Wie gefährlich sind Affenpocken? Was Sie wissen müssen
Fälle der eigentlich seltenen Affenpocken treten mittlerweile in immer mehr Ländern auf - nun auch in Schweden, Italien, Spanien, Portugal und den USA.
"Entweder ist es eine Menge Pech oder es passiert etwas ganz Ungewöhnliches", so der Viren-Evolutionsforscher Aris Katzourakis. "Es ist nicht bekannt, dass Affenpocken leicht von Mensch zu Mensch übertragen werden. Die Tatsache, dass Fälle in mehreren Ländern gleichzeitig auftauchen - mit Anzeichen für eine anhaltende Übertragung auf Menschen - ist bemerkenswert", so der Professor für Evolution und Genetik an der Universität Oxford.
Der österreichische Virologe Christoph Steininger im Interview mit dem KURIER: "Derzeit gibt es Berichte einer angeblichen Häufung von Infektionen mit Affenpocken in Portugal. 14 junge Männer sollen sich in Lissabon, der Hauptstadt Portugals bei einer Gay-Parade angesteckt haben. Keiner dieser Betroffenen war zuvor in Afrika gewesen."
In Österreich wurde bisher noch kein Fall nachgewiesen, gab das Gesundheitsministerium am Donnerstag bekannt. Allerdings befindet sich Österreich zum Thema "in einem intensiven internationalen Austausch und evaluiert die Lage weiterhin laufend", wie aus dem Ministerium verlautet wird. Derzeit wird die Umsetzung der Meldepflicht der Affenpocken geprüft.
In Österreich bestand bis 1981 eine Pocken-Impfpflicht.
Virologe Steininger über Therapie und Schutz der heimischen Bevölkerung: "Es stellt sich die Frage, ob die üblichen antiviralen Medikamente wirksam sind. Grundsätzlich stehen mehrere wirksame Medikamente zur Verfügung, die hauptsächlich den Körper dabei unterstützen, sich selbst von dem Virus zu befreien. Laut Informationen der WHO haben Menschen, die den Pockenimpfstoff bekommen haben, ein geringeres Risiko sich mit Affenpocken zu infizieren."
KURIER: Was ist Ihr Wissensstand zur aktuellen Infektionslage mit Affenpocken?
Christoph Steininger: Derzeit gibt es Berichte einer angeblichen Häufung von Infektionen mit Affenpocken in Portugal. 14 junge Männer sollen sich in Lissabon, der Hauptstadt Portugals bei einer Gay-Parade angesteckt haben. Keiner dieser Betroffenen war zuvor in Afrika gewesen. Nach meinen Informationen gab es vor einigen Jahren auch einige Fälle bei Züchtern von Nagetieren an der Ostküste der USA. Als eine klassische Region, wo Menschen mit Affenpocken-Viren in Kontakt kommen, ist mir Madagaskar bekannt.
Sollten wir angesichts der Fälle in Europa schon besorgt sein?
In Österreich müssen wir uns keine Sorgen wegen der Affenpocken machen. Diese werden von Tieren auf den Menschen übertragen. Nur sehr selten kommt es zu einer Übertragung von Mensch zu Mensch. Man muss einfach abwarten wie sich die Situation entwickelt. Im Fall des Falles muss man sich etwas einfallen lassen.
Die Übertragung passiert vor allem über Aerosole. Britische Experten sprechen aber schon Warnungen an homosexuelle und bisexuelle Männer aus. Ist das sinnvoll?
Man muss sich die Situation erst anschauen. Bemerkenswert ist, dass so viele Fälle in so kurzer Zeit aufgetreten sind. Aber eigentlich wird das Virus nicht zwischen Menschen übertragen. Es handelt sich hier nicht um eine Corona-Pandemie 2.0.
Wenn man an Affenpocken erkrankt: Wie sieht die Behandlung aus?
Es stellt sich die Frage, ob die üblichen antiviralen Medikamente wirksam sind. Grundsätzlich stehen mehrere wirksame Medikamente zur Verfügung, die hauptsächlich den Körper dabei unterstützen, sich selbst von dem Virus zu befreien.
Da über 50-Jährige bei uns noch Pocken geimpft wurden, ist die vulnerable Gruppe der Älteren ausreichend geschützt?
Laut Informationen der WHO haben Menschen, die den Pockenimpfstoff bekommen haben, ein geringeres Risiko sich mit Affenpocken zu infizieren.
