Impfen vor dem Reisen: Zehn wichtige Fragen und Antworten
Der derzeitige Reiseboom macht sich auch bei den Spezialistinnen und Spezialisten für Reise- und Tropenmedizin massiv bemerkbar: "Es gibt einen wirklichen Run auf die Tropeninstitute, sie werden gestürmt, die Leute sind ausgehungert nach Reisen", sagte Donnerstag bei einem Pressegespräch Oberarzt Hermann Laferl von der Klinik Favoriten, Facharzt für Innere Medizin sowie für Infektiologie und Tropenmedizin. Wobei er betonte, dass es beim Thema Impfen nicht nur ums Reisen ins Ausland gehe: "Das Basispaket sollte man auch dann haben, wenn man nur nach Neusiedl am See fährt." Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Worauf ist bei den Standardimpfungen, "dem Basispaket", zu achten?
Zunächst einmal auf die Vierfach-Impfung Diphtherie-Keuchhusten-Polio-Tetanus. Sie sollten alle zehn Jahre aufgefrischt werden. "Diphtherie und Tetanus sind Erkrankungen mit hoher Sterblichkeit, nicht wie bei Covid mit unter einem Prozent, sondern mitunter im zweistelligen Prozentbereich", sagt Laferl. "Seit 30 Jahren bin ich an der Klinik in Favoriten tätig, und habe keine Diphtherie-Fälle gesehen, aber in den vergangenen sechs Monaten waren es gleich drei." Zum Jahreswechsel war es ein Fall von Hautdiphtherie, "die im Vergleich zur respiratorischen (die Atemwege betreffenden, Anm.) Diphtherie relativ harmlos ist".
Ganz anders die beiden Fälle an respiratorischer Diphtherie in den vergangenen Wochen, von denen einer tödlich verlief: Innerhalb einer Woche hat sich der Zustand eines gesunden jungen, aber ungeimpften Mannes so verschlechtert, dass er verstarb.
Pertussis wiederum sei für Erwachsene zwar sehr unangenehm und kann zu wochenlangem Husten führen, ist für Erwachsene aber nicht gefährlich: "Bei Neugeborenen hingegen ist die Sterblichkeit hoch - und diese stecken sich bei den Erwachsenen an."
Wie sieht es bei Masern-Mumps-Röteln aus?
"Da wiegen sich derzeit viele ein wenig in einer irreführenden Sicherheit", sagt Laferl. "Die Maske hat dazu geführt, dass es in den vergangenen zwei Jahren deutlich weniger Fälle dieser drei Krankheiten gab, aber das ist eben irreführend." Und das habe auch dazu geführt, dass viel über die Covid-Impfungen geredet, aber andere vernachlässigt wurden.
Bei dieser Impfung handelt es sich um eine Lebendimpfung, "die an sich einen viel längeren Schutz bieten". Deshalb reichen für einen Menschen mit gesundem Immunsystem zwei Impfungen, "aber diese zwei Impfungen sollte man eben haben".
Masern seien bei Erwachsenen "eine schwere Erkrankung, selbst dann, wenn sie ohne Komplikationen verläuft. Man hat tagelang hohes Fieber und fühlt sich wirklich miserabel." Und es könne zu Komplikationen wie einer Gehirnentzündung (Enzephalitis) kommen.
Röteln seien beim Erwachsenen im Vergleich zu Masern harmloser: "Aber wenn eine Schwangere in der Frühschwangerschaft das bekommt - und das ist leider vor ein paar Jahren auch in Österreich passiert - kommt es zur gefürchteten Rötelnembryopathie, das ist wirklich eine schwere Schädigung des Embryos."
Und Hepatitis A und B?
"Das Risiko für Hepatitis A geht bei Reisen in Europa gegen null, Hepatitis B ist heute de facto eine sexuell übertragbare Erkrankung", so Laferl. Auffrischung alle zehn Jahre.
Es gibt auch bereits Impfstoffe gegen Malaria, Dengue-Fieber und auch Ebola. Sind diese auch für Urlaubsreisende eine Option?
"Nein", sagt die Infektiologin und Fachärztin für Tropenmedizin Ursula Hollenstein, die auch Mitglied der Science Busters ist. "Es gibt zugelassene Impfstoffe, aber sie sind für die Bekämpfung von Epidemien, zur Abriegelung von Ausbrüchen oder etwas für Kinder in hochendemischen Gebieten (mit starker Erregerzirkulation, Anm.) gedacht, nicht für Urlaubsreisende." Anders sei dies bei bestimmten beruflichen Reisen, etwa bei Hilfseinsätzen in Hochrisikozonen.
Was ist der spätestmögliche Zeitpunkt vor Reiseantritt für die Kontrolle des Impfstatus?
"Normalerweise empfehlen wir, sich sechs bis acht Wochen vor der Reise zu erkundigen", sagt Hollenstein. Für einzelne Reiseimpfungen mit mehreren Einzelinjektionen gebe es aber auch ein Schnellschema, das man noch drei bis vier Wochen vor Reiseantritt beginnen könne. Gelbfieber oder Typhus können bis zehn Tage vor der Abreise verabreicht werden. "Und Auffrischungsimpfungen kann man auch noch ganz knapp vor der Abreise machen", betont Laferl.
Die Fälle der Gehirnentzündung FSME werden mehr. Wie schlimm verlaufen sie?
"Bis Mitte Juni waren es bereits fast 30 Fälle, deutlich mehr als im vergangenen Jahr", sagt Laferl. Die FSME sei keine banale Erkrankung. "Wer erkrankt, den hat es echt erwischt. Denn eine Hirnhaut- bzw. Hirnentzündung ist immer eine schwere Erkrankung, weil sie eben das Gehirn betrifft." Vor drei Wochen behandelte Laferl einen ungeimpften Studenten mit Enzephalitis in Folge einer Infektion mit dem FSME-Virus