Nach Covid-19: Warum gerade jetzt Plasma von Genesenen gesucht wird

Eine Plasmaspende beim Roten Kreuz. Das Plasma wird gesammelt, die restlichen Blutbestandteile werden wieder zurück in den Körper geleitet.
Österreichische Ärztekammer und Rotes Kreuz rufen Gesundete zur Spende auf. Damit soll Vorsorge für eine mögliche zweite Welle getroffen werden.

Mehr als 16.000 Menschen in Österreich sind bereits nachweislich von Covid-19 genesen: An diese Personengruppe richtet sich jetzt eine Aufklärungskampagne, die die Österreichische Ärztekammer in Kooperation mit dem ORF gestartet hat: "Wir appellieren an alle, die die Krankheit durchgemacht haben, bitte spenden Sie Plasma", sagt Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres Montag bei der Präsentation der Kampagne in Wien. "Einem Patienten in Graz hat diese Therapieform das Leben gerettet, es gibt viele andere Fälle, bei denen der Verlauf der Krankheit leichter wurde."

Corona ist nicht vorbei: Plasmaspender gesucht!

Bei dieser Therapieform werden Antikörper (Abwehrstoffe), die von den Genesenen im Zuge ihrer Erkrankung gebildet wurden, an aktuell Erkrankte übertragen. Ihre eigene Abwehr wird dadurch unterstützt.

Vorbeugende Maßnahme

Dass der Aufruf zur Plasmaspende gerade jetzt kommt, wo die Zahl der Neuerkrankungen relativ gering ist, hängt mit der Sorge vor einer zweiten Erkrankungswelle zusammen: Denn jetzt gespendetes Plasma kann eingefroren werden und ist bis zu drei Jahre haltbar, betont Szekeres. Gleichzeitig ist es aber wichtig, dass Personen mit einem kritischen Krankheitsverlauf das Plasma möglichst frühzeitig erhalten: "Damit kann eine weitere Virusvermehrung eingedämmt werden und der Krankheitsverlauf wird verkürzt."

Auch Christof Jungbauer, medizinischer Leiter der Blutspendezentrale vom Österreichischen Roten Kreuz für Wien, Niederösterreich und Burgenland, betont: "Wir müssen uns für eine mögliche zweite Welle vorbereiten. Und deshalb müssen wir eine ausreichende Menge an therapeutischem Plasma zur Verfügung haben."

Einige Hundert Spender bisher

In Österreich haben sich bisher "einige Hundert Menschen" für eine Plasmaspende gemeldet, 35 bis 40 schwerkranke Personen konnten bereits behandelt werden. Einem Patienten in Graz konnte damit das Leben gerettet werden.

"Es gibt Berichte aus schwer getroffenen Ländern wie Italien, Spanien und auch China, die sehr wohl Positives berichten", sagt Gerda Leitner, interimistische Leiterin der Uni-Klinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der MedUni Wien. "Es gibt aber auch negative Berichte, eine Wunderheilung ist es natürlich nicht."

Generell betonten die Mediziner, dass man nicht alle, aber viele Fälle duruch eine Plasmagabe positiv beeinflussen könne. "Wir haben noch keine gezielte antivirale Therapie gegen das neue Coronavirus, aber die Antikörper in diesem Plasma sind genau gegen das Virus gerichtet." Und es gebe genügend Fallberichte unter anderem vom ersten SARS-Coronavirus und auch von Ebola, die die Wirksamkeit dieser Therapie bestätigen.

"Es ist eine wirklich hoffnungsvolle Therapieoption", sagt auch Dieter Schwartz, Bundesfachgruppenobmann für Transfusionsmedizin der Österreichischen Ärztekammer: "Es gibt sehr lange Erfahrungen mit dieser Form der Therapie bei anderen Erkrankungen."

Spender mit fieberhaften Verlauf

Die Ärzte sind vor allem an Spendern interessiert, die einen hoch fieberhaften Krankheitsverlauf hinter sich haben: "Bei Patienten mit hohem Fieber bzw. Fieber generell gibt es eine bessere Antikörperbildung, das zeigt die Erfahrung der vergangenen Wochen. Sie haben größere Mengen an Antikörpern gebildet."

