Keine Pandemie: 7 Unterschiede zwischen Affenpocken und Covid-19
Es ist eine Krankheit, die vor kurzem nur kaum breit bekannt war und die nun weltweit für Aufsehen sorgt: Mehr als 230 bestätigte Fälle sowie Verdachtsfälle von Affenpocken sind seit Anfang Mai aufgetreten, meldete die Weltgesundheitsorganisation WHO am Dienstag. In mehr als 20 Ländern wurde die Infektionskrankheit bereits nachgewiesen, darunter die USA, Kanada, Argentinien, die Arabischen Emirate sowie einige europäische Länder, insbesondere Spanien und Portugal. Auch in Österreich wurde ein erster Fall gemeldet, der KURIER berichtete.
Die WHO geht davon aus, dass der aktuelle Ausbruch eindämmbar ist und sich nicht zu einer Pandemie entwickeln werde. Einige Regierungen kündigten an, begrenzt Impfungen einzuführen, um steigende Infektionen zu bekämpfen. Gemeint sind nicht Massenimpfungen, sondern sogenannte Abriegelungsimpfungen, bei denen enge Kontakte infizierter Personen nachträglich geimpft werden. Dieses zeitnahe Impfen kann ein Ausbrechen der Erkrankung bei potenziell Infizierten verhindern. Die Impfung schützt, wenn sie innerhalb weniger Tage nach Kontakt verabreicht wird.
International versuchen Expertinnen und Experten zu beruhigen: Die Affenpocken seien kein Grund zur Sorge. Nach zwei Jahren Pandemie denken viele aber dennoch an eine neue gefährliche Infektionskrankheit. Der KURIER fasst sieben Fakten zusammen, die Affenpocken von Covid-19 unterscheiden, und eine Pandemie unwahrscheinlich machen.
1. Impfstoff vorhanden
Anders als in der Anfangszeit bei Covid-19 ist also bereits ein Impfstoff vorhanden. Imvanex vom dänischen Hersteller Bavarian Nordic ist seit 2013 in der EU zugelassen. Diese Zulassung gilt in der EU zwar für die Impfung gegen Pocken, Off-Label kann der Impfstoff aber auch gegen Affenpocken eingesetzt werden. In den USA ist Imvanex unter dem Namen Jynneos auch für Affenpocken zugelassen. „Viele Länder haben sich an uns gewandt, um Impfstoff zu kaufen“, sagte Rolf Sorensen von Bavarian Nordic. Welche das sind, gibt das Unternehmen nicht bekannt. Deutschland machte bekannt, 40.000 Dosen bestellt zu haben. Diese sollen für Kontakte von Menschen verwendet werden, die mit Infizierten Kontakt hatten, also als Abriegelungsimpfung.
2. Keine Massenimpfung notwendig
Eine Massenimpfung, dass also präventiv möglichst viele Menschen geimpft werden, sei nicht sinnvoll, betont die WHO. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Impfung überhaupt nicht notwendig“, sagt auch Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien. International wird derzeit über Impfempfehlungen, etwa für immungeschwächte Personen, beraten. Großbritannien hat die Impfung Mitarbeitern im Gesundheitswesen angeboten – es handelt sich aber nicht um eine Impfpflicht, sondern kann freiwillig gewählt werden.
3. Bereits viele Menschen geimpft
Hinzu kommt, dass weltweit viele Menschen bereits einen Impfschutz haben – aufgrund der verpflichtenden Pockenimpfung, die es in zahlreichen Ländern bis in die 1970er und 1980er Jahre gab. In Österreich galt die Pockenimpfpflicht bis zum 1. Jänner 1981.
Der damals verwendete Impfstoff hatte zahlreiche Nebenwirkungen und wird heute nicht mehr eingesetzt. Allerdings schützt er auch gegen Affenpocken. Da es sich um einen Lebendimpfstoff handelt wird von lebenslanger Immunität ausgegangen – je nach individuellem Immunsystem und der Zeit, die seit der Impfung vergangen ist, kann der Schutz laut Redlberger-Fritz nachgelassen haben. Bei einer Infektion ist das Immunsystem aber nicht völlig naiv gegenüber dem Virus.
4. Milde Symptome
Die meisten der bisher dokumentierten Infektionen waren nicht schwerwiegend. Zu den Symptomen zählen Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, gefolgt von einem typischen Hautausschlag mit erhabenen Pusteln. Dieser Ausschlag beginnt meist im Gesicht und kann sich am ganzen Körper ausbreiten.
Die meisten Menschen erholen sich innerhalb von zwei bis drei Wochen. Die Erkrankung heilt in den meisten Fällen von selbst aus, eine medikamentöse Behandlung ist meist nicht notwendig.
5. Medikament vorhanden
Allerdings steht ein Medikament zur Verfügung, sollte es benötigt werden. Auch das ist ein Unterschied zu Covid-19. Da Affenpocken bereits bekannt sind und in einigen afrikanischen Ländern endemisch, das heißt immer wieder auftreten, gibt es bereits eine verlässliche Therapie. Das Mittel Tecovirimat hilft gegen alle Pockenviren sehr gut, sagt etwa Infektiologe Herwig Kollaritsch. Es wurde ursprünglich für militärische Zwecke entwickelt, als Schutz, falls das Pockenvirus als biochemische Waffe eingesetzt wird.
