Maskenpflicht in Bus und U-Bahn: Ist sie noch gerechtfertigt?
Das Thema "Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln" sorgt wieder zunehmend für Diskussionen. Während in Deutschland die Maskenpflicht derzeit noch in allen Bundesländern gilt, gibt es sie in Österreich nur noch in Wien. Ob sie noch beibehalten werden soll oder nicht, darüber gehen auch unter Expertinnen und Experten die Meinungen auseinander. Für eine reine Maskenempfehlung spricht sich etwa die Hygienikerin Miranda Suchomel aus, für eine Beibehaltung der Maskenpflicht in den Wiener Öffis tritt der Public-Health-Experte Hans-Peter Hutter ein. Ihre Argumente.
FÜR FREIWILLIGKEIT:
Miranda Suchomel vom Institut für Hygiene und Angewandte Immunologie der MedUni Wien findet es bei den derzeitigen Infektionszahlen "schwierig, auf einer Maskenpflicht zu bestehen" – ausgenommen in Spitälern oder Ordinationen, da sich dort ja auch viele für Infektionen sehr anfällige Menschen befinden. "Deshalb wird sie dort wahrscheinlich bleiben."
Eine regionale Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, wie es sie in Wien gibt, hält Suchomel hingegen für problematisch: "Einerseits haben nach meinen Erfahrungen 10 bis 20 Prozent der Fahrgäste die Masken sowieso nicht mehr oder nicht richtig auf. Und zweitens ist schwer erklärbar, warum es sie außerhalb der Stadtgrenzen nicht mehr gibt: Auch in den Zügen von und nach Wiener Neustadt etwa ist es oft sehr gedrängt. Ebenso am Flughafen – so gesehen ist es unlogisch, dass dort keine Maskenpflicht gilt, in Wien aber schon.“ Fachlich seien die unterschiedlichen Bestimmungen also nicht begründbar: "Das gilt auch für den Vergleich von Apotheken (Maskenpflicht in Wien) und Supermärkten (keine Maskenpflicht): Auch das ist für mich nicht schlüssig."
Gleichzeitig gebe es bei der momentanen Infektionslage aber keine Rechtfertigung, überall eine Maskenpflicht einzuführen, sagt Suchomel: „Deshalb bin ich derzeit dafür, einheitlich die Maskenpflicht mit Ausnahme von Spitälern und Pflegeeinrichtungen auszusetzen – auch, um die oft aggressive Stimmung zwischen Maskenbefürwortern und Verweigerern zu entschärfen. Denn in der U-Bahn wird darüber gestritten, und außerhalb der Station ist das dann ohnehin kein Thema mehr. Im Moment fände ich es besser, auf Eigenverantwortung bei der Maske zu setzen."
Damit hätte die Regierung dann auch eine einfach umzusetzende Maßnahme im Hintergrund zur Verfügung, wenn die Infektionszahlen und Spitalsaufnahmen wieder deutlich steigen sollten: „Dann wäre auch das Verständnis für die Maßnahme und ihre Befolgung größer.“
Grundsätzlich sei sie für das Maskentragen in öffentlichen Verkehrsmitteln: "Ich bin eine absolute Maskenbefürworterin, aber derzeit auf freiwilliger Basis. Gerade eine FFP2-Maske bietet einen guten Schutz, nicht nur vor Corona, sondern auch vor allen anderen Erregern von Erkältungskrankheiten, die derzeit zirkulieren. Und sie schützen natürlich auch vor der Geruchsbelästigung in übervollen Waggons und Bussen."
Natürlich sehe sie auch das Argument des Schutzes von Risikogruppen: "Aber eine FFP2-Maske bietet einen wirklich hohen Eigenschutz. Deshalb ist in einer relativ günstigen Corona-Infektionslage, wie wir sie derzeit haben, schwer, auf diesem Argument eine Maskenpflicht aufzubauen."
Andere verpflichtenden Vorgaben - wie etwa die Gurtenpflicht - hält sie auch nur für bedingt mit der derzeitigen Situation vergleichbar: "Die Gurtenpflicht gilt ja in ganz Österreich und ist keine lokale Bestimmung."
FÜR MASKENPFLICHT:
Hans-Peter Hutter, Public Health Experte der MedUni Wien, spricht von einer insgesamt "hochstilisierten Diskussion": "Ganz ehrlich: Wenn wir es nicht schaffen zu erklären, dass das Tragen von Masken ein gelindes Mittel und gar nicht anstrengend ist, dann frage ich mich, wie die Gesellschaft mit künftigen, größeren Problemen fertig werden will. Und das Maskentragen ist doch nicht so anstrengend, dass wir es in einer aufgeklärten Gesellschaft andauernd diskutieren müssen. Das ist doch eine zumutbare Maßnahme zu meinem Schutz und dem Schutz meiner Mitmenschen."
Freiwilligkeit sei in bestimmten Bereichen zu wenig: Wie viele Menschen rauchen freiwillig nicht in Innenräumen? Es gibt einfach gewisse Dinge, die können nicht auf Freiwilligkeit basieren - das ist immer dort der Fall, wo es um die Gesundheit anderer Menschen geht." Schließlich gehe es nicht nur um einen selbst, sondern auch um Mitmenschen mit chronischen Erkrankungen zum Beispiel. Denn auch wenn eine FFP2-Maske gut schützt: Zwei Masken - bei mir und meinem Gegenüber - schützen noch besser." Er finde es auch ethisch fragwürdig, Risikogruppen allein für ihren Schutz verantwortlich zu machen und sie dabei nicht - etwa mit dem eigenen Masketragen - zu unterstützen
Kritiker der Maskenpflicht verweisen häufig auf andere Großstädte ohne eine solche Pflicht, aber mit einer niedrigeren 7-Tages-Inzidenz. Dazu Hutter: "Man kann die Daten nicht vergleichen. Die Testfrequenzen sind unterschiedlich, die Impfraten, generell die Immunitätslage. Ich kann ja auch nicht sagen, diese Frau hat Bluthochdruck und dieser Mann hat das auch, also bekommen bei die gleichen Tabletten mit der gleichen Dosierung. Das geht einfach nicht, die Realität ist viel komplexer, und das gilt auch für Zahlenvergleiche."
Zum Gegenargument, dass eine U-Bahn-Fahrt zum Beispiel ja oft nicht lange dauert, sagt Hutter: "Dafür ist man ganz nah an anderen Personen und kann deshalb auch in sehr kurzer Zeit eine sehr hohe Virendosis abbekommen." Darüberhinaus biete gerade die FFP2-Maske auch einen sehr guten Schutz gegen die Influenza und alle Erkältungsviren.
Angesichts der vielen Feiern vor Weihnachten sei ohnehin mit einem gewissen Anstieg der Infektionszahlen zu rechnen: "Das kann einerseits zu einer neuerlichen Belastung der Normalstationen führen, andererseits auch wieder die gesellschaftlichen Abläufe durcheinanderbringen, wenn viele Menschen krank werden und zu Hause sind." Schon deshalb sei es jetzt der völlig falsche Zeitpunkt, eine Aufhebung der Maskenpflicht in den Wiener Öffis zu fordern. "Und an meine Kolleginnen und Kollegen, die die Erkrankten behandeln müssen, denkt niemand mehr. Jede und jeder einzelne Infizierte bedeutet einen erhöhten Aufwand."
Maske immer bei Symptomen
Unabhängig von der Diskussion um die öffentlichen Verkehrsmittel hat die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien in den vergangenen Wochen mehrfach darauf hingewiesen, dass man bei Erkältungssymptomen, wenn man außer Haus gehen muss, unbedingt die Maske trägt. Abgesehen von der Impfung bei SARS-CoV-2 und Influenza "ist sie der beste Schutz". Leider habe sich die Maske aber in der Gesellschaft noch nicht ganz als gesellschaftsfähig etabliert: "Aber sie ist ein gesellschaftsfähiges Muss, wenn man anderen Menschen Respekt und Höflichkeit erweisen will und sie nicht einfach mit dem Erreger ansteckt, den man gerade in sich hat, ganz egal, ob der Influenza, Corona, RSV oder sonstwie heißt."
In Deutschland hat sich das Bundesland Schleswig-Holstein für eine mögliche Aufhebung der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen zum Jahreswechsel ausgesprochen. Der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hält das derzeit für "verantwortungslos". CDU und FDP sind hingegen für eine Maskenempfehlung statt einer Maskenpflicht. Und wer krank sei, solle zu Hause bleiben.
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