Vier Gründe, weshalb die Corona-Zahlen steigen – und was noch zu erwarten ist
„Es ist ziemlich exakt das, was wir erwartet haben“, sagt Simulationsforscher Niki Popper – und meint damit die steigende Zahl der Corona-Infektionen und auch der Spitalspatienten seit Anfang September. Laut Covid-Prognosekonsortium wird sich der Trend fortsetzen. Und das Gesundheitsministerium schließt nicht aus, dass in bestimmten Bereichen - über die derzeit bestehenden hinaus - wieder eine Maskenpflicht eingeführt werden könnte.
Was die Ursachen des Infektionsanstieges betrifft, komme vieles zusammen, sagt auch Komplexitätsforscher Peter Klimek.
- Mehr Kontakte „Die offenen Schulen, das Ende der Urlaubszeit, viele Veranstaltungen und vollere Büros.“
- Veränderte Umwelteinflüsse Niedrigere Temperaturen und vermehrter Aufenthalt in Innenräumen begünstigen die Virusverbreitung. „Durch den vergleichsweise kühlen September hat die Herbstwelle etwas früher gestartet“, sagt Popper.
- Abnehmende Immunisierung „Wer vor einem halben Jahr bis Jahr zum letzten Mal geimpft oder infiziert war, verliert jetzt an Schutz.
- Kaum dämpfende Maßnahmen Auch das Fehlen abschwächender Maßnahmen wie Schultests und Quarantänepflicht trägt zu der Dynamik bei, so das Prognose-Konsortium.
Eine Überlastung der Intensivstationen ist kein Thema mehr, wohl aber eine Belastung der Normalstationen und des niedergelassenen Bereichs. Klimek: „Aber gar nicht wegen einer hohen Anzahl der Patienten, sondern wegen der Personalknappheit.“
Bereits im Normalzustand sei die Personalsituation im Gesundheitsbereich fragil, „und dann kommt noch Corona als Zusatzbelastung hinzu“. Popper: „Mit dem gleichzeitigen Auftreten anderer Infekte – der Grippe oder speziellen Atemwegsinfekten bei Kindern – kann dann die Belastung des Personals sehr hoch werden.“
1.464 Personen lagen Donnerstag mit einer Coronainfektion in einem Spital, 67 wurden auf Intensivstationen betreut. Am 13. 9. waren es 905 Spitalspatienten, davon 54 auf einer Intensivstation
Laut Prognose könnte die Zahl der Infizierten in Spitälern bis 12. 10. weiter steigen – der Prognose-Mittelwert liegt bei 1.535, die mögliche Bandbreite zwischen 1.200 und 1.963 Infizierten
Die Pandemie rücke mittlerweile allerdings „näher an die Influenza-Situation“ mit saisonalen Wellen. Das erklärte der seit mehr als 50 Jahren in den USA forschende Virologe Peter Palese von der Icahn School of Medicine in New York bei einem „Science Update“ der Österr. Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. Das Mittel der Wahl bei der Eindämmung der Pandemie sei „impfen, impfen, impfen“.
Auch der Genetiker Ulrich Elling verwies auf die teilweise schon angespannter werdende Personalsituation in den Spitälern. Deshalb könnte auch heuer der Herbst bis zu einem gewissen Grad „leider business as usual“ werden.
„Leben mit Covid“
„Man muss dieses Problem mit der angespannten Personalsituation lösen“, betont Klimek. „Denn was wir jetzt erleben, ist das Leben mit Covid, es geht in die Richtung einer neuen Normalität.“ Und da werde es notwendig sein, auch die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung so weit zu erhöhen, „dass wir eigenverantwortlich mit Covid umgehen können, als nur auf Krisenentscheidungen der Regierung zu warten“. Diesen Lernprozess müssen wir durchmachen.“
Auch Popper betont, dass jeder beitragen könne, dass die Welle abflacht – indem man etwa freiwillig die Maske trage. Was fehle, sei aber ein vernünftiges Überwachungssystem symptomatischer Fälle. Hier habe sich die Situation teilweise verschlechtert, etwa durch das Zurückfahren der Abwasseranalysen.
Ministerium schließt erweiterte Maskenpflicht nicht aus
Im Gesundheitsministerium heißt es, die deutlich ansteigenden Infektionszahlen seien „keine Überraschung“: „Damit haben wir gerechnet.“ Für den Herbst und Winter sei man gut gerüstet: „Uns stehen ausreichend hocheffektive Impfstoffe und Medikamente zur Verfügung.“
Zum Thema Masken verweist man im Ministerium auf die Empfehlung von Minister Johannes Rauch, „in allen Innenräumen wieder FFP2-Masken zu tragen, wo ein Abstand von zwei Metern nicht eingehalten werden kann“. Aber: Wenn sich die Situation weiter ändere, werde es nicht bei Appellen bleiben: "Wir werden dann rechtzeitig reagieren und bei Bedarf eine Maskenpflicht in bestimmten Bereichen wieder einführen", heißt es in einer dem KURIER übermittelten schriftlichen Stellungnahme auf eine entsprechende Anfrage. „Es ist daher möglich, dass wir im Laufe des Herbstes eine Maskenpflicht zum Beispiel in Öffis (auch außerhalb von Wien, Anm.) und Supermärkten wieder brauchen werden.“ Derzeit gilt die Maskenpflicht in besonders sensiblen Bereichen, in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie generell in Gesundheitseinrichtungen.
Wobei das Gesundheitsministerium "besonders auch alle jene Menschen um Unterstützung ersucht, die es über den Sommer etwas lockerer genommen haben." Jede und jeder Einzelne, die oder der schon jetzt eine Maske trägt, hilft mit, damit die Herbstwelle abgeschwächt wird und auch die Ansteckung mit anderen Infektionskrankheiten vermieden wird."
Der Anstieg der Infektionen ändere aber nichts daran, dass Österreich laut Variantenmanagementplan in Szenario 2 („günstiger Fall“) bleibe. In diesem sind keine flächendeckenden Testungen vorgesehen – deshalb sind weiterhin auch keine Schultestungen vorgesehen, wird im Bildungsressort betont.
Kommentare