Covid und Influenza: Droht heuer noch eine starke "Doppelwelle"?
„Jetzt geht es los“, sagt Kinderarzt Peter Voitl, Gründer des Kindergesundheitszentrums Donaustadt. „Wir sehen einen starken Anstieg bei den Verkühlungsviren, sicher steckt teilweise auch Corona hinter den Symptomen.“ Während die Infektionssituation derzeit heftig sei, war sie im vergangenen September außergewöhnlich: „Da hatten wir für die Jahreszeit außergewöhnlich viele Fälle mit dem RS-Virus. Aber Voitl fürchtet, dass es auch heuer noch heftiger wird: „Zwei Geburtsjahrgänge hatten noch keinen Kontakt mit Influenza – das ist eine große vulnerable Gruppe.“ Da Kinder unter fünf Jahren nur außerhalb der Zulassung gegen Covid geimpft werden können, „sollte man wenigstens die Begleitinfekte – Influenza, Pneumokokken, Keuchhusten – mit rechtzeitigen Impfungen abfangen.“
Noch hat die Grippesaison in Österreich nicht begonnen, vorerst wurden eine Handvoll Fälle bei Reiserückkehrern verzeichnet. „Normalerweise beobachten wir solche eingeschleppten Fälle erst später, im Oktober, November, nicht schon im September. Ich vermute, dass auch die Grippewelle sich verschieben wird, aber wann und in welchem Ausmaß ist nicht vorhersehbar“, sagt Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien.
Blick nach Australien
In Australien begann die Influenzawelle im heurigen Herbst zwei Monate früher und verlief besonders stark. „Das ist bei uns auch zu erwarten. Durch die Pandemie und die dadurch bedingten Maßnahmen war die Grippe in Australien letztes Jahr abgeschwächt und im Jahr davor ist sie komplett ausgefallen. Das war bei uns auch so.“
Auch bei anderen Atemwegserkrankungen wie RSV (Respiratorisches Synzytial-Virus), das vor allem Kleinkinder betrifft, gebe es Verschiebungen. Ob diese dauerhaft sein werden und wo sich Covid im virologischen Zeitplan einordnen wird, werde sich jedoch erst zeigen, wenn die Pandemie sich in eine Endemie wandle.
Am Zeitpunkt für die Influenza-Impfungen – üblicherweise Oktober und November – ändert sich aber nichts. „Die Influenza beginnt meist am Rande von Europa und läuft dann als Welle über die europäischen Länder. Da wir in Österreich in der Mitte von Europa sind, wissen wir etwa vier Wochen vorher, wann sie bei uns sein wird. Wir haben hier ein sehr gutes Vorwarnsystem“, sagt Redlberger-Fritz. Auch wenn die heurige Grippewelle früher als sonst starten sollte, kann also ab Oktober rechtzeitig geimpft werden.
Omikron-Subvarianten
Die Omikron-Subvariante BA.5 des Coronavirus könnte durch leichter übertragbare Omikron-Varianten wie BA.2.75.2 oder BQ.1.1 abgelöst werden
Influenza-Viren
In Australien dominierten Influenza-A-Fälle (H3N2), viele Jüngere waren betroffen. Der Impfstoff enthält eine Komponente gegen A(H3N2)
RS-Viren
RSV ist bei Kleinkindern bis zwei Jahre der häufigste Auslöser von akuten Infektionen der unteren Atemwege
Pneumokokken
Bakterien, die bei Kleinkindern Mittelohrentzündung auslösen und generell häufigste bakterielle Ursache einer Lungenentzündung sind
Und: Der Impfschutz hält zwölf bis 16 Wochen an, bevor er abnimmt, sodass er die Grippesaison über ausreicht.