In Großbritannien hatte die Zahl erfasster Fälle nach Angaben der Gesundheitsbehörde am Montag bei neun gelegen. Verbindungen zwischen Betroffenen sind nur teilweise bekannt. Teils sei unklar, wo sich Betroffene angesteckt haben. Die Mehrheit der betroffenen Männer soll sich in London angesteckt haben. Die erste bekannt gewordene Infektion soll auf eine Ansteckung in Nigeria zurückgehen.
Die dänische Virologin Marion Koopmans sprach von einer "besorgniserregenden" Entwicklung: "Ist etwas Besonderes passiert, das diese Situation erklärt? Ein sehr ungewöhnliche Häufung von vielen direkten Kontakten zum Beispiel? Oder ist etwas Ungewöhnliches an dem Virus?"
WHO warnt Gesundheitspersonal
Nach dem Auftauchen von Affenpocken bei Menschen in Europa und den USA hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu einer rigorosen Verfolgung aller Kontakte der Betroffenen aufgerufen. Kliniken und Bevölkerung müssten dafür sensibilisiert werden, einen ungewöhnlichen Hautausschlag von Fachpersonal begutachten zu lassen, teilte die WHO am Mittwochabend mit. Erhärte sich der Verdacht auf Affenpocken, sollten Patienten isoliert werden.
Gesundheitspersonal solle sich mit den üblichen Vorkehrungen bei Infektionen, die sich über Kontakt oder Tröpfchen ausbreiten können, schützen. Die WHO betont, dass die in der Corona-Pandemie für viele Menschen zur Selbstverständlichkeit gewordene Handhygiene gegen das Risiko einer Übertragung helfe. Dazu gehören gründliches Händewaschen mit Wasser und Seife sowie Desinfektionsmittel. Reise-oder Handelsbeschränkungen mit Großbritannien hält die WHO "nach vorliegenden Informationen zur Zeit" für unnötig.
Bereits zu diesem Zeitpunkt hat das deutsche Robert Koch-Institut (RKI) Ärzte in Deutschland für diese Virusinfektion sensibilisiert. Das RKI empfiehlt Ärzten, auch bei unklaren pockenähnlichen Hautveränderungen Affenpocken als mögliche Ursache in Betracht zu ziehen. Auch wenn Betroffene nicht in bestimmte Gebiete gereist sind.
Männer, die Sex mit Männern haben, sollten laut RKI bei ungewöhnlichen Hautveränderungen "unverzüglich eine medizinische Versorgung aufsuchen".
Weitere Fälle sind möglich
Frühere Fälle von Affenpocken waren nach WHO-Angaben in der Regel auf Reisen in Gebiete in West- und Zentralafrika zurückzuführen, in denen das Virus bekannt ist. Auch der erste Betroffene in Großbritannien war aus Nigeria eingereist. Nach WHO-Angaben tauchten Affenpocken bei Menschen in Nigeria vermehrt seit 2017 auf. Insgesamt seien seitdem dort 558 Verdachtsfälle gemeldet worden. 241 seien bestätigt worden und acht Menschen seien daran gestorben.
Die weiteren aus Großbritannien gemeldeten Patienten hätten sich nach bisherigen Informationen in Großbritannien selbst angesteckt. "Das Ausmaß der lokalen Ansteckung ist zur Zeit noch unklar und es ist möglich, dass weitere Fälle identifiziert werden", teilte die WHO mit. Auf die Fälle in anderen westlichen Ländern geht sie nicht ein.
Was Sie jetzt wissen müssen:
Was sind Affenpocken?
Bei den Affenpocken handelt es sich um eine seltene Erkrankung, die durch das Affenpockenvirus verursacht wird. Dieses Virus ist strukturell mit dem Pockenvirus verwandt. Es verursacht ähnliche, aber meist mildere Krankheitsverläufe. Affenpocken gehören wie die Pocken zur Gruppe der Orthopoxviren.
Wie werden die Affenpocken übertragen?
Das Virus kann durch Kontakt mit Sekreten infizierter Tiere übertragen werden - bisher gingen Experten davon aus, dass Affenpocken nicht leicht von Mensch zu Mensch übertragbar sind.
Menschen übertragen das Virus untereinander über Körperflüssigkeiten, Krusten sowie wahrscheinlich über kleine Viruspartikel in der Luft. Auch die sexuelle Übertragung ist möglich.
