Todesfälle im eigenen Heim
Jede Hypothese ist möglich, auch eine Kombination. Aber wie Jeremy Faust und Benjy Renton von der Harvard Universität darlegen, geht jeder Spitzenwert der Übersterblichkeit mit einem Spitzenwert der Covid-19-Todesraten einher. Dasselbe gilt für den jeweiligen Tiefpunkt der Kurve. Wenn also verzögerte Krebsbehandlungen und nicht diagnostizierte Herzkrankheiten ein Mitgrund für die Übersterblichkeit ist, warum läuft dieser Effekt mit den Wellen der offiziellen Covid-Todesfälle parallel, fragt die New York Times.
Gründe wie Autounfälle, Mord, Selbstmord, Überdosis wären laut Faust zwar zu Beginn der Pandemie sprunghaft angestiegen, aber seitdem konstant. Diese Faktoren würden zudem vor allem junge Menschen betreffen, die Übersterblichkeit jedoch die ältere Generation.
Wären in erster Linie Long Covid und Folgeerkrankungen für die Übersterblichkeit verantwortlich, würde man erwarten, dass die Übersterblichkeit in einem bestimmten Intervall nach jeder einzelnen Welle ansteigt - vielleicht ein paar Wochen oder ein paar Monate später. Doch obwohl es im Jahr 2022 mehr US-Infektionen gab als in den beiden Vorjahren, war jener Teil der überschüssigen Übersterblichkeit in absoluten Zahlen tatsächlich geringer als im Jahr 2020.
Harvard-Mediziner Faust glaubt zumindest einen Teil des Rätsels gelöst zu haben: Die überhöhte Übersterblichkeit setze sich zu einem großen Teil aus Todesfällen durch Covid-19 zusammen, die zu Hause auftraten und deshalb nicht ordnungsgemäß erfasst oder registriert worden seien. Im häuslichen Umfeld kann ein Todesfall auf Covid-19 nur mit einem positiven Test zurückgeführt werden. Ein erheblicher Teil dieser Todesfälle würde also nicht diagnostiziert. Im Krankenhaus hingegen würden alle Patienten getestet und es könnten auch mehrere Ursachen auf dem Totenschein vermerkt werden, so Faust.
Man kann darüber streiten, ob die Infektion eine Hauptursache oder nur eine Mitursache für diese Todesfälle war. Aber der Grund, warum wir so eine hohe Übersterblichkeit haben, sind die Covid-Wellen, die mit den Höhen und Tiefen in den Diagrammen zusammenpassen, sagt Faust. "Ich vermute, dass wir irgendwann herausfinden werden, dass von diesen 200.000 bis 300.000 überzähligen Todesfällen 80 bis 90 Prozent auf Covid zurückzuführen sind."
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