicht werden soll“, erklärt Aigner. Die Gefahr einer Überdosierung sei gerade bei MDMA nicht zu unterschätzen.
Nicht selbst behandeln
Viel weiter ist man da bei Ketamin. In den Siebzigerjahren wurde der Stoff in den USA als Sexdroge bekannt. Er ist libidosteigernd und senkt die Schmerzgrenze, kann aber auch zu Lähmungen und Ohmacht führen. Nach jahrelangen Untersuchungen wird die sedierende Substanz neben der Anästhesie auch in der Psychiatrie per Spray eingesetzt. Zielgruppe sind schwer depressive Patienten, die auf wiederholte Antidepressiva-Gabe nicht ansprechen. Psychiater Aigner macht in der Landesklinik Tulln gute Erfahrungen damit: „Ketamin ist gut untersucht und kann man anhand von seriösen Daten bereits empfehlen.“
Nur in Kombination mit Psychotherapie
Auf keinen Fall solle man sich jedoch selbst mit illegalen Substanzen behandeln. Sogar das immer wieder als harmlos und schmerzlindernd beschriebene Cannabis enthalte heute am Schwarzmarkt eine um zwanzig Mal höheren THC-Konzentration als in den Sechzigerjahren – als die Droge ihren ersten Höhenflug hatte. Der Experte warnt: „Die Pflanzen sind hochgezüchtet, das THC ist hoch konzentriert. Der Konsum führt viel öfter als früher zu Psychosen wie Verfolgungswahn oder sogar schizophrenen Symptomen.“
Bei all den neuen Wirkstoff-Hoffnungen darf die Psychotherapie nicht vergessen werden. Sie gilt gepaart mit einer abgestimmten Medikation weiter als Goldstandard.
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