Impfgremium: Vierte Impfung "jeder Person empfohlen, die sich schützen will"
Das Nationale Impfgremium hat jetzt eine Aktualisierung seiner Anwendungsempfehlungen zu den Covid-19-Impfungen veröffentlicht. Diese Aktualisierung wurde mit der europäischen Zulassung von drei sogenannten bivalenten Impfstoffen, die sich nicht nur gegen das ursprüngliche Virus (Wildtyp), sondern zusätzlich auch gegen eine Omikron-Variante richten, notwendig.
Gleichzeitig geht das Gremium auf zwei Diskussions- und Kritikpunkte ein, die in den vergangenen Wochen von mehreren Expertinnen und Experten geäußert wurden.
Kritik gab es daran, dass das Impfgremium die vierte Impfung bereits ab 12 Jahren empfiehlt, obwohl in diesem Alter das Risiko für schwere Covid-Verläufe deutlich geringer ist als bei Älteren. Das Nationale Impfgremium schreibt jetzt, dass Auffrischungsimpfungen (4. Impfung) bei Personen ab 12 Jahren durchgeführt werden können. Sie sind "jeder Person empfohlen, die sich schützen will". Gleichzeitig hebt das Gremium jetzt aber hervor: "Insbesondere Personen ab einem Alter von 60 Jahren, Personen mit dem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (inkl. Schwangere) und Personen mit einem erhöhten Expositionsrisiko (Gesundheitspersonal, Personen in Langzeitpflege- oder Betreuungseinrichtungen etc) ist die 4. Impfung angeraten".
Dazu der Infektiologe Herwig Kollaritsch, Mitglied des Impfgremiums, zum KURIER: "Wir hatten laufend Anfragen und Beschwerden, wo Personen unterschiedlichen Alters - eine über 60, eine unter 60 - gemeinsam zur vierten Impfung gegangen sind und der oder die unter 60 wurde wieder nach Hause geschickt, etwa bei Ehepaaren. Oder die Situation, dass eine Familie eine 80-jährige Oma pflegt, die Pflegenden sind aber alle unter 60 Jahre alt. Auch ihnen empfehle ich die vierte Impfung, weil sie damit das Risiko senken, eine Infektion in die Familie hineinzutragen." Um in solchen Fällen zu verhindern, dass Unter-60-Jährige die Impfung nicht erhalten, habe das Nationale Impfgremium die vierte Impfung "ab 12 Jahren geöffnet, aber gleichzeitig betonen wir, dass sie für die Über-60-Jährigen entscheidend und wichtig ist".
Der Abstand zur dritten Impfung beträgt in der Altersgruppe von 12 bis 59 Jahre mindestens 6 Monate, bei Personen ab 60 Jahren sowie bei Risikopersonen ab 12 Jahren mindestens 4 Monate.
Für die vierte Impfung kann der gleiche oder ein anderer Impfstoff wie bei der Grundimmunisierung (drei Impfungen) verwendet werden. Das NIG hebt hervor: "Vorzugsweise werden bivalente mRNA-Impfstoffe empfohlen, weil für diese eine Zulassung als 4. Impfung seitens der europäischen Behörden vorliegt." Es können aber auch die alten (monovalenten) Impfstoffe eingesetzt werden - die haben allerdings keine spezielle Zulassung für die 4. Impfung.
Mittlerweile sind drei bivalente Impfstoffe für Personen ab 12 Jahren zugelassen:
- Comirnaty Original / Omicron BA.1 von Biontech / Pfizer. Von diesem sind bereits 757.000 Impfdosen in Österreich angekommen.
- Spikevak Bivalent Original / Omicron BA.1 von Moderna
- Comirnaty Original / Omicron BA. 4-5 von Biontech / Pfizer
Für die ersten beiden Impfungen sind nur die bisherigen (monovalenten) Impfstoffe zugelassen, die noch keine Omikron-Komponente enthalten.
Für die 3. Impfung besteht sowohl für monovalente Impfstoffe als auch bivalente mRNA-Impfstoffe eine Zulassung. "Die bisher publizierten Daten zeigen eher einen positiven Einfluss eines Impfstoffwechsels als negative Einflüsse", heißt es in den aktualisierten Impfempfehlungen.
