Superspreading: Wie eine Person viele andere anstecken kann
Der Abend vor einer Woche war äußerst verhängnisvoll. Aber es war ein Rotarier-Treffen, wie es sie zuvor schon oft gegeben hat. Ein einstündiges Essen, ein Vortrag und eine kurze Diskussion darüber in einem separierten Raum eines bekannten Salzburger Altstadtlokals. Nach zwei Stunden war die Veranstaltung wieder vorbei. Corona-bedingt nur mit 40 statt 80 zugelassenen Teilnehmern. Gekommen sind dann 26 Teilnehmer, mindestens die Hälfte davon ist inzwischen an Covid-19 erkrankt.
Ein Rotarier ging – ohne es zu wissen – bereits infiziert zum Treffen. Dienstagfrüh bekam er Fieber, am Mittwoch war ein Corona-Test dann positiv. Der betreffende Cluster umfasst inzwischen 15 Infizierte, die Stadt Salzburg rechnet mit weiteren Erkrankungen. Der Präsident des betreffenden Clubs ist inzwischen selbst erkrankt; er betont, dass alle Regeln eingehalten wurden.
„Wir haben ja keine Party gefeiert. Es ist einfach äußerstes Pech, dass das passiert ist“, sagt er in den Salzburger Nachrichten. Der Cluster reicht bis ins Machtzentrum des Landes. Ein Mitarbeiter in einem Regierungsbüro, ein Spitzenbeamter und zwei Primarärzte der Landeskliniken sind erkrankt.
Nach der Infektion des Büromitarbeiters wurde vorsichtshalber die gesamte Regierung getestet – alle Tests waren negativ.
Wie das passieren kann
Viele Experten sind nicht verwundert, dass trotz Einhaltens des Mindestabstands derartige Fälle passieren können. Das kann mehrere Gründe haben:
Zum einen ist generell das Infektionsrisiko in Innenräumen laut einer japanischen Studie um das knapp 19-Fache höher als im Freien.
Unmittelbar vor und rund um das Auftreten der ersten Symptome ist bei vielen Betroffenen die Virenmenge im Rachen und die Ansteckungsgefahr besonders hoch.
Für größere Tröpfchen, die beim Sprechen ausgeschieden werden, reicht zwar der Sicherheitsabstand von einem bis eineinhalb Metern, weil diese rasch zu Boden sinken. Winzige Aerosole – Tröpfchenkerne aus Flüssigkeit und Partikeln wie Viren – können aber länger in der Luft bleiben, sich ansammeln und offenbar auch weiter als der übliche Sicherheitsabstand vertragen werden.
Wie groß der Anteil der Infektionen durch solche Aerosole ist, ist ungeklärt, aber mehrere Berichte deuten auf dieses Risiko hin: Etwa ein gut dokumentierter Ausbruch in einem Restaurant im chinesischen Guangzhou – wo nachweislich nur eine erkrankte Person nicht nur Infektionen an ihrem Tisch verursachte, sondern eine Woche später auch fünf Personen von zwei Nachbartischen erkrankten.
Manche Personen scheiden mehr Viren aus als andere, und das auch über einen längeren Zeitraum. Dies könnte mit einem schwächeren Immunsystem zu tun haben. Oder mit mehr Andockstellen (Rezeptoren) für das Virus in den Zellen, was ihre Vermehrung begünstigt.
Der Virologe Christian Drosten brachte es in seinem NDR-Podcast auf den Punkt: „Wenige Leute infizieren ganz viele andere, und die meisten infizieren aber nur wenige bis keinen anderen.“
Ein Patient, der zehn andere infiziert, kann, aber muss nicht unbedingt mehr Viren ausscheiden als andere, sagt Drosten: „Das kann schon sein. Aber ein anderer Grund kann auch sein, dass er gerade in einer sozialen Situation ist, wo er auch die Gelegenheit hat, so viele Leute zu infizieren.“ Und dann kommt es rasch zu einem der gefürchteten „Superspreading-Events“.
Geschichte
Paul Harris gründete 1905 den Rotary Club in Chicago. Das Konzept des Clubs als „Ort der Freundschaft und Zusammenkunft“ fand weltweit Anklang. Als Harris 1947 starb, zählte man bereits 6.000 Clubs auf vier Kontinenten. In Österreich gibt es die Rotarier seit 1925, seit 1989 werden auch Frauen aufgenommen. Von insgesamt mehr als 1,2 Millionen Mitgliedern kommen ca. 7.000 aus Österreich. Zu den berühmtesten zähl(t)en Bill Gates, John F. Kennedy und Walt Disney.
Funktion
Wöchentlich treffen sich die Mitglieder, um ihre Freundschaften zu pflegen und sich sozial zu engagieren. In jedem Club soll eine große Bandbreite von Berufszweigen vertreten sein. Neue Mitglieder müssen vorgeschlagen und vom Club geprüft werden.
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