Warum Pfizer mit der Covid-Pille Großes gelungen ist
Gute Nachrichten sind dieser Tage Mangelware. Zu Wochenbeginn mischte sich eine erfreuliche Meldung in die Flut besorgniserregender Corona-Neuigkeiten: Pharmariese Pfizer veröffentlichte die finale Auswertung seiner klinischen Studie zum Corona-Medikament Paxlovid. Demnach senkt das antivirale Mittel bei Risikopatienten die Gefahr einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes um fast 90 Prozent.
Seit Beginn der Pandemie wurden etliche Arzneien als Hoffnungsträger hochgelobt. Der Großteil blieb am Ende hinter den Erwartungen zurück. Bei Paxlovid könnte es anders sein. "Paxlovid ist ein Durchbruch, und ich verwende diesen Begriff nicht leichtfertig", preist Eric Topol, US-Kardiologe und einer der meistzitierten Medizin-Forscher weltweit, das Präparat auf seinem Blog.
Mit seiner Einschätzung ist er nicht allein.
"Für eine Tablette zum Schlucken sind das beeindruckende Daten", befindet auch Markus Zeitlinger, Vorstand der Universitätsklinik für klinische Pharmakologie der MedUni Wien. "Sie wird uns eine tolle Stütze in der Pandemie sein."
Attraktive Therapie
Die vielversprechende Wirksamkeit zeigt sich, wenn mit der Behandlung innerhalb von drei bis fünf Tagen nach Auftreten erster Symptome begonnen wird. Rasches Handeln ist also unabdingbar. "Man wird eine ausgeklügelte Logistik brauchen, um das Medikament rasch zu den infizierten Patientinnen und Patienten zu bekommen", sagt Zeitlinger. Dafür sei die Einbindung diverser relevanter Akteure vonnöten – von Contact-Tracern über Apotheker bis hin zu Allgemeinmedizinern.
Letztere könnten beim Einsatz von Paxlovid erstmals eine zentrale Rolle übernehmen. Bisher durften Covid-Präparate nur im Spital verabreicht werden. "Im Gegensatz zu Antikörper-Therapien, die an Infusionsstraßen oder Ambulanzen gebunden sind, hat Paxlovid den Vorteil, dass es als Tablette gut im niedergelassenen Bereich einsetzbar ist", sagt Zeitlinger.
Was genau steckt in dem "Wundermittel", das die Virusvermehrung im Körper hemmt? Paxlovid wird oral eingenommen und ist ein Kombi-Präparat aus einem Wirkstoff, der speziell gegen Covid-19 entwickelt wurde (Nirmatrelvir) und einem älteren Wirkstoff aus der HIV-Therapie (Ritonavir). Letzterer kommt zum Einsatz, damit der neue Wirkstoff im Körper nicht zu rasch abgebaut wird. "Ritonavir hat selbst in diesem Kontext keine antivirale Aktivität, schützt aber die wirksame Substanz Nirmatrelvir vor dem Abbau in der Leber", präzisiert Zeitlinger.
Faktor Verfügbarkeit
Paxlovid dürfe jedenfalls nur unter zwei Bedingungen in die Hände von Hausärzten gelangen: "Zum einen muss die Ärztekammer sicherstellen, dass die betreffenden Ärzte gut für das neue Medikament geschult sind", sagt Zeitlinger. Zum anderen müsse es klare Kriterien geben, wer das Therapeutikum erhält. "Wir werden schlicht keine ausreichende Menge zur Verfügung haben, um es jedem zu geben – insbesondere, wenn wir eine wilde Omikron-Welle erleben, was zu befürchten ist." Je höher das Risiko ins Spital zu kommen, desto nützlicher ist Paxlovid außerdem. Zur reinen Symptomlinderung bei milden Verläufen taugt es nicht.
Ob die Vergabe-Entscheidung ebenfalls Hausärzten obliegen sollte, bezweifelt Zeitlinger: "Das würde enorm viel Druck auf die Kolleginnen und Kollegen erzeugen. Eine zentrale Stelle, die das unabhängig regelt, wäre sinnvoller."
Exakte Einnahme
Die Behandlung umfasst eine fünfteilige Blisterpackung: Zweimal täglich werden zwei 150-mg-Tabletten Nirmatrelvir eingenommen sowie eine 100-mg-Tablette Ritonavir. "Wichtig ist, dass beide Pillen eingenommen werden, sonst kann sich die Wirkung nicht entfalten. Das klingt nach einer Kleinigkeit, kann aber in einer Stresssituation – eine Covid-Infektion fällt definitiv in diese Kategorie – überfordernd sein."
Zu bedenken gibt Zeitlinger, dass Paxlovid in erster Linie Patientinnen und Patienten mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf verschrieben werden wird. "Das umfasst viele ältere Menschen, denen der Medikamenten-Umgang schwerfallen kann."
Zeitlinger plädiert dafür, Hotlines einzurichten, wo sich Patientinnen und Patienten erkundigen können. Auch Aufklärungsvideos hält er für sinnvoll und praktisch, um Unsicherheiten im Umgang zu begegnen.
Nebenwirkungen
Einen kleinen Haken gibt es: Bei Paxlovid kann es zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneien kommen, weil eine Komponente des Präparates in den menschlichen Stoffwechsel eingreift. Das kann die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Zeitlinger: "Auch, wenn aufgrund der kurzen Behandlungsdauer schwere Probleme unwahrscheinlich sind, muss grundsätzlich ein Check gemacht werden, ob andere Medikamente eingenommen werden."
Schwerwiegende Nebenwirkungen sind bei Paxlovid nicht zu befürchten, während der Schwangerschaft darf es nicht eingenommen werden.
Erwähnenswert ist laut Zeitlinger, dass sich Pfizer mit der frühzeitigen Benennung des Produkts womöglich vor der Zulassung einen Marktvorteil sichern will: "Paxlovid bezeichnet nicht die Wirkstoffe, die zur Anwendung kommen – nämlich Nirmatrelvir und Ritonavir –, sondern ist ein fertiger Handelsname. Das Kind hat also schon einen Namen."
Omikron-geprüft
Paxlovid dürfte auch bei der Omikron-Variante wirksam sein. Das habe sich in Labortests gezeigt, heißt es vonseiten des Herstellers. Das Erstarken der Omikron-Variante wirkt sich allgemein auf den Status quo der Covid-Medikamente aus. Von einer abnehmenden Wirksamkeit könnten vor allem Antikörper-Präparate wie auch einige antivirale Arzneien betroffen sein. Medikamente wie Paxlovid, die abgekoppelt vom Immunsystem funktionieren und nicht auf das Spike-Protein von SARS-CoV-2 zugeschnitten sind, werden relevanter.
Die österreichische Bundesregierung will von Paxlovid 270.000 Zyklen bestellen. Die Behandlung soll pro Zyklus 500 Euro kosten. Derzeit prüft die EU-Arzneimittel-Agentur (EMA) Paxlovid. Zeitlinger rechnet im ersten Quartal des neuen Jahres mit einer Zulassung.
Ein Ersatz für die Impfung sei Paxlovid – wie auch sämtliche andere Covid-Arzneien – nicht: "Die Impfung schützt mich rund um die Uhr. Das Medikament bringt mir erst etwas, wenn ich mich schon angesteckt habe."
Kommentare