6. Mutationen unwahrscheinlich
Anders als SARS-CoV-2 gibt es bisher keine Hinweise, dass sich das Affenpockenvirus genetisch verändert hat, also mutiert ist. Erste Genomsequenzanalysen aktuell aufgetretener Fälle zeigen keine Unterschiede zu früheren Genomsequenzanalysen anderer Fälle, etwa aus dem Jahr 2018. Denn: Bereits früher gab es vereinzelt Fälle außerhalb des afrikanischen Kontinents. Bisher war allerdings immer eine Infektionskette in ein endemisches Gebiet nachverfolgbar.
Ein Beispiel ist etwa ein Ausbruch im mittleren Westen der USA aus dem Jahr 2003. Damals wurden Präriehunde von einem Tierhändler importiert – die Tiere wurden gemeinsam mit der Gambia-Riesenhamsterratte gehalten. Nagetiere sind die bevorzugten Wirte des Affenpockenvirus. Einige der Nager trugen das Virus in sich und infizierten die Präriehunde, die wiederum an Privathaushalte verkauft wurden und das Virus auf Menschen übertrugen. Insgesamt gab es 71 Fälle von Affenpocken bei Menschen in sechs Staaten. Keine Infektion verlief tödlich.
Ein weiteres Beispiel: 2018 brachte ein Reisender aus Nigeria das Affenpockenvirus nach Großbritannien, 2021 passierte dies auf dieselbe Weise. In beiden Fällen blieben die Infektionen aber auf einen Haushalt beschränkt.
Bei den aktuellen Fällen ist es erstmals so, dass bei vielen Fällen keine bekannten Verbindungen nach West- oder Zentralafrika bestehen. Die Frage, ob sich das Virus verändert haben könnte, ist aber noch nicht abschließend geklärt.
Die Ausbrüche in West- und Zentralafrika sind – anders als bei den aktuellen Fällen außerhalb Afrikas – sehr kontrolliert und selten. Sie sind meist lokal begrenzt und nach kurzer Zeit eingedämmt. Noch ist nicht eindeutig geklärt, weshalb es derzeit ein anhaltendes länderübergreifendes Auftreten der Krankheit gibt.
Das Affenpockenvirus ist ein DNA-Virus, während SARS-CoV-2 zu den RNA-Viren zählt. DNA-Viren sind deutlich stabiler als RNA-Viren - sie mutieren nicht ständig. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass bestehende Impfstoffe und Medikamente längerfristig wirken.
Anders als die klassischen Pocken verlaufen Affenpocken deutlich milder. Die mithilfe weltweiter Impfkampagnen seit 1979 ausgerotteten Pocken waren deutlich infektiöser und führten zu schweren Verläufen mit einer durchschnittlichen Sterblichkeit von 30 Prozent.
Im Schnitt steckte ein Patient drei bis 6,5 weitere Menschen mit Pocken an. Bei Affenpocken ist es weniger als ein Mensch, der im Schnitt angesteckt wird (R0 von 0,85).
Beide Viren zählne zur Familie der Orthopoxviren. Bei Pocken gibt es aber keinen anderen Wirt - sie überleben nur im Menschen und können von Mensch zu Mensch übertragen werden. Affenpocken sind unter Nagetieren verbreitet, Affen können infiziert werden, sind aber Fehlwirte – das Virus kann sich in ihnen nicht weiterentwickeln. Menschen können sich bei infizierten Tieren und Menschen anstecken.
7. Geringere Ansteckung
Affenpocken sind weniger leicht übertragbar als Covid-19. Anders als bei Covid-19 sind Affenpocken etwa erst ansteckend, wenn bereits Symptome auftreten. Bei Covid-19 sind Infizierte auch dann ansteckend, wenn sie noch keine Symptome haben bzw. keine entwickeln. Während SARS-CoV-2 über Aersole sich über Stunden im Raum hält und so viele Menschen auf einmal infiziert werden können, ist das Affenpockenvirus durch engen Kontakt zu einem Infizierten übertragbar. Es braucht den Kontakt zu Körperflüssigkeiten, etwa über Schleimhäute oder die Pusteln, kontaminiertes Material, etwa die Bettwäsche, oder Tröpfchen aus der Atemluft eines Infizierten.
Diese andere Übertragbarkeit zeigt sich auch im R0-Wert, der angibt, wie viele Menschen eine infizierte Person im Schnitt ansteckt. Bei Affenpocken ist dieser Wert 0,85, das heißt, eine Person steckt im Schnitt weniger als einen weiteren Menschen an. Bei konsequentem Contact Tracing und Isolierung ist es daher möglich, weitere Ansteckungen gering zu halten.
Zum Vergleich: Je nach Variante steckte eine Person, die mit Covid-19 infiziert war, im Schnitt bis zu acht Personen an.
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