Neue Variante: Wie gut schützen die Impfstoffe vor Omikron?
Die neue Virus-Variante Omikron sorgte weltweit für großes Aufsehen. Die WHO hat sie als „besorgniserregend“ eingestuft, es wird befürchtet, dass Omikron ansteckender ist als Delta. Noch ist allerdings unklar, welchen Krankheitsverlauf sie begünstigt und ob die bereits bekannten Impfstoffe wirksam sind. Gefürchtet wird, dass die Mutation das Potenzial haben könnte, den Schutz der bisher eingesetzten Impfstoffe zu umgehen.
Alle großen Impfstoff-Hersteller begannen nach eigenen Angaben sofort damit, die Variante zu untersuchen und gegebenenfalls ihre Vakzine anzupassen. Doch wie lange dauert das? Ist es sinnvoll, darauf zu warten? Der KURIER gibt die wichtigsten Antworten dazu, was bisher bekannt ist.
Wie wirksam sind die bisher zugelassenen Impfstoffe gegen Omikron?
Das wird derzeit von allen Impfstoffherstellern untersucht. „Momentan wird geschaut, ob die Antikörper von Probanden, die mit dem aktuellen Impfstoff geimpft wurden, noch ausreichend neutralisieren. Das wurde auch bei der Delta-Variante so gemacht, wobei sich zeigte, dass der Schutz durch die Antikörper gut funktioniert. Bei Omikron gibt es allerdings mehrere Mutationen am sehr sensiblen Spike-Protein“, sagt Impfstoffexpertin Christina Nicolodi zum KURIER. Mitte der Woche werde man bereits etwas mehr darüber wissen, ob es eine Anpassung braucht oder nicht, meint Nicolodi.
Der deutsche Virologe Christian Drosten erklärte auf Anfrage von ZDFheute, dass die neue Variante wahrscheinlich nicht in der Lage ist, den Immunschutz völlig lahmzulegen und die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiter schützen.
Wie lange dauert das Anpassen der Impfstoffe?
Sollte eine Anpassung nötig sein, ginge dies bei mRNA-Impfstoffen relativ schnell. „Ich schätze, bis der Impfstoff eingesetzt werden kann, dauert es etwa drei Monate. Dazu wird die mRNA-Sequenz ausgetauscht, sodass sie passgenau zur Omikron-Variante passt. Dann folgen Qualitätstests und Studien zu Sicherheit und Immunantwort. Die Zulassung wird sehr rasch behandelt, da es kein völlig neuer Impfstoff wäre, sondern eine Änderung eines bereits zugelassenen“, betont Nicolodi.
Dieser Vorgang sei vergleichbar mit der jährlichen Anpassung des Grippeimpfstoffes. Bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna ist die Anpassung einfacher als bei auf modifizierten Viren basierenden Vakzinen wie jenem von AstraZeneca oder Johnson & Johnson. Bei diesen ist diese eher anfälliger für Fehler und zeitaufwendiger.
Wie reagierten die Impfstoffhersteller bisher?
Alle Hersteller analysieren die neue Variante computertechnisch sowie im Labor. Moderna kündigte „drei Verteidigungslinien“ an: die Arbeit an einem Omikron-spezifischen Booster-Impfstoff, einen höher dosierten Booster des Moderna-Impfstoffes – bekannt als Spikevax –, sowie Booster-Kandidaten, die darauf ausgelegt sind, Mutationen wie die aktuelle Omikron-Variante zu erkennen. Innerhalb von 60 bis 90 Tagen sei das Unternehmen in der Lage, neue Produktionskandidaten in die klinische Prüfung zu bringen, hieß es. In einem BBC-Interview sprach Moderna-Chef Paul Burton gar davon, dass bereits Anfang 2022 ein angepasster Impfstoff „in großem Maßstab hergestellt werden könnte“. "Das ist ein gefährlich erscheinendes Virus", sagte Burton. "Aber ich denke, wir haben jetzt viele Werkzeuge in unserem Arsenal, um es zu bekämpfen, also bin ich optimistisch“, so Burton.
