US-Präsident neuerlich Corona-positiv: Ist ein Medikament der Grund?
Eigentlich hatte US-Präsident Joe Biden seine Corona-Infektion gut überstanden. Der vierfach geimpfte 79-Jährige bekam sofort das antivirale Medikament Paxlovid und hatte einen milden Verlauf. Mehrere Tage hindurch fiel danach ein Antigen-Test negativ aus. Doch am Samstag gab es neuerlich ein positives Testergebnis - und danach auch am Sonntag. Biden hat zwar keine Symptome und es geht im laut Auskunft seiner Ärzte gut, er fühle sich wohl, er muss sich aber erneut absondern. Der US-Präsident ist dabei kein Einzelfall. Immer wieder gibt es derartige Berichte. Doch was steckt da dahinter? Kann das Medikament die Ursache sein?
Mediziner sprechen von einem "Rebound-Effekt" (von englisch reboud "Rückprall"), einem "Absetzeffekt" oder "Bumerangeffekt". Dabei kommt es nach Beendigung einer Therapie zu einem Wiederauftreten der Symptome.
Biden hatte am Mittwoch seine Isolation beendet. Am Donnerstag davor war seine Infektion bekannt geworden. Daraufhin erhielt er das Medikament Paxlovid. Mit der Einnahme muss in den ersten fünf Tagen nach Symptombeginn begonnen werden.
Paxlovid enthält zwei Wirkstoffe: Die pinkfarbenen Tabletten enthalten eine Substanz (PF-07321332), die die Virusvermehrung hemmt. Und bei den weißen handelt es sich um den Wirkstoff Ritonavir, der den Abbau des Medikaments verlangsamt. Über fünf Tage hindurch müssen morgens und abends je zwei pinkfarbene und eine weiße Tabletten eingenommen werden. Also sechs pro Tag und 30 in einem Behandlungszyklus. Möglicherweise ist dieses Schema aber zu kurz.
Bekannt ist dieses Rebound-Phänomen bei Paxlovid schon länger. Ursprünglich ging man davon aus, dass nur ein Prozent der Patienten davon betroffen ist, eine US-Studie aus dem Juni kam auf fünf Prozent. Manche Experten gehen aber davon aus, dass bei der Omikron-Subvariante BA.5 der Anteil noch deutlich höher sein könnte. Die Washington Post zitiiert die australische Epidemiologin Catherina Bennett, die von Rebound-Fällen bei bis zu zehn Prozent der Patienten spricht, die Paxlovid einnehmen. Gleichzeitig betont sie aber auch, dass das kein Grund zur Beunruhigung sei.
US-Präsident Biden schrieb zwar auf Twitter, dass von einer neuerlichen positiven Testung nur eine kleine Minderheit an Leuten betroffen sei, dies aber wird mittlerweile eben von manchen Experten angezweifelt.
Bei dem Rebound-Effekt handelt es um keine neuerliche Infektion. Dieser Effekt ist auch kein Hinweis darauf, dass Paxlovid an Wirksamkeit verliere. "Das ist kein Zeichen einer Resistenz des Medikaments, dass es also wirkungslos wäre", betonte kürzlich auch der klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger von der MedUni Wien: "Für manche Menschen ist die fünftägige Therapie einfach zu kurz, sie hätten eine längere Therapie gebraucht, um das Virus nachhaltig bekämpfen zu können."
Auch der Infektiologe Bernd Salzberger vom Uniklinikum Regensburg verweist als mögliche Ursache darauf, dass das Mittel das Coronavirus nicht abtötet. "Das Medikament wirkt nicht wie ein Antibiotikum", sagt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie. "Es gibt dem Körper durch das Anhalten der Virusvermehrung Zeit, einen eigenen Immunschutz aufzubauen und die Infektion schneller zu beenden."
Die Dauer der Behandlung sei mit fünf Tagen auch nicht sehr lang, möglicherweise könnten sich verbliebene Viren danach wieder vermehren, erklärt Salzberger.
