Wenig Transparenz im Gesundheitssystem: Wie das Patienten schadet
"Das österreichische Gesundheitssystem gilt im Vergleich zu jenen anderer Länder als wenig transparent", heißt es in der Einleitung zu neuen "Empfehlungen für mehr Informationstransparenz im österreichischen Gesundheitswesen" der Arbeitsgruppe Gesundheit von Transparency International Austria. Diese Empfehlungen wurden jetzt im Rahmen einer Podiumsdiskussion gemeinsam mit der Rechercheplattform Dossier präsentiert.
"Transparenzmängel haben zur Folge, dass Bürgerinnen und Bürger ... kein Wissen über die ihnen zustehenden Leistungen sowie über qualitative Unterschiede in der Leistungserbringung haben." Das führe neben Ungleichbehandlung und mangelnder Mitsprachemöglihckeit "auch zu fehlender Nachvollziehbarkeit für möglicherweise begründete Leistungsausschlüsse bestimmter Therapieformen".
Zu den Empfehlungen zählen unter anderem
- das Offenlegen von Protokollen von Sitzungen von Beratungs- und Entscheidungsgremien
- die öffentliche Einsicht in alle mit Steuergeld erhobenen Gesundheitsdaten (unter Wahrung des Schutzes personenbezogener Daten)
"Transparenzmängel machen Korruption erst möglich", sagte bei der Podiumsdiskussion Andrea Fried, Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitswesen von TI Austria. "Als Bürgerinnen und Bürger und als Patientinnen und Patienten wissen wir sehr viele Dinge nicht, die wir wissen sollten.Österreich hat hier großen Nachholbedarf.“ "
Und da gebe es - etwa im Vergleich mit Deutschland - interessante Unterschiede: "Unsere Kolleginnen und Kollegen waren erstaunt, dass es bei uns den Begriff 'Kuvertmedizin' gibt, den kannten sie nicht. Bei uns, würde ich sagen, gehört das zum österreichischen Allgemeinwortschatz, da weiß man, was man sich darunter vorstellen kann."
"Unendlich viel Intransparenz"
"Es gibt unendlich viel Intransparenz im Gesundheitssystem", sagte Claudia Wild, Geschäftsführerin des Austrian Institute for Health Technology Assessment, das medizinische Leistungen und Technologien daraufhin überprüft, ob sie aktuellen wissenschaftlichen Standards entsprechen. "Eine feinsinnige Analyse der Daten ist extrem wichtig, aber dabei stehen wir oft vor verschlossenen Toren, weil sich die Anbieter von medizinischen Leistungen halt nicht sehr gerne auf die Finger schauen lassen."
So hätten die Patienten ein Recht zu wissen, wie die Ergebnisse bei bestimmten Eingriffen in einem kleinen Spital, das diese selten durchführt, im Vergleich zu großen Kliniken mit viel mehr solcher Eingriffe sind: "Das ist ein wertvolles Wissen, das nicht nur in Aktenordnern hinter verschlossenen Türen liegen sollte."
Martin Halla, Leiter der Abteilung für Wirtschaftspolitik der Johannes-Kepler-Universität Linz, betonte: "Es gibt dieses Mantra, dass Politiker sagen, in meinem Bundesland wird kein Spital zugesperrt. Aber würde man Statistiken über die Qualität kleiner Häuser in der Peripherie veröffentlichen, würde sich dieses politische Mantra ändern."
Transparenz führe zu besseren Entscheidungen, mangelnde Transparenz hingegen zu großer Ungleichheit: "Wir haben keine Zwei-Klassen-Medizin, sondern drei, vier fünf oder sogar sechs Klassen."
Kein Zugang zu Daten
Ein weiteres Probem hat die Pandemie sichtbar gemacht: "Wir haben in Österreich die besten Datensätze, aber wir dürfen sie im Regelfall nicht angreifen", kritisierte Martin Halla, Leiter der Abteilung für Wirtschaftspolitik der Johannes-Kepler-Universität Linz.
Halla nannte ein Beispiel: Welche Bevölkerungsgruppen haben das höchste Infektionsrisiko? Welche lassen sich am wenigsten oft impfen? "Wir wissen, wer Corona hatte und wer geimpft ist. Das könnte man leicht mit anderen administrativen Daten verknüpfen - rein für wissenschaftliche Zwecke." Das Traurige sei aber, "dass nicht nur wir Forscherinnen und Forscher keinen Zugang haben, auch die Politiker selbst haben den Zugang nicht."
Die Rechercheplattform Dossier hat vier Monate lang Österreichs Gesundheitssystem unter die Lupe genommen. Bei den Recherchen sind die Autorinnen und Autoren immer wieder auf Intransparenz gestoßen.
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