Mediziner: "Warum Omikron kein Grund ist, sich unterkriegen zu lassen"
44 Omikron-Fälle in elf europäischen Ländern: Diese Zahl hat das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) in Stockholm Dienstagmittag veröffentlicht. Bei den meisten (aber nicht allen) handelt es sich um Reiserückkehrer. Wobei die Variante offenbar schon länger in Europa zirkuliert, als bisher bekannt war: In den Niederlanden konnte jetzt in zwei Proben vom 19. und 23. 11. die Variante nachgewiesen werden. Ursprünglich hielt man am 26. 11. in Amsterdam gelandete positiv getestete Südafrika-Passagiere für die ersten Fälle. Ob sich die früher Getesteten auch in Südafrika aufgehalten hatten oder Kontakte zu Reiserückkehrern hatten, ist noch nicht bekannt. Aber was weiß man sonst über Omikron anhand der bisherigen Daten aus Südafrika, aber mittlerweile auch aus vielen anderen Ländern mit ersten Fällen?
Bisher werden aus Europa, aber etwa auch aus Israel oder Hongkong nur asymptomatische oder milde Omikron-Fälle gemeldet. „Das sind allerdings Reise-Rückkehrer, die man aktiv aufsucht und testet, die nicht einmal unbedingt symptomatisch sind“, schreibt die Virologin Isabella Eckerle von der Uni Genf auf Twitter. Das sei nicht repräsentativ: „Klar hoffen wir alle auf gute Nachrichten, aber im Moment ist es einfach noch zu früh, um seriöse Aussagen zu treffen.“
In Südafrika selbst, ganz besonders in der Provinz Gauteng mit den Städten Pretoria und Johannesburg, sind durch die Ausbreitung der Omikron-Variante die täglichen Corona-Fallzahlen in den vergangenen zwei Wochen von 200 auf mehr als 2000 gestiegen. Rund 75 Prozent der Neuinfektionen dürften bereits auf Omikron zurückgehen.
In Pretoria hat sich seit Ende Oktober die Zahl der Spitalsaufnahmen mehr als verdoppelt. In der gesamten Provinz Gauteng gab es am Dienstag 959 Covid-Spitalspatienten (Montag: 862), davon 63 (Montag: 59) auf Intensivstationen.
Die Mehrzahl der Spitalspatienten in der Provinz Gauteng (87 Prozent) sind Ungeimpfte, sagt Waasila Jassat vom Nationalen Institut für Infektionskrankheiten (NICD). Unklar ist, ob diese Fälle schwerer verlaufen.
So berichtete die Infektionsspezialistin Jassat einerseits von vielen Spitalsaufnahmen von Kleinkindern. Anzeichen für schwerere Erkrankungen gibt es aber keine. „Möglicherweise ist es nur eine Vorsichtsmaßnahme der Eltern.“ Eckerle: Weder für Spekulationen über schwerere noch für mildere Krankheitsverläufe gibt es derzeit Belege.“
„Ruhig Blut bewahren“
„Die vielen Alarmmeldungen zu Omikron haben das ohnehin schon stark strapazierte Nervenkostüm vieler Menschen noch mehr belastet“, sagt der Umweltmediziner und Experte für Risikokommunikation, Hans-Peter Hutter. „Ich merke an zahlreichen Anfragen selbst, dass das viele Menschen frustriert und erschöpft. Aber da kann ich nur sagen: Ruhig Blut, es gibt keinen Grund, sich unterkriegen zu lassen.“
Es müsse jetzt die Wissenschaft in Ruhe mehr Daten über Omikron erheben: „Aber abgesehen davon ändert sich für unser Leben momentan nichts. Wir müssen mit dem weitertun, was schon bisher gegolten hat: Die Impfkampagne vorantreiben, Masken tragen und uns generell umsichtig verhalten. Aber das gilt für die Delta-Variante genauso wie für die Omikron-Variante.“
Auf keinen Fall dürfe man jetzt sagen, das bringe eh alles nichts: „Das stimmt nicht. Ein hoher Antikörperspiegel nach drei Impfungen wird auch einen Schutz gegen Omikron bieten – vielleicht etwas geringer, aber einen Schutz wird es geben. Und auch die Masken, das Abstandhalten und das Händewaschen helfen gegen alle Varianten.“
Deshalb sei es auch ganz wichtig, die Auffrischungsimpfung ab vier Monaten nach der Zweitimpfung durchzuführen: „Jetzt kursiert die Delta-Variante, gegen die ist der Schutz sehr hoch. Ob es einen angepassten Impfstoff benötigen wird, ist noch völlig offen.“
Aber wird diese Pandemie je vorbeigehen? „Ganz sicher“, sagt Hutter. „Wenn wir die Impfraten noch deutlich erhöhen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dieses Virus – wie die vier Corona-Erkältungsviren, die jedes Jahr zirkulieren – nächstes Jahr endemisch wird.“ Das bedeutet: Das Virus zirkuliert zwar ständig in der Bevölkerung – aber es findet nicht mehr genug Ungeschützte, um gefährliche exponentielle Wellen auszulösen.
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