Erste Anzeichen: Hat die Infektionswelle ihren Höhepunkt erreicht?
Corona, RSV, Influenza: Die "Tripledemie" sorgt derzeit dafür, dass Hunderttausende auch über die Feiertage mit Atemwegsbeschwerden unterschiedlicher Schwere krank im Bett liegen.
Eine hoffnungsvolle Nachricht kommt jetzt aus Deutschland: Dort sieht der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, den Höhepunkt der aktuellen Infektionswelle erreicht. Der Virologe Christian Drosten spricht bereits vom Ende der Corona-Pandemie. Aber wie ist die Situation mit den verschiedenen Virus-Erregern in Österreich? Und was ist bei bakteriellen Infektionen wie Scharlach noch zu erwarten?
"Aktuell wissen wir, dass die sehr starke Infektionswelle gerade ihre Spitze erreicht hat und die Zahl der Infektionen in den kommenden Tagen hoffentlich sinkt“, sagte Christian Karagiannidis dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Ein leichter Rückgang zeichne sich sowohl bei der RSV-Welle als auch bei den anderen Infektionserkrankungen ab.
Auch das deutsche Robert-Koch-Institut (RKI) berichtete vor Weihnachten, dass das Niveau der Erkrankungen im Vergleich zur Vorwoche leicht gesunken sei. Dis sei auf eine abnehmende Krankheitszahl bei Kindern bis zu 14 Jahren zurückzuführen.
RSV
In Österreich betreibt das Zentrum für Virologie der MedUni Wien ein Netzwerk zur Überwachung der RSV-Aktivität. Mehrere Kliniken sowie Ärztinnen und Ärzte senden dafür Nasen-Rachenabstriche an das Zentrum ein.
Lautete die Kurzbeurteilung für die Kalenderwoche 49 (Montag, 5.12. bis Freitag, 9.12) noch "weiterhin stark zunehmende epidemische Aktivität", so steht in der Zusammenfassung der Kalenderwoche 50 (Montag, 12.12. bis Freitag 16.12.) nur mehr "weiterhin starke epidemische Aktivität". In beiden Wochen wurde das Niveau für eine Epidemie nach wie vor erreicht - jeweils mehr als zehn Prozent der eingesendeten Proben waren positiv, enthielten also RS-Viren -, allerdings zeigte sich bereits ein leichter Rückgang des Prozentsatzes der positiven Tests.
Bei den Kinderärzten scheint das vor den Weihnachtsferien aber noch nicht spürbar gewesen zu sein: "In unserer Ordination merken wir noch nicht, dass RSV abflaut", sagte der Wiener Kinderarzt Peter Voitl vor Weihnachten zum KURIER. "Die Zahl der Kinder, die wir behandeln, steigt weiter an." Säuglinge und Kleinkinder sind besonders betroffen, bei ihnen ist RSV die häufigste Ursache von sehr schweren Erkrankungen der tiefen Atemwege und damit auch der häufigste Grund für eine Spitalsaufnahme.
Weihnachtsferien bremsen Influenza
Allerdings könnten jetzt die Weihnachtsferien einen dämpfenden Effekt bringen - trotz der weihnachtlichen Familienzusammenkünfte.
Für die Influenza ist das erwiesen: "Kinder fungieren in der Regel als die Motoren bei der Ausbreitung der alljährlichen Influenza-Epidemie, man kann daher während der Ferienzeiten- (Weihnachten, Semesterferien - regelmäßig eine Verzögerung in der Ausbreitung der Grippewelle beobachten", sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien.
Noch in der Kalenderwoche 50 - Daten der Vorwoche werden erst im Laufe dieser Woche veröffentlicht - gab es allein in Wien ein Rekordhoch an 33.950 Neuinfektionen mit Erkältungs- und Grippeviren. Das ist der höchste Wert der seit 2009 online von der Stadt Wien veröffentlichten Daten.
Corona im Abwasser: Anstieg
Einen dämpfenden Effekt werden die Ferien auch auf die Neuinfektionen mit dem Coronavirus haben. Seit rund zwei Wochen dominiert nicht mehr die Subvariante BA.5, sondern die BQ-Subvariantenfamilie vor allem mit BQ.1.1. und BQ.1. Diese gelten als noch infektiöser als BA.5.
Der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien schrieb auf Twitter, dass die SARS-CoV-2 Konzentrationen im Abwasser wieder ansteigen und verwies auf das Dashboard des Nationalen Abwassermonitoringprogramms des Gesundheitsministeriums. Für dieses werden regelmäßig Abwasserproben von 24 Kläranlagen ausgewertet. Dabei wird die Virenfracht ermittelt. Für alle Bundesländer zeigt sich ein Anstieg, der stärkste in Wien.
Die Expertinnen und Experten des Abwassermonitorings vergleichen das "Abwassersignal", also die Probenergebnisse aus dem Abwaser, mit dem "Humansignal", dem Ergebnis der Corona-Tests. Und da zeigt sich seit November ein kontinuierlicher, und mittlerweile sehr deutlicher Anstieg des Abwassermonitorings, während das "Humansignal" nur geringfügig angestiegen ist. Allerdings: Seit der Woche vor Weihnachten steigt auch die 7-Tage-Inzidenz wieder an. Wie aussagekräftig das ist, wird sich erst in den kommenden Tagen zeigen.
Der Experte für die genetische Analyse der Coronavirus-Varianten, Ulrich Elling, macht auf Twitter noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam: "Influenza A nimmt unter Covid-Patienten rapide zu." 2,5 Prozent der Covid-Patienten sind im Anschluss an ihre Corona-Infektion auch von einer Influenza betroffen. Eine derartige Superinfektion mit Influenza scheint durch die vorangegangene Schwächung des Körpers aufgrund der Corona-Infektion begünstigt zu werden.
Sollte es sich bestätigen, dass der Höhepunkt der Virenwelle erreicht ist, so wäre damit noch nicht alles überstanden. Denn in der Folge von Virenwellen steigen die bakteriellen Infekte an, was auch in Österreich bereits zu bemerken ist und auch das RKI bestätigt: "Die Zahl von Gruppe-A-Streptokokken-Infektionen und Pneumokokken-Infektionen wird voraussichtlich weiter zunehmen", heißt es im jüngsten RKI-Wochenbericht.
Streptokokken sind die Erreger von Scharlach, das erste Mittel zur Behandlung ist das Antibiotikum Ospen, das Kindern als Saft verabreicht wird. "Das ist derzeit gar nicht erhältlich", sagte vor Weihnachten die Kinderärztin Daniela Kasparek aus Wien. "Die bakteriellen Infektionen kommen immoer ein wenig später als die viralen", sagt der Kinderarzt Peter Voitl aus Wien. Ebenso wie bei den Streptokokken befürchte er auch einen Anstieg der Menigokokken-Infektionen, die zu einer bakteriellen Gehirnhautentzündung führen können. Viele Antibiotika in für Kinder geeigneten Darreichungsformen wie Säften sind derzeit aber vielfach knapp. "Wir finden schon immer noch eine Möglichkeit, aber es ist unbefriedigend, Erwachsenendosen auf Kinder herunterzurechnen, und dieses Pulver schmeckt dann Kindern oft auch nicht."
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