Corona-Todesfälle: "Covid-Infektion kann wertvolle Jahre kosten"
Jahresbeginn 2021: Die Alpha-Variante des Coronavirus beginnt sich stark in Österreich auszubreiten: „Am Höhepunkt dieser Welle hatten wir alle unsere 16 Intensiv- und Überwachungsbetten mit Covid-Erkrankten belegt“, erinnert sich Walter Hasibeder, Leiter der Abteilung für Anästhesie und operative Intensivmedizin am Krankenhaus Zams in Tirol. Aber wie ist die Situation heute in seinem Spital?
„In den vergangenen Monaten hingegen hatten wir jeweils immer nur einen Covid-Patienten auf der Intensivstation liegen und von diesen lediglich einen verloren“, sagt Hasibeder. „Und seit drei Wochen gibt es nur mehr auf Normalstationen Covid-Patienten. Das kann man gar nicht vergleichen.“
Ähnliches berichtet Harald Stingl, Leiter der Abteilung für Innere Medizin im Landesklinikum Melk in NÖ: „Auf den Normalstationen haben wir nach wie vor viele Covid-Aufnahmen, wenige auf den Intensivstationen. Die Covid-Patienten, die heute versterben, waren meist bereits vor der Infektion in einem schlechteren Allgemeinzustand. Häufig lag die letzte Impfung auch schon bis zu einem Jahr zurück. “
Ähnlich sieht es Hasibeder: „Patienten mit einem erhöhten Covid-Sterberisiko sind Menschen mit einem medikamentös gedämpften Immunsystem sowie alte Patienten über 70 Jahre mit bereits bestehenden Herz-Kreislauf-, Lungen- oder neurologischen Erkrankungen.“
Weniger Reserven
„Ein älterer Mensch mit einer schweren Herz-Kreislauf-Erkrankung etwa hat viel weniger körperliche Leistungsreserven als ein jüngerer. Trifft ihn dann ein Virus und die Körpertemperatur steigt plötzlich auf 40 Grad Celsius, kann das z. B. einen Herzinfarkt auslösen“, erklärt Hasibeder.
Oft heiße es, eine Person sei ja gar nicht an Covid gestorben, sondern an ihrem schwachen Immunsystem, sagt Stingl: „Aber das stimmt so nicht. Diese Menschen sind zwar betagt, führen aber ein gutes Leben, sind mobil, lesen ihre Bücher, genießen ihre sozialen Kontakte und sind in der Freizeit aktiv. Eine Covid-Infektion kann bei ihnen die Lebenszeit um mehrere wertvolle Jahre verkürzen – auch dann, wenn Covid nur ein Teil der Todesursache war.“
Sind wichtige Organe wie etwa Herz oder Niere bereits schwach, könne eine Infektion die Grunderkrankungen verschlechtern – so wie andere Infektionen auch. Und umgekehrt können die Begleiterkrankungen zu einem schwereren Verlauf von Covid führen. „Deshalb bleibt es wichtig, mit Augenmaß alles zu tun, um das Infektionsrisiko zu reduzieren.“ Jedenfalls sei es zynisch und falsch zu sagen, die Menschen wären auch ohne Infektion bald gestorben, betont Stingl.
Definition
Beim Elektronischen Meldesystem EMS werden Todesfälle registriert, die in zeitlicher Nähe zu einer Infektion stattfanden. Das sind laborbestätigte Infizierte, bei denen zwischen dem Status „Erkrankung“ und dem Status „Tod“ der Status „Genesen / Geheilt“ nicht vorgelegen hat.
Rückgang
Laut Gesundheit Österreich (GÖG) konnte seit Omikron ein Rückgang des Anteils der verstorbenen Covid-Spitalspatienten von 14,2 % auf 8,6 % beobachtet werden.
20.990 Coronatodesfälle (exakt 20.990) wurden zwischen Ende Februar 2020 und 1.11. gemeldet.
Die lange geführte Diskussion, ob jemand „mit oder an Covid“ gestorben ist, sei „eine extrem künstliche und eine Wortklauberei“, ergänzt Hasibeder. „Man kann das eben oft nicht auseinanderhalten. Denn wichtige Organe, die man braucht, um eine schwere Covid-Erkrankung zu überstehen, funktionieren im Alter nicht mehr so gut wie bei jungen gesunden Menschen.“
„Natürlich ist die Situation viel besser als früher – aber gerade in Österreich mit einer niedrigen Durchimpfungsrate gehen nach wie vor durch Covid viele Lebensjahre in guter Qualität verloren“, sagt Stingl. Nicht immer werde auch die antiviralen Medikamente Paxlovid oder Lagevrio rechtzeitig innerhalb der ersten Tage nach Symptombeginn verabreicht. Und das Nachlassen des Impfschutzes bei Älteren mit Mehrfacherkrankungen bei langen Impfabständen werde unterschätzt. „Einen Teil der heutigen Covid-Todesfälle könnte man sicher durch rechtzeitiges Auffrischen des Impfschutzes verhindern.“
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