Laut einer Studie der US-Gesundheitsbehörde CDC sind die Symptome bei einem solchen Wiederauftreten tendenziell milder und es sei unwahrscheinlich, dass es zu einer Spitalsaufnahme komme.
"Wir sind weiterhin sehr zuversichtlich, was die Effektivität der Therapie im Verhindern schwerer Erkrankungen durch Covid-19 betrifft", wird die Pfizer-Sprecherin Amy Rose in der New York Times zitiert.
Das betont auch Ashish K. Jha, Koordinator der Coronavirus-Maßnahmen im Weißen Haus: "Paxlovid ist sehr gut im Verhindern schwerer Erkrankungen, Rebound hin oder her, deshalb wurde das Präparat dem US-Präsidenten angeboten und deshalb hat er es auch genommen."
Dass US-Experten jetzt darauf hinweisen, dass der Rebound-Effekt deutlich häufiger sein könnte als bisher angenommen, könnte damit zusammenhängen, dass BA.5 infektiöser ist und dem bestehenden Immunschutz durch Impfungen besser ausweichen kann als frühere Omikron-Subvarianten: Dadurch können die Tests für längere Zeit positiv ausfallen, erklärt Paul G. Auwaerter, Infektiologe der Johns Hopkins University School of Medicine: Die Virusvermehrung wird niedergedrückt, aber das Virus kann noch nicht komplett aus dem Körper eliminiert werden.
So zeigte eine US-Studie des Massachusetts General Hospital in Boston, dass ein Viertel der Menschen, die sich mit Omikron infiziert, länger als acht Tage infektiös sein könnte. Generell könne man grob davon ausgehen, dass zehn Tage nach dem ersten positiven Test keine Infektiosität mehr vorliegen sollte - ausgenommen möglicherweise eine kleine Gruppe an Infizierten.
Eine Studie aus London kommt zu dem Schluss, dass ein signifikanter Teil an Infizierten zwischen Tag sieben und Tag zehn noch Virusmengen in sich trägt, die eine Infektion einer anderen Person auslösen können.
Allerdings: die Einnahme antiviraler Medikamente wie Paxlovid könnte bei Auftreten eines Rebound-Effekts dazu führen, dass der infektiöse Zeitraum auch länger ist, zitiert Nature eine entsprechende Expertenaussage.
Bisher gibt es auch keinen gesicherten Zusammenhang mit dem Alter, bestehenden Risikofaktoren oder dem Impfstatus, erklärt der Virologe John P. Moore: "Ich habe bis jetzt von keiner definitiiven Ursache gehört." Der US-Präsident sei einfach der eine "unlucky guy" in einer Gruppe von 20, erklärt er in der New York Times.
Diskussion um zweiten Behandlungszyklus
Möglicherweise ist die Therapiedauer von fünf Tagen zu kurz. "Momentan haben wir aber noch nicht genügend Daten um bei solchen Patienten die Therapie einfach fortzusetzen", sagt Zeitlinger. Die US-Gesundheitsbehörde CDC betont ebenfalls, dass es derzeit keine Evidenz gebe, dass bei Rebound-Fällen ein zweiter Behandlungszyklus mit Paxlovid notwendig sei.
Die CDC gab bereits im Mail die Empfehlung ab, dass Menschen, die von einem solchen Rebound-Effekt betroffen sind, sich neuerlich für fünf Tage isolieren sollen.
Paxlovid konnte in der Zulassungsstudie bei ungeimpfen Probanden mit Vorerkrankungen das Risiko von sehr schweren Krankheitsverläufen und Todesfällen um 89 Prozent senken. "Deshalb wird Paxlovid generell Menschen, die aufgrund ihres Alters oder aufgrund von Begleiterkrankungen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf haben,nach einem positiven Corona-Test empfohlen", sagt Zeitlinger. Grundsätzlich können es aber auch alle anderen nehmen.
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