Gleichzeitig richtet sich das Rote Kreuz besonders an Männer und an jene Frauen, die in ihrem Leben noch nicht schwanger waren. Der Hintergrund: Frauen können im Zuge einer Schwangerschaft andere Antikörper bilden, die in seltenen Fällen für die Empfänger ihres Plasmas unverträglich sein können und Nebenwirkungen auslösen können. Es können aber trotzdem auch Frauen nach einer Schwangerschaft spenden. Es sind dann allerdings aufwendigere und teurere Tests ihrer Spende notwendig. "Diese aufwendigen und zeitintensiven Tests erspart man sich bei den Männern."

Spenden sind ab 28 Tagen nach dem Ende der Symptome bzw. der Gesundschreibung möglich (bei Vorliegen von zwei negativen PCR-Tests bereits 14 Tage nach Symptomende). Eine Beschränkung, wie lange die Infektion maximal zurückliegen darf, gibt es nicht.

Plasmaspenden sind in den Blutspendezentralen des Roten Kreuzes und an den Uni-Kliniken für Transfusionsmedizin in Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg möglich. Bei der Firma Takeda sind Plasmaspenden für die Entwicklung eines Medikaments möglich.

Angenommen für eine Spende werden Personen, die eine Erkrankung mit einem positiven PCR-Test zum Zeitpunkt der Krankheit oder mit einem positiven Antikörpertest aus einem medizinischen Labor nachweisen können. Kosten für einen erst durchzuführenden Antikörpertest in einem Labor werden derzeit nicht übernommen. Für die müssen Spendenwillige, bei denen kein PCR-Test durchgeführt wurde, selbst aufkommen. Leitner: "Wir brauchen am Wiener AKH einen Hinweis, dass die Erkrankung durchgemacht wurde." Erst dann ist die Plasmaspende möglich.

Für eine Plasmaspende muss ein Termin vereinbart werden. Die Spende selbst dauert dann weniger als eine Stunde. Über die Armvene wird Blut entnommen. Das Plasma mit den darin enthaltenen Antikörpern wird gesammelt, die restlichen Blutbestandteile werden wieder zurück in den Körper geleitet.

Nicht zu wenig Antikörper

Übrigens: Sorgen, dass man nach einer Plasmaspende zu wenig Antikörper hat, muss man sich nicht machen. Genesene bilden ständig ausreichend Antikörper nach gegen diverse Erreger von Infektionskrankheiten, die sie entweder durchgemacht haben oder gegen die sie geimpft worden sind. Bei der Plasmaspende wird nur ein Teil davon entnommen, der auch rasch wieder nachgebildet wird.

Genaue Auskünfte für potenzielle Plasmaspender gibt es beim Roten Kreuz unter 0800 190 190 sowie unter https://participate.gibdeinbestes.at/corona-plasma/.

Die Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der MedUni Wien / AKH Wien informiert unter 01-40400-53030.

„Selbst ein positiver Test sagt nichts sicher aus“ Ärztekammerpräsident Sekeres über die Tücken der Antikörpertests

Thema Antikörpertests

Laut Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres gibt es mittlerweile sehr gute Antikörpertests mit einer sogenannten Spezifität von 99,7 bis 99,8 Prozent: "Das ist schon sehr gut, bedeutet aber immer noch, dass ich bei 1.000 Tests zwei bis drei falsch positive habe, wo der Betroffene keine Antikörper gegen Covid-19 hat, der Test aber solche anzeigt. Bei einer Durchseuchung von unter einem Prozent habe ich sieben richtig positive auf 1.000 Tests und zwei bis drei falsch positive. Der einzelne hat also immer noch eine 20 bis 30-prozentige Gefahr, dass er positiv getestet wurde, aber keine Immunität besitzt. Der einzelne muss sehr vorsichtig sein, selbst ein positiver Test sagt nicht sicher aus, dass ich geschützt bin."

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