Vierte Welle: Welche Rolle spielen Corona-Tests?
Corona-Tests sind im Sommer zunehmend aus der öffentlichen Debatte verschwunden. Die Politik bringt das Thema nun wieder aufs Tapet: In Wien werden Covid-Tests künftig weniger lang als 3-G-Nachweis gültig sein. Antigen-Tests dienen seit einigen Wochen nur mehr als Zutrittsticket, wenn sie professionell abgenommen oder bei Selbstabnahme digital und behördlich erfasst werden.
Was weiß man aktuell über die Zuverlässigkeit von Antigen-Schnelltests?
Wissenschafter des Zentrums für Infektiologie am Uniklinikum Heidelberg haben kürzlich 200 am Markt verfügbare Antigen-Schnelltests analysiert: Viele gute Schnelltests erkennen im Schnitt 7 von 10 mit SARS-CoV-2 infizierte Personen. Werden sie nur nach Symptombeginn verwendet, steigt diese Quote auf 8 von 10, und bei Personen mit hoher Viruslast werden 9,5 von 10 identifiziert.
"Tatsächlich funktionieren Antigen-Tests bei hoher Viruslast sehr gut, wobei die Qualität der verschiedenen Produkte variieren kann", sagt der österreichische Labormediziner Georg Greiner: "Billiger hergestellte Produkte können Infektionen teilweise viel schlechter detektieren."
Die neue Studie zeigte bei Antigen-Tests zur Selbstabnahme und Profi-Abstrichen keine Unterschiede in puncto Genauigkeit. Spielt der Abnahme-Modus keine Rolle?
"Definitiv schon", sagt Greiner. Abstriche aus dem Nasen-Rachen-Raum seien Proben, die über den Mund im Rachen entnommen werden, deutlich überlegen. Wird nur im Nasenloch Material gesammelt, schneiden die Tests noch schlechter ab. "Das hat hauptsächlich mit der Menge an Virus in dem jeweiligen Bereich zu tun." Echte Superspreader "wird man auch mit reinen Nasen- oder Rachenabstrichen herausfiltern".
Auf KURIER-Nachfrage bestätigt der an der Heidelberger Studie beteiligte Forschungsassistent Lukas Brümmer jedoch: "In unserer Studie haben wir sowohl Schnelltests mit professioneller Abnahme als auch solche zur Selbstabnahme eingeschlossen, das gute Zeugnis gilt also für beide gleichermaßen. Ein hierbei interessanter Aspekt ist der Ort der Probenentnahme: bei professioneller Abnahme erfolgt diese oft im Nasenrachenraum, bei Selbstabnahme hingegen im vorderen Nasenbereich. Bei beiden Varianten konnten wir auch eine ähnliche Testgenauigkeit feststellen."
In Wien sind Tests nun kürzer gültig. Ist das sinnvoll?
"Grundsätzlich ist diese Entscheidung keine schlechte, weil sie zur Folge hat, dass sich Menschen öfter testen lassen und sich das risikobehaftete Zeitfenster weiter schließt", sagt Greiner. Insbesondere im Hinblick auf Delta, denn die Variante verursache deutlich höhere Viruslasten. Die Inkubationszeit könne kürzer ausfallen, "sodass Menschen potenziell früher ansteckend sind".
Spülen, gurgeln: Was ist besser?
In den Schulen sollen im Herbst PCR-Spültests zum Einsatz kommen. Gurgeln ist aufgrund der Aerosol-Entwicklung suboptimal. "Die meisten internationalen Studien sind Spülstudien, keine Gurgelstudien. Sie zeigen, dass man so sehr gute Detektionsraten zustande bringt", sagt Greiner.
Wie könnte ein Test-Konzept in Kindergärten aussehen?
Kindergärten sind Ländersache, das Bildungsministerium plant aber Empfehlungen. In Wien können Kindergartenkinder das Gratis-PCR-Testangebot "Alles Gurgelt" nutzen, allerdings tun sich jüngere Kinder dabei schwer. Im Burgenland und in Niederösterreich kommen Lollipop-Tests zum Einsatz, das sind Antigentests, die von Kindern für 90 Sekunden gelutscht und ausgewertet werden. Die Tests werden freiwillig dreimal pro Woche daheim durchgeführt und die Ergebnisse gemeldet. Ihre Zuverlässigkeit ist umstritten. In den anderen Bundesländern gibt es derzeit keine Testvorgabe für Kindergärten.
Derzeit werden etwa im Auftrag der Stadt Wien Lutscher-Tests untersucht, mithilfe derer eine Speichelprobe gewonnen und dann mittels PCR ausgewertet werden kann.
Kindermediziner Volker Strenger sieht keinen Bedarf für regelmäßiges Testen kleiner Kinder. Bei sehr hohen Inzidenzen wäre für ihn aber auch der Einsatz etwa von PCR-Tests, bei denen der Mund gespült wird, denkbar. Einige Experten gehen wie Strenger davon aus, dass Kindergartenkinder ohne Vorerkrankungen kaum schwer erkranken. Dennoch tragen sie zum Gesamtinfektionsgeschehen bei. Laut Virologin Dorothee von Laer könne ein Weglassen von Maßnahmen erst gerechtfertigt werden, wenn auch ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen vollimmunisiert sei. Sie rechnet damit, dass im Lauf des Winters eine Impfung für Kinder unter 12 Jahren zugelassen wird.
Wo sollen Antigen-Schnelltests vorrangig zum Einsatz kommen?
Brümmer zufolge helfen Antigen-Tests "vor allem dort, wo Personen mit hoher Viruslast, und damit auch einem hohen Risiko andere Personen anzustecken, in kurzer Zeit identifiziert werden sollen". Laut Greiner sollen sie PCR-Tests keinesfalls ersetzen, "vor allem nicht an den Schulen, in Pflegeheimen oder Gesundheitseinrichtungen". Ein gut abgenommenen Antigen-Abstrich könne in weniger vulnerablen Settings aber als zuverlässiger Eintrittstest dienen. "Wobei natürlich PCR dennoch aufgrund der hohen Sensitivität überlegen bleibt", fügt Greiner hinzu.
Welche Rolle wird das Testen im Herbst zur Kontrolle des Infektionsgeschehens spielen?
"Wie sich das Infektionsgeschehen im Herbst und Winter entwickelt, hängt nur zu einem kleineren Anteil vom Testen und primär vom Impffortschritt ab", sagt Greiner. "Es geht um die Frage, wie wir unentschlossene und impfskeptischen Menschen dazu bewegen können, sich impfen zu lassen." Die Pandemie werde man nur hinter sich lassen können, "wenn wir eine gewisse Basisimmuniät innerhalb der Bevölkerung erreichen – entweder durch eine Durchseuchung, oder durch Impfungen".
Jeder, der sich nicht impfen lasse, werde sich früher oder später anstecken. "Ausrotten lässt sich SARS-CoV-2 mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr, aber wir können unser Gesundheitssystem gut vor dem Kollaps schützen, wenn sich möglichst viele impfen lassen. Solange die Zahl der Hospitalisierungen niedrig bleibt, kann ein normales Leben wieder möglich sein."
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