Ansteckend sind nur symptomatisch Erkrankte.
US-Virologe Eric Feigl Ding auf Twitter: "Eine Studie zeigt, dass Affenpocken bis zu 90 Stunden aerosolstabil sind und während dieser Zeit infektiös bleiben."
Wann ist das Virus erstmals in Europa aufgetreten?
Die ersten bekannten Fälle in Europa gab es in Großbritannien Anfang Mai. Laut der Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency (UKHSA) sind bis letzten Montag neun Fälle in Großbritannien erfasst worden. Verbindungen zwischen Betroffenen liegen nur zum Teil vor. Teilweise sei unklar, wo sich die Betroffenen angesteckt haben.
Welche Länder sind noch betroffen?
Der erste Fall trat in Großbritannien auf. Ein Mann war von Nigeria nach England eingereist, er hat die Infektion mutmaßlich aus Nigeria mitgebracht.
Am Donnerstag wurden jeweils ein erster Fall aus Italien und Schweden gemeldet. In Spanien wurden acht Infektionen in der Hauptstadt Madrid gemeldet. In Portugal soll es 20 Infizierte geben. Bei der Mehrheit der bisher bekannt gewordenen Fälle sind Männer betroffen, die Sexualkontakte zu anderen Männern hatten.
In Kanada untersuchen Gesundheitsbehörden laut örtlichen Medien rund ein Dutzend Verdachtsfälle. Ergebnisse würden in den kommenden Tagen erwartet. Über einen bestätigten Fall in der Provinz Quebec seien die Behörden informiert worden.
Welche Symptome treten auf?
Zu den Symptomen gehören Fieber, Kopf-, Muskel-, Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten, Schüttelfrost und Erschöpfung. Es kann auch zu Ausschlag kommen, der oft im Gesicht beginnt und sich dann auf andere Körperteile ausbreitet - vor allem auf Hände und Füße.
Der Ausschlag sieht je nach Phase unterschiedlich aus und könne Windpocken und Syphilis ähneln. Laut der Behörde verläuft die Krankheit üblicherweise mild und klingt innerhalb einiger Wochen ab. Vereinzelt kann es jedoch auch zu schwereren Fällen kommen.
In Afrika erkrankt einer von zehn Infizierten an einem schweren bzw. tödlichen Verlauf. Eine höhere Sterblichkeit könnte laut Experten aber den fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung widerspiegeln.
Welche Tiere können Affenpocken übertragen?
Trotz ihres Namens sind Affen kein Reservoir: Die Erreger können von verschiedenen Tierarten übertragen werden. Im Verdacht stehen Eichhörnchen und andere Kleinnager in den Regenwäldern Afrikas, besonders in West- und Zentralafrika.
Wo ist das Virus erstmals entstanden?
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) trat die Krankheit erstmals 1970 in Afrika beim Menschen auf. Seitdem ist sie nachweislich in über zehn Ländern des afrikanischen Kontinents aufgetreten. Die meisten gemeldeten Fälle sind aus der Demokratischen Republik Kongo bekannt. Seit 2016 gibt es bestätigte Fälle aus Sierra Leone, Liberia, der Zentralafrikanischen Republik, der Republik Kongo, Nigeria.
Laut WHO wurde das Virus bisher nur vereinzelt durch Reisende in die USA, nach Israel oder 2018 nach Großbritannien gebracht.
Welche Therapien gibt es bisher?
Bisher gibt es keine spezifische Therapie und keine Impfung gegen Affenpocken.
Wann gab es in Österreich eine Pockenimpfpflicht?
Bereits im 19. Jahrhundert gab es in Deutschland, Frankreich, England, Lichtenstein und weiteren Staaten eine Impfpflicht gegen die Pocken. In Österreich wurde eine Pocken-Impfung in der Zeit des Nationalsozialismus eingeführt.
Am 30. Juni 1948 trat in Österreich das "Bundesgesetz über Schutzimpfungen zu Pocken" in Kraft. Dieses Gesetz bedeutete allerdings keine allgemeine Impfpflicht: Die Nichtbefolgung zog lediglich eine Verwaltungsstrafe nach sich.
Da weltweit viele Länder die Impfung eingeführt hatten, galten die Pocken ab 1980 als ausgerottet. Im Jahr darauf setzte Österreich die Impfpflicht aus.
Kommentare