Wo es mehr Zeit für die Patienten gibt

Wo es mehr Zeit für die Patienten gibt
KURIER-Serie "Wege der Pflege". Im Gesundheitszentrum Medizin-Mariahilf arbeiten Ärzte und Pflegepersonal eng zusammen.

Die Nachfrage ist groß: „Unsere Kapazitätsgrenze ist erreicht! Wir können bis auf weiteres keine neuen PatientInnen aufnehmen“, heißt es beim Eingang von „Medizin Mariahilf“. Vor drei Jahren als erstes Primärversorgungszentrum Österreichs eingerichtet, ist diese „Gruppenpraxis für Allgemeinmedizin“ an Werktagen mit Ausnahme einer Mittagspause bis 19 Uhr geöffnet.

Wo es mehr Zeit für die Patienten gibt

Zum Kernteam gehören neben drei Allgemeinmedizinern auch drei diplomierte Pflegekräfte (zwei Gesundheits-und Krankenpflegerinnen sowie ein -pfleger) , eine Diätologin sowie eine Psychotherapeutin. „Unsere sehr positive Erfahrung ist, dass bei einer ganzen Reihe von Tätigkeiten, die Ärzte in Einzelordinationen derzeit noch selbst machen müssen – weil es halt nur den Arzt gibt – , die Pflege eine wichtige Rolle spielen kann“, sagt Wolfgang Mückstein , einer der ärztlichen Leiter.

Dabei gehe es aber nicht nur um klassische Aufgaben wie Blutabnehmen, Infusionen verabreichen und EKG schreiben: „Das können auch speziell ausgebildete medizinische Assistenzberufe.“ Ein wichtiger Bereich etwa sei die Wundpflege: „Wenn eine diplomierte Krankenpflegerin, die oft eine Zusatzausbildung als zertifizierte Wundpflegerin hat, eigenverantwortlich einen Patienten mit einer Wunde betreut, entlastet mich als Arzt das. Außerdem hat sie mehr Erfahrung als ich und kann das auch besser. Sie dokumentiert die Therapie und den Therapieverlauf. Wird die Wunde kleiner und verläuft alles nach Plan, genügt es, wenn wir am Schluss der Therapie miteinander sprechen.“

Wo es mehr Zeit für die Patienten gibt

Ein anderer wichtiger Bereich für die Pflegekräfte ist die strukturierte Betreuung von Diabetikern im Rahmen des „Disease Management“- Programms „Diabetes aktiv“: „Hier können 90 Prozent von der Pflege und der Diätologin gemacht werden.“

In diesem Programm werden Typ-2-Diabetiker strukturiert betreut: Nach einer ärztlichen Eingangsuntersuchung gibt es alle drei bzw. alle sechs Monate Kontrolltermine und auch regelmäßige Überweisungen zu Fachärzten – etwa einmal jährlich zum Augenarzt. Mückstein: „Sind seit dem vergangenen Termin keine Probleme aufgetreten und ist der Patient bei allen Werten im Zielbereich, muss er von keinem Arzt gesehen werden. Es kann auch die Pflegeperson eine Überweisung schreiben. Ebenso kann sie die Befragung der Patienten nach einem vorgegebenen Schema oder Schulungen durchführen, etwa zum Umgang mit dem Blutzuckermessgerät.“

Die Erfahrungen seien durchaus positiv: „Durch unsere Pflegekräfte gewinnen wir Ärzte Zeit für eine umfassendere Betreuung der Patienten – zum Beispiel auch für ein ausführlicheres Gespräch.“

Angedacht sei auch, dass die drei Pflegekräfte Hausbesuche machen: „Warum nicht? Blutdruck messen, Blutzucker kontrollieren, Wunden versorgen – für solche Aufgaben und noch viele mehr braucht es keinen Arzt. International gesehen hat die Pflege noch viel mehr Kompetenzen – etwa auch das Verordnen von bestimmten Medikamenten wie Wundcremen, was bei uns noch nicht möglich ist“, sagt Allgemeinmediziner Mückstein (Bild unten).

Wo es mehr Zeit für die Patienten gibt

Sowohl bei Ärzten als auch Pflegepersonen erhöhe diese Arbeitsweise die Zufriedenheit im Job: „Jeder kann eigenverantwortlich das tun, wofür er ausgebildet ist – die Arbeit ist aufgeteilt. Und in einem Team kann man sich optimal austauschen.“

Wird dadurch auch die Behandlungsqualität verbessert? Mückstein: „Aus meiner Sicht ja. Aber das hat den Grund, dass wir als Primärversorgungszentrum bestimmte Leistungen wie umfassende Wundpflege oder die konsequente Diabetikerbetreuung verbindlich anbieten müssen und auch abrechnen können– aufgrund unseres Vertrages mit der Sozialversicherung und der Stadt Wien. “

Auch die Patienten schätzen das, zeigte sich nach einer zweijährigen Pilotphase: Acht von zehn Patienten, die im Gesundheitszentrum Medizin Mariahilf in Behandlung waren, wollen dort bleiben. Und: Gäbe es Medizin Mariahilf nicht, wäre jeder fünfte stattdessen in eine Spitalsambulanz gegangen.

 

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