Wirkstoff BC 007: Hoffnung auf Long-Covid-Medikament ab 2024?
Es ist eine knappe Mitteilung auf der Website des deutschen Start-ups Berlin Cures, die aber vielen Menschen mit Long Covid große Hoffnung gibt: "Berlin Cures plant eine Phase-II-Studie an mehreren klinischen Zentren mit dem Wirkstoff BC 007 für die Indikation Long Covid. Nach Erhalt aller dafür notwendigen Genehmigungen, werden die ersten Patientinnen und Patienten in diese Studie aufgenommen."
Zu diesem Zeitpunkt werde auch bekannt gegeben, an welche klinischen Zentren man sich wenden könne. Um den Ansturm an Anfragen abzumildern, heißt es in der Mitteilung mit gelber Leuchtmarkierung auch: "Wir bitten alle Betroffenen, von Nachfragen direkt bei Berlin Cures abzusehen, da unser Unternehmen nicht in die Auswahl von Studienteilnehmenden eingreifen darf."
Laut zeit.de liegen die Anträge für die Studie derzeit beim deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. 100 Patientinnen und Patienten - inklusive der Placebogruppe - sollen mindestens in die Studie eingeschlossen werden. Mit Ergebnissen ist aber nicht vor Ende 2023 / Anfang 2024 zu rechnen. Und für eine Zulassung ist dann höchstwahrscheinlich noch eine weitere, noch größere Studie (Phase 3) notwendig.
Der Wirkstoff BC 007 ist seit dem Sommer 2021 ein großes Thema unter Long-Covid-Patientinnen und Patienten. Er war ursprünglich für Patienten mit schweren Herzerkrankungen zur Behandlung ihrer Durchblutungsstörungen entwickelt worden. Er bekämpft sogenannte Autoantikörper, die sich gegen körpereigene Strukturen wenden und dabei unter anderem auch die Durchblutung verschlechtern.
Weil einer dieser Autoantikörper auch bei der Erkrankung Grüner Star auftritt, und dort die Augendurchblutung verschlechtert, wurden Augenärztinnen und Augenärzte des Erlanger Universitätsklinikums auf BC 007 aufmerksam. Als ein langjähriger, an Glaukom erkrankter Patient von seinen Beschwerden nach einer überstandenen Corona-Infektion berichtete - darunter starke Konzentrationsstörungen und Abgeschlagenheit - wollte ihm das Team der Augenklinik im Rahmen eines individuellen Heilversuchs mit BC 007 helfen.
Tatsächlich verbesserten sich seine Durchblutungsstörungen nach der Gabe von BC 007, die Long-Covid-Beschwerden wie Konzentrationsschwierigkeiten verschwanden. Das Uniklinikum Erlangen veröffentlichte im Sommer 2021 eine Pressemitteilung mit dem Titel: "Medikament gegen Autoantikörper hilft bei Long Covid" - das war der Beginn des Hypes um BC 007. In der Folge wurden auch drei weitere Patienten mit BC 007 behandelt.
Erst Daten von vier Patienten
Experten raten aber zur Zurückhaltung: Bisher gibt es lediglich Daten von diesen vier Patienten. "Vier Patienten sind noch kein Nachweis der Wirksamkeit", wird Rainer Böhm, Vorstandsmitglied von Berlin Cures, auf zeit.de zitiert. "Wir wissen noch nicht, wie hoch die Wirksamkeit ist, wenn wir BC 007 mehr Menschen verabreichen". Das Mittel sei aber ein "ganz wichtiger Ansatz, der es verdient, richtig getestet zu werden".
Möglich wurde die Einreichung der Studie erst, nachdem große Anstrengungen zu ihrer Finanzierung unternommen wurden - was gar nicht so einfach war. "Es geht um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag", berichtete im Herbst 2022 die Frankfurter Allgemeine. Das Geld für die Studie komme teilweise von den Managern selbst, Risikokapitalgebern und "pharmanahen Unternehmen", schrieb die FAZ.
Da es verschiedene Formen von Autoantikörpern gibt, die eine Rolle bei Long Covid zu spielen scheinen, ist jetzt noch völlig unklar, wie viele davon BC 007 wirklich neutralisieren könnte. Laufe die Studie gut, könnte BC 007 einen Durchbruch bringen, wird die Long-Covid-Spezialistin Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité in Die Zeit zitiert. Es könnte aber auch eine Sackgasse sein, sagt sie ebenfalls dort. Noch ist also alles offen.
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