Die Gecko-Kommission sieht – mit Blick auf Australien – Hinweise auf eine möglich „Twindemie“ im Herbst, also ein gleichzeitiges Auftreten einer Covid-19- und einer Grippewelle. Damit ist ein gleichzeitiges Auftreten von steigenden Covid-19 und Grippeinfektionszahlen gemeint, schreibt sie in ihrem jüngsten Bericht. "Grund dafür ist die mangelnde Maskenhygiene. Da in den vergangenen beiden Jahren Maske getragen wurde, war die Grippe in diesem Zeitraum massiv unterdrückt und damit kaum vorhanden. Es besteht die Sorge, dass Masken im kommenden Herbst weniger getragen werden. Daher ist von einem Anstieg der Covid-19- und Influenzazahlen auszugehen", heißt es in dem Bericht der Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (Gecko).
Zeitgleiches Impfen ist möglich
„Medizinisch spricht nichts dagegen, sich zeitgleich gegen Covid-19 und Influenza zu impfen, idealerweise eine Impfung in den linken, die andere in den rechten Arm. Wenn man weiß, dass man Impfreaktionen bekommt, kann man ein paar Tage Abstand zwischen den Impfungen halten, einen Mindestabstand gibt es aber nicht“, sagt Redlberger-Fritz.
Der Impfstoff ist für alle ab 18 Jahren ein Totimpfstoff, der in den Muskel geimpft wird. Für Kinder im Alter von zwei bis 18 Jahren ist ein nasaler Lebendimpfstoff zugelassen (wird als Spray in die Nase gesprüht), der für Kinder bis 15 Jahre kostenlos ist. Er sorge bei Kindern für eine breitere und bessere Immunität, da er laut Redlberger-Fritz auf ein "mehr oder weniger naives Immunsystem" treffe Bei Erwachsenen sei es egal, ob die Influenza-Impfung über einen Tot- oder einen Lebendimpfstoff erfolgt. Der nasale Impfstoff ist in der EU allerdings nur für unter 18-Jährige zugelassen. Anders in den USA: Dort gilt die Zulassung für alle bis 45 Jahre.
Keine sichere Unterscheidung ohne Test
Ob jemand an Covid-19 oder Influenza erkrankt ist, lässt sich übrigens nicht anhand der Symptome unterscheiden. Die Symptome bei Covid seien so unterschiedlich, dass ohne Labordiagnose nicht festgestellt werden könne, ob es sich um eine Grippe oder Covid handle.
Redlberger-Fritz und auch der Lungenfacharzt Arschang Valipour gehen davon aus, dass im heurigen Winter mehr Atemwegsinfekte auftreten werden als in den vergangenen zwei Jahren. „Umso wichtiger ist es, an die Selbstverantwortung zu appellieren: Wenn man erkältet ist, egal welche Erkältung, sollte man Rücksicht auf andere nehmen, und zu Hause bleiben. Wenn das nicht geht, ist es wichtig, zumindest die Maske aufzusetzen“, betont Redlberger-Fritz."Sie ist ein hochwirksames Instrument, um Ansteckungen von anderen zu verhindern."
Auch mehr Pneumokokken-Infektionen
Kommt es zur erwarteten stärkeren Influenza-Welle, „dann rechnen wir auch mit mehr Pneumokokken-Infektionen“, sagt Lungenfacharzt Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie der Klinik Floridsdorf. „Viruserkrankungen bereiten den Boden für Pneumokokkeninfektionen.“ Die Viren schädigen die Schleimhäute, die Immunabwehr ist geschwächt.
2020 gab es – wegen der Corona-Schutzmaßnahmen – auch deutlich weniger Infektionen mit Pneumokokken (schwere Erkrankungen sind meldepflichtig), 2021 kam es bereits wieder zu einem Anstieg. Heuer wird ein Infektionsniveau wie vor der Pandemie erwartet, „eventuell sogar ein höheres“, sagt Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung für Impfwesen im Gesundheitsministerium.
Empfohlen ist die Pneumokokken-Impfung im ersten Lebensjahr (3 Teilimpfungen) sowie bei Erwachsenen ab 60 Jahren, wenn sie gesund sind. Ab 50 Jahren bei Risikofaktoren wie Rauchen, chronischer Bronchitis, mildem Asthma, Bluthochdruck oder Atherosklerose und in jedem Alter bei schwerem Asthma, Diabetes, COPD, Herz-Kreislauf-Krankheiten. Nähere Infos:pneumokokken- stoppen.at
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