Dauerhafte Immunschäden durch mehrfache Covid-Infektionen?

Symbolbild
Karl Lauterbach ließ mit einer Aussage zum Immunsystem aufhorchen: Der deutsche Gesundheitsminister sagte der Düsseldorfer Rheinischen Post, dass mehrere Covid-Infektionen zu einer dauerhaften Schädigung des Immunsystems führen können. "Es ist bedenklich, was wir bei Menschen beobachten, die mehrere Corona-Infektionen gehabt haben. Studien zeigen mittlerweile sehr deutlich, dass die Betroffenen es häufig mit einer nicht mehr zu heilenden Immunschwäche zu tun haben", wurde Lauterbach zitiert.
Dies könne zudem ein Risikofaktor für die Entstehung chronischer Erkrankungen sein, von Herz-Kreislauf-Problemen bis hin zur Demenz, so Lauterbach. "Ich verfolge die Studien und diskutiere mit Experten. Das zeigt: Wenn jemand nach zwei Infektionen ein stark gealtertes Immunsystem hat, ist es ratsam, dass er weitere Covid-Infektionen vermeidet", sagte der Minister.
Unheilbar geschwächt oder doch nicht?
Auf Twitter schrieb er gestern Abend dann allerdings, dass es einen Übertragungsfehler gab und das Zitat eigentlich so lauten hätte sollen: "Studien zeigen mittlerweile sehr deutlich, dass die Betroffenen es häufig mit einer Immunschwäche zu tun haben, deren Dauer wir noch nicht kennen." Im Tweet ergänzte Lauterbach zudem: "Von unheilbarer Immunschwäche kann derzeit noch keine Rede sein."
Was ist dran, an den Aussagen Lauterbachs? Tatsächlich zeigen Studien, dass das Immunsystem durch eine Covid-Infektion geschwächt werden kann. Dies ist generell der Fall: Im Lauf des Lebens altert unser Immunsystem. So nimmt etwa die Zahl der naiven Immunzellen im Alter ab. Das sind jene Zellen, die darauf abzielen, neue, dem Körper bisher unbekannte Erreger zu erkennen und abzuwehren. Wie sehr diese Alterung über die Jahre voranschreitet wird durch eine Vielzahl an Faktoren beeinflusst, auch Infektionen können eine Rolle spielen.
Noch ist aber völlig unklar, ob Covid-Infektionen hier einen stärkeren Einfluss haben als andere Erkrankungen oder wie groß der Einfluss von Covid-Infektionen überhaupt ist. Eine Rolle für das Immunsystem spielt auch, ob mehrere Erreger gleichzeitig den Körper belasten. Aktuell kam es etwa häufig zu Mehrfachinfektionen, das heißt manche waren gleichzeitig mit Grippe, Covid und/oder RSV infiziert.

Karl Lauterbach löste eine Debatte aus.
Studien zeigen Immunschwäche nach Covid
Es gibt Studien, die belegen, dass das Immunsystem nach einer Infektion mit Covid-19 für eine gewisse Zeit geschwächt ist. Es konnte gezeigt werden, dass die Killerzellen, die im Immunsystem von Viren befallene Zellen abtöten, nach einer Covid-Infektion weniger aktiv sind – ihre Zahl nimmt ab und die Immunantwort auf weitere Erreger fällt geringer aus. Eine starke Reaktion des Immunsystems wird normalerweise positiv gesehen. Fällt die Reaktion auf Erreger aber zu intensiv aus, kann das auch negative Wirkungen haben. Es konnte etwa gezeigt werden, dass die Deltavariante nach schweren Krankheitsverläufen zu starken Entzündungsreaktionen im Körper führte, auf die eine Erschöpfung der Abwehrzellen folgte.
Inwieweit die Schwächung durch eine Covid-Infektion anhält oder ob Covid-19 stärkere Effekte auf das Immunsystem hat als andere Erreger, ist bisher aber nicht ausreichend geklärt. In deutschen Medien wurde Lauterbach für seine Aussagen daher kritisiert. Die Datenlage, auf die er sich beruft, sei derzeit gering und nicht wissenschaftlich geprüft, heißt es etwa in einem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung. Lauterbach beziehe sich auch auf Studien, die noch nicht in wissenschaftlichen Fachjournalen veröffentlicht wurden, auch nicht im sogenannten Preprint, es fehlt also auch die vorläufige wissenschaftliche Publikation, die noch nicht von Fachkollegen begutachtet ist. Durch seine verfrühten Schlussfolgerungen würde er Menschen in Angst und Schrecken versetzen, obwohl die Datenlage nicht gesichert sei.
Es braucht also weitere Studien, die zeigen, welchen längerfristigen Effekt Covid-19-Infektionen tatsächlich auf das Immunsystem haben.
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