Auch Biontech/Pfizer habe bereits vor Monaten Vorbereitungen für die schnelle Entwicklung einer veränderten Impfstoff-Variante getroffen, wie das Unternehmen bekannt gab. Innerhalb von sechs Wochen könne der Impfstoff an Varianten angepasst und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen ausgeliefert werden. Ob eine Modifikation notwendig ist, darauf wollten sich beide mRNA-Impfstoffhersteller noch nicht festlegen. Spätestens in „zwei“ (Biontech) oder „einigen Wochen“ (Moderna) erwarte man Klarheit. Die Pharmakonzerne AstraZeneca und Johnson & Johnson starteten ebenfalls mit Analysen. AstraZeneca begann mit Tests in Botswana und Swasiland, um zu untersuchen, wie gut der Impfstoff gegen die neue Variante schützt.
Das US-Biotechunternehmen Novavax, dessen proteinbasierter Impfstoff noch nicht zugelassen ist, hat nach eigenen Angaben ebenfalls die Arbeit an einer Modifikation gestartet, die auf die Omikron-Variante ausgerichtet ist. Der Impfstoff ist bisher nur auf den Philippinen zugelassen. Die Entwicklung und die Zulassung wurden durch Produktionsprobleme verzögert. Generell sind proteinbasierte Impfstoffe zeitaufwendiger, was auch in Bezug auf das Reagieren auf neue Varianten eine Herausforderung darstellt.
Soll man mit dem Booster oder der Erstimpfung auf neue Impfstoffe warten?
Nein – darüber sind sich zahlreiche Expertinnen und Experten einig. „Alle Menschen, die sich impfen lassen, fangen nicht bei null an, wenn sie sich mit einer neuen Variante infiziert haben“, sagte etwa der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin, Lothar Wieler. Sie hätten auf jeden Fall schon einen gewissen Impfschutz. Auch Christina Nicolodi teilt diese Ansicht. „Noch ist die Delta-Variante vorherrschend und die jetzigen Impfstoffe funktionieren gut. Wir müssen das Gesundheitssystem entlasten, die Intensivstationen frei bekommen und die Infektionsketten durchbrechen. Ein fehlender Booster kann schon jetzt zu Erkrankungen führen, deshalb sollte keinesfalls gewartet werden“, beton Nicolodi.
Molekularbiologe Martin Moder riet auf Twitter dazu, nicht zu warten. „Im Spike-Protein gibt es wirksame und weniger wirksame Antikörper-Bindungsstellen. Viele der besonders wirksamen haben sich verändert und werden wohl nicht mehr erkannt werden. Aber: Auch weniger wirksame können viel bewirken, wenn Antikörper-Level ausreichend hoch sind. Ich wäre extrem überrascht, wenn Geboosterte bezüglich schwerem Verlauf keinen Vorteil hätten“, so Moder. Zusätzlich würden auch die T-Zellen schützen, die an anderen Stellen des Spike-Proteins ansetzen als die Antikörper.
Hat die neue Variante Auswirkungen auf den noch nicht zugelassenen Totimpfstoff von Valneva?
Bei einem Totimpfstoff werden inaktivierte SARS-CoV2-Viren injiziert. Das Virus ist in dieser Form abgetötet und nicht mehr vermehrungsfähig. Durch den Impfstoff wird eine Immunreaktion gegen verschiedene Bestandteile des Virus hervorgerufen, nicht nur gegen das Spike-Protein wie dies bei den mRNA-Impfstoffen der Fall ist. Einige setzen in Bezug auf neue Varianten Hoffnungen auf Totimpfstoffe – seit Bekanntwerden der Omikron-Variante stieg die Aktie von Valneva deutlich.
Impfexpertin Nicolodi geht aber nicht davon aus, dass der Totimpfstoff einen Vorteil gegenüber Omikron bietet. „Es kann zwischen den verschiedenen Impfstoffen Abstufungen geben und die Wirksamkeit muss für jeden separat begutachtet werden. Ob es sich dabei um einen Totimpfstoff, einen mRNA- oder einen Vektor-Impfstoff handelt, macht keinen Unterschied – bei jedem muss geschaut werden, ob ausreichend Immunschutz aufgebaut werden kann“, so Nicolodi.
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