Hilft Wirkstoff aus "Magic Mushrooms" gegen schwere Depressionen?
Kann eine einmalige Dosis des Psychodelikums Psilocybin - ein Wirkstoff aus den sogenannten "Magic Mushrooms" - die Symptome von schweren Depressionen lindern, bei denen die Gabe von Antidepressiva keinen Effekt gezeigt hat und die deshalb als therapieresistent gelten? Eine neue Studie liefert darauf zumindest Hinweise.
Die Studie mit insgesamt 233 Probanden wurde jetzt im Fachjournal New England Journal of Medicine veröffentlicht. Die Studienteilnehmer wurden in mehrere Gruppen aufgeteilt und erhielten eine einmalige Gabe von synthetischem Psilocybin in Form einer Kapsel mit einem Inhalt von entweder 1, 10 oder 25 Milliogramm Psilocybin. Gleichzeitig hörten sie beruhigende Musik und trugen eine Augenbinde, um in den sechs Stunden nach der Einnahme ihre Aufmerksamkeit auf ihr Inneres zu lenken.
Die ganze Zeit über war ein Psychotherapeut anwesend und am Tag danach und eine Woche später gab es Therapiesitzungen.
- Den größten Effekt zeigte die 25-Milligramm-Dosis: Bei 29 Prozent der 79 damit behandelten Studienteilnehmer waren drei Wochen später die depressiven Symptome signifikant niedriger als vor der Therapie.
- Bei den 75 Probanden in der 10-Milligramm-Gruppe war dies aber nur bei 9 Prozent der Fall.
- Und bei den 79 Probanden in der 1-Milligramm-Gruppe waren es acht Prozent, bei denen drei Wochen später das Niveau der depressiven Symptome deutlich niedriger war.
Gleichzeitig berichteten 77 Prozent der Teilnehmenden über unerwünschte Nebenwirkungen, darunter Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel. In allen Dosisgruppen traten auch Suizidgedanken, suizidales Verhalten oder Selbstverletzungen auf.
"Die Verträglichkeit war hoch", sagt dazu Matthias Liechti, stv. Chefarzt des Universitätsspitals Basel, in einer Stellungnahme für das deutsche Sciencemediacenter. "Wie bei Patienten mit behandlungsresistenten Depressionen zu erwarten, traten im Verlauf der Studie und in allen Dosisgruppen als unerwünschte Ereignisse Suizidgedanken auf. Diese sind aber nicht durch Psilocybin verursacht."
Die Einschätzung der Studienergebnisse unter Expertinnen und Experten ist aber sehr unterschiedlich. Von einem "außergewöhnlichen Ergebnis" spricht Guy Goodwin, leitender Wissenschafter der Firma Compass Pathfinder, die die Studie finanziert hat. Denn es habe sich um Probanden mit Depressionen gehandelt, bei denen sich andere Therapien als wirkungslos gezeigt hätten. Da sei eine Ansprechrate von 30 Prozent bei der höchsten Dosierung äußerst zufriedenstellend, wird er in der britischen Zeitung The Guardian zitiert.
Die Pilzgattung Psilocybe zählt mit über 80 Arten zur Familie der Lamellen- oder Blätterpilze, heißt es auf der Homepage praevention.at des Instituts für Suchtprävention von Pro Mente Oberösterreich. Die Wirkstoffe Psilocybin und Psilocin sind chemisch mit LSD verwandt und entfalten eine ähnliche Wirkung.
Psilocybinhaltige Pilze wachsen hauptsächlich in Mittel- und Südamerika, kommen aber auch in Europa vor.
Je nach Dosis und Form der Einnahme (meistens werden die Pilze gegessen) erreicht die Psilocybin-Konzentration im Gehirn nach 10 bis 30 Minuten ihr Maximum. Zuerst zeigen sich körperliche Effekte (Schläfrigkeit, Blutdruckabfall), später auch halluzinogene. Die Wirkung klingt schneller ab als beim LSD-Rausch (nach 6 bis 8 Stunden).
Für die Studie wurde synthetisches Psilocybin verwendet, das pharmazeutisch hergestellt wurde.
Andere Fachleute betonen aber auch, "dass die Psilocybin-gestützte Therapie nicht allen Patienten gleichermaßen hilft", sagt die Psychiaterin Katrin Preller von der Universität Zürich. "Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Fortführung der klinischen Prüfung sinnvoll ist. In der Zukunft sollte außerdem untersucht werden, welche Patienten am stärksten von dieser Art der Therapie profitieren."
"Die Ergebnisse der Studie sind zwar bei Weitem nicht so positiv wie die ersten kleinen offenen Pilotstudien vermuten ließen", sagt Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim gegenüber dem Sciencemediacenter. Er führt selbst eine Studie zu Psilocybin durch. "Aber die Daten zeigen ganz klar, dass Psilocybin bei therapieresistenter Depression wirksamer ist als ein Placebo."
Es gebe Patienten, die durch die Behandlung von ihrer Depression befreit werden, aber viele Patienten würden auch gar nicht profitieren. Zudem gibt es einen großen Graubereich zwischen diesen Polen.
Die Studie würde auch klar zeigen, dass bei einer nicht kleinen Gruppe von Patienten die antidepressive Wirkung mit der Zeit abnehme: "Die Studie dämpft die Euphorie, die gerade in der Laienpresse oft geschürt wird." Und sie würde zeigen, dass viele Patienten die Möglichkeit brauchen, "eine zweite Dosis und dann wahrscheinlich auch weitere Dosen zu erhalten, um eine dauerhafte Verbesserung zu erreichen."
Das werde aber nur sinnvoll umzusetzen sein, wenn die Therapie in eine systematische psychotherapeutische Begleitung eingebettet werde.
Auch die Studienautoren betonen, dass größere und länger andauernde Studien noch notwendig sind, inklusive Vergleichen mit bisherigen Therapien.
Wo es Hilfe bei Depressionen gibt
Wenn Sie oder eine Ihnen nahe stehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich an die Telefon-Seelsorge, kostenlos unter der Rufnummer 142. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Infos zu Hilfsangeboten.
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