Scharlach-Erreger: Für Eltern schwer von Virusinfekt zu unterscheiden
Vor Weihnachten warnten die Weltgesundheitsorganisation WHO und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC vor einer Häufung schwerer A-Streptokokken-Infektionen (sie können Scharlach auslösen) bei Kindern unter zehn Jahren in mehreren Ländern Europas. Besonders heftig verläuft die Infektionswelle in Großbritannien: Dort starben bereits 94 Menschen an den Folgen einer Infektion, darunter 26 Kinder unter 10 Jahren - zuletzt waren es zwei Kinder in Schottland.
„Auch wir sehen einen Anstieg bakterieller Infektionen – Streptokokken A, Pneumokokken und wahrscheinlich bald auch Meningokokken“, sagt der Kinderarzt Peter Voitl aus Wien. Während gegen Pneumokokken für Säuglinge und Kleinkinder (sowie auch für Menschen ab 60) eine Impfung empfohlen wird, kann gegen Streptokokken nicht geimpft werden.
Dass nicht nur Virusinfekte, sondern auch bakterielle Infekte heuer gehäuft auftreten, hänge wahrscheinlich auch mit den Pandemiemaßnahmen zusammen, sagt der Kinderinfektiologe Volker Strenger von der MedUni Graz: „Das Immunsystem ist jetzt nicht schlechter oder geschwächt. Aber weil es in den vergangenen zwei Jahren weniger Infektionen gegeben hat, ist das Immunsystem weniger oft geboostert worden. Die Infektionen sind aber nicht stärker oder krankmachender als sonst auch.“
Streptokokken führen in erster Linie zu einer Mandelentzündung (Angina) mit hohem Fieber und Halsschmerzen. „Aber auch Viren können eine eitrige Angina auslösen“, betont Strenger. „Und von Scharlach spricht man erst, wenn zur bakteriellen Streptokokken-Angina auch der typische rötliche Ausschlag – mit einer rauen, leicht sandpapierartigen Haut – dazu kommt.“ Nur das Mund-Kinn-Dreieck bleibt ausgespart. Typisch ist nach einigen Tagen auch die stark gerötete Himbeerzunge.
Für Eltern ist es aber nicht möglich. anhand der Symptome eine Viruserkrankung von einer A-Streptokokken-Infektion eindeutig zu unterscheiden, betont Strenger. „Geschwollene Lymphknoten am Hals sind zwar typisch bei der Streptokokken-Angina, können aber auch durch virale Infekte ausgelöst werden.“
Und Voitl ergänzt: „Die Lymphknoten sind die Abwehrzentren des Körpers und reagieren auf alles, was in ihrer Umgebung passiert – ob es ein Infekt ist, eine Hauteiterung oder eine Zahnentzündung.“
Und auch ein positiver Streptokokken-Abstrich, ein Antigen-Test, sagt alleine, ohne klinischer Beurteilung der Symptome, nichts aus: „Rund ein Viertel der Kinder ist mit Streptokokken besiedelt, ohne dass sie krank sind. Ein positiver Streptokokken-Test heißt nur: Es sind Streptokokken vorhanden, aber das bedeutet nicht automatisch, dass sie auch der Auslöser der Angina sind“, sagt Strenger.
Test und Symptome
Ein Blutbefund mit erhöhten Entzündungswerten ist ebenfalls ein Hinweis auf eine bakterielle Infektion, aber kein direkter Erregernachweis. Voitl: „Es müssen zusätzlich auch die Symptome passen, etwa die punktförmigen Eiterstäbchen auf den Mandeln oder die roten Flecken am weichen Gaumen.“
Deshalb rät er auch von Abstrich-Selbsttests ab: „Man muss ja den Abstrich von den Mandeln nehmen, und das ist, wenn man ungeübt ist, bei weinenden Kindern nicht leicht. Man bekommt negative Befunde, die wertlos sind, weil schlecht abgestrichen wurde.“
Grob könne man sagen, dass bei bakteriellen Infektionen keine oder weniger Atemwegssymptome wie Schnupfen oder Husten vorhanden sind als bei viralen Infekten. „Dafür sind die Halsschmerzen sehr stark.“ Strenger: „Aber nicht jedes Halsweh ist Angina und nicht jede Angina ist Scharlach.“ Für die Eltern sei es wichtig, auf den Gesamtzustand des Kindes zu achten, betont Voitl: „Trinkt es schlecht? Ist sein Allgemeinzustand schlecht? Hat es hohes Fieber und Schmerzen? Dann muss man so oder so zum Arzt.“
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