Eine fünfte Impfung wird derzeit nur Risikopersonen - besonders Immunsupprimierte - ab 12 Jahren und Personen ab 60 Jahren vor der kalten Jahreszeit empfohlen, "um in der kalten Jahreszeit mit zu erwartenden Infektionswellen bestmöglich geschützt zu sein". Der Abstand zur vierten Impfung sollte mindestens vier Monate betragen, bei Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren mindestens sechs Monate, außer eine individuelle Prüfung legt einen kürzeren Abstand nahe.
Infektion zählt in bestimmten Fällen doch
Das Impfgremium geht in den aktualisierten Empfehlungen auch ausführlich auf das Thema Impfungen nach einer bestätigten Corona-Infektion ein. Hier hieß es zuletzt, dass Omikron-Infektionen keinen Einfluss auf die Impfabstände haben sollten und die vorgesehenen Intervalle zwischen zwei Impfungen auch bei einer Infektion nicht verlängert werden sollten. Die bisherige Begründung: Die Infektion mit einer Omikron-Subvariante (etwa BA.2) hinterlasse nur eine sehr unsichere Immunität gegen eine andere Omikron-Subvariante (etwa BA.5). Diese Empfehlung war von mehreren Expertinnen und Experten kritisiert worden.
Jetzt heißt es in den neuen Empfehlungen für Personen, die bereits zwei oder mehr Impfungen haben: Bei einer symptomatischen Infektion kann bei Personen unter 60 Jahren die Impfung bis zu 6 Monate aufgeschoben werden. Bei Personen ab 60 Jahren und Risikopersonen (altersunabhängig) kann die Impfung nach der abgelaufenen Infektion (negativer PCR-Test) bzw. nach der Genesung jedoch "auch vor Erreichen der 6 Monate im vorgesehenen Schema erfolgen".
Infektiologe Kollaritsch zur Änderung dieser Empfehlung: "Kurz nach unserer ersten Veröffentlichung kamen mehrere neue Studienergebnisse zur Immunität nach einer Omikron-Infektion heraus, die wir jetzt berücksichtigt haben."
Diese neuen Erkenntnisse, etwa aus einer Studie aus Portugal, hat das NIG in seinen Empfehlungen so zusammengefasst: "Dreimal geimpfte Personen, die zusätzlich eine nachgewiesene Omikron-Infektion (BA.1, BA.2 oder BA.4, BA.5) durchgemacht haben, zeigen nach dieser Infektion eine gute Boosterantwort und (Kreuz-)Immunität gegen BA.4/BA.5. Vor allem bei Personen unter 60 Jahren wird in solchen Fällen durch eine 4. Impfung innerhalb eines Zeitraumes von bis zu 6 Monaten keine weitere Verbesserung des Immunschutzes erreicht und damit kann die 4. Impfung entsprechend verschoben werden."
Eine Impfung trotz durchgemachter Infektion schadet aber nicht, kann aber bei Unterschreiten des empfohlen Intervalls in der Boosterantwort eingeschränkt sein und in Einzelfällen zu vermehrten Impfreaktionen führen, heißt es in den aktualisierten Anwendungsempfehlungen.
Respiratorische Infektionen hinterlassen aber keine dauerhafte systemische Immunität, betont das Impfgremium. "So benötigen Personen ab fünf Jahren jedenfalls für eine breite und gut ausgeprägte Immunitätslage in Hinblick auf SARS-CoV-2 eine Grundimmunisierung bestehend aus drei Impfungen (Schema 2+1), unabhängig von durchgemachten Infektionen."
Vorgehen bei vermuteter Infektion
Genau eingegangen wird jetzt auch auf den Fall einer asymptomatischen bzw. unbemerkten Infektion: "Das Problem in der täglichen Praxis ist, dass Leute sich nicht sicher sind, ob sie nicht vielleicht unbemerkt eine Infektion gehabt haben und deshalb unsicher sind, ob sie sich impfen lassen können", sagt Kollaritsch. "Die Antwort ist: Ja, eine Impfung ist möglich entsprechend dem vorgesehenen Impfschema."
Kollaritsch ist davon überzeugt, "dass wir jetzt eine vernünftige Version, die nicht zu kompliziert ist aber doch auf alles Bezug nimmt, was Sache ist. Und ich hoffe, dass wir jetzt eine Version haben, die länger halten wird."
Die neuen Ergänzungen zu den Anwendungsempfehlungen wurden jetzt auf der Homepage des Sozialministeriums veröffentlicht.
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