Covid-Anstieg bei Schulkindern: Neue Welle oder einmaliger Effekt?
8.264 Neuinfektionen in 24 Stunden: Das meldete die AGES am Mittwochnachmittag für den 20.9. (Dienstag) – der höchste Wert seit 2. August, da waren es mehr als 8.400 Fälle. Seit Schulbeginn steigt die Sieben-Tages-Inzidenz an. Aktuell liegt sie bei 436 Erkrankten je 100.000 Einwohner (Stand 20.9.). Vor Schulbeginn war sie auf 327 (3.9.) abgesunken. Einen Anstieg gibt es in allen Altersgruppen, eine Gruppe sticht hervor: Bei den Fünf- bis 14-Jährigen liegt die Sieben-Tages-Inzidenz bei 541,8 und damit über dem Österreich-Schnitt. Ist das der Beginn einer neuen Welle oder ein einmaliger Effekt, der auf den Schulbeginn und damit verbundenes Testen zurückzuführen ist?
Ein bisschen von beidem, meint Komplexitätsforscher Peter Klimek. "Was wir sehen, ist der erwartete Effekt, dass das Infektionsgeschehen mit Herbst mehr an Dynamik gewinnt. Es wird wieder mehr getestet, aber es war auch zu erwarten, dass es durch den Schulbetrieb mehr Kontakte und dadurch ein höheres Infektionsrisiko gibt. Man darf aber nicht ableiten, dass die Schulen den Anstieg antreiben, es ist ein auch insgesamt ansteigender Trend in der Bevölkerung, der auf die saisonale Dynamik zurückzuführen ist", sagt Klimek.
Die Inzidenz bei den Fünf- bis 14-Jährigen sei zwar gestiegen, aber nicht übermäßig – und es gibt Unterschiede zwischen den Bundesländern. Stärkere Anstiege bei Schülern, aber auch in anderen Altersgruppen gebe es etwa in der Steiermark und in Oberösterreich, in Wien sei dies nicht so stark zu beobachten.
Frühere Welle?
"In den letzten zwei Jahren ist die Herbstwelle typischerweise erst in der zweiten Oktoberwoche losgegangen. Ich möchte nicht ausschließen, dass sie heuer früher startet und jetzt bereits beginnt. Das werden aber erst die nächsten Tage und Wochen zeigen", betont Klimek. Anders als in den Vorjahren gibt es derzeit an den Schulen kein systematisches Testen. Viele Schulen haben Eltern allerdings dazu aufgerufen, ihre Kinder zum Schulstart testen zu lassen. Generell habe sich die Rolle der Schule und Schulkinder für das Infektionsgeschehen inzwischen aber geändert, meint Klimek. "Sie sind nicht mehr der gefürchtete Vektor, der das Virus in die Haushalte bringt, da inzwischen vulnerable Familienmitglieder durch Impfungen geschützt werden können."
Die Schüler selbst erkranken überwiegend mild. Die Allgemeinmedizinerin Naghme Kamaleyan-Schmied, Vertreterin der Hausärzte in der Wiener Ärztekammer, betreut momentan kaum Kinder aufgrund einer Covid-Infektion. "Bei den meisten meiner Patienten ist das positive Testergebnis derzeit ein Zufallsbefund. Richtig krank sind Gott sei Dank wenige. Ich habe erwartet, dass mit Schulbeginn auch jüngere Patienten wieder mehr kommen werden, das ist aber nicht der Fall", sagt Kamaleyan-Schmied. Sie geht davon aus, dass viele Kinder asymptomatisch sind oder leichte Verläufe haben.
Anstieg bei Krankenständen
Generell hätten sich die Symptome durch BA.5 verändert. "Die Breite der Symptome hat zugenommen. Die typischen Symptome gibt es nicht mehr. Ich sehe auch Covid-Patienten mit Bauchschmerzen, Durchfall, Gliederschmerzen – ein großes Potpourri an Symptomen." Zwar falle es inzwischen durch die Impfungen, auch die neu verfügbaren angepassten Impfstoffe, sowie antivirale Therapien leichter, mit dem Virus umzugehen. Die Allgemeinmedizinerin rechnet aber mit Anstiegen bei Krankenständen, insbesondere, wenn neben Covid-19-Infektionen die Grippesaison beginnt.
Auch Klimek geht davon aus, dass es zu zahlreichen Ausfällen kommen wird. "Wenn wir noch einmal ein Problem haben im Gesundheitssystem, dann weniger wegen der Menge an schwer erkrankten Covid-Patienten, sondern die Schwachstelle wären Personalausfälle aufgrund von Krankenständen", so Klimek. Neben der Grippe sei mittlerweile auch schwerer vorhersehbar, wann andere schwere Atemwegsinfekte, etwa RSV (Humanes Respiratorisches Synzytial-Virus), ein Erreger, der vor allem für Kleinkinder gefährlich werden kann, auftreten werden. Vor der Pandemie ließ sich dies gut eingrenzen und Ressourcen dafür schaffen. Klimek spricht sich daher für sogenannte Seroprävalenzstudien aus, bei denen die Immunisierung der Bevölkerung gegenüber SARS-CoV-2 erhoben wird. "So könnten wir genauer einschätzen, auf welche Welle wir uns einstellen müssen. Wir gehen ja auch nicht in den Winter hinein, ohne zu wissen, wie gefüllt die Gasspeicher sind."
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