Kinder-Impfung „off label“: Wer haftet im Ernstfall?
Die Stadt Wien will bis Ende November die Covid-Impfung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren ermöglichen – wahrscheinlich noch vor der Zulassung durch die Europäische Arzneimittelagentur („off label“).
„Der Begriff ,off label‘ – die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb des Zulassungsbereiches – ist immer mit so einem gewissen Schauder verbunden, als sei das etwas ,Verbotenes‘“, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger. „Aber das ist völlig legal und kommt in bestimmten Fachgebieten der Medizin, gerade auch der Kinderheilkunde, sehr häufig vor.“ Auf diese Weise sind bereits 1756 Kinder bis elf Jahre in Österreich doppelt geimpft worden. Für den Arzt gibt es besondere Sorgfalts- und Aufklärungspflichten.
„Er muss Nutzen und Risiko der Impfung für jedes Kind sehr sorgfältig abwägen. Und er muss die Eltern, aber auch das Kind, sehr ausführlich über die Gründe seiner Entscheidung informieren und aufklären – auch in kindgerechter Sprache“, sagt Bachinger. "Es kann sogar sein, dass ein Arzt zu dem Schluss kommt, dass eine off-label-Impfung ganz ausdrücklich geboten ist - impft er dann nicht, erkrankt das Kind an Covid und in der Folge an Long Covid, könnte der Arzt dafür haftbar gemacht werden. Auch die Dokumentationspflicht sei erhöht. „Führt der Arzt das alles gewissenhaft durch, haftet er nicht, falls trotzdem ein Folgeschaden auftreten sollte.“
Für solche Folgeschäden gibt es das Impfschadengesetz. „Dieses regelt, dass der Bund haftet, und das verschuldensunabhängig.“ Das heißt: „Der Patient muss nicht nachweisen, dass ein schuldhaftes Verhalten eines Beteiligten vorliegt. Es muss nur ein kausaler – also direkter – Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden gegeben sein.“
Aber ist das Gesetz auch bei einer Off-label-Anwendung anwendbar? Ja, heißt es bei der Stadt Wien, die Impfung sei vom Impfschadengesetz gedeckt. Bachinger: „Es gibt aus meiner Sicht einen kleinen Zweifel, ob das tatsächlich auch für Impfungen außerhalb des Zulassungsbereiches gilt – das müsste das Gesundheitsministerium klarstellen.“ Diese Klarstellung kam Freitagnachmittag: Mindestanforderung zur Anwendung des Gesetzes sei, dass der Impfstoff in der EU bzw. in Österreich zugelassen sei. Dann stehen die Entschädigungsleistungen auch jenen offen, „denen eine Impfung gegen Covid-19 außerhalb der (zugelassenen) Indikationen verabreicht wurde“.
Und warum ist die Kinderimpfung in den USA bereits zugelassen, in Europa noch nicht? „In den USA hat Pfizer etwas früher eingereicht, und es gibt dort eine Notfallzulassung“, heißt es im Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG): Das Verfahren in der EU unterscheide sich von einer regulären Zulassung nur dadurch, dass einige Daten erst später nachgereicht werden können. Aber alle für Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität wichtigen Daten müssen vor der Zulassung vorliegen.“ Diese wird in der EU für Mitte bis Ende November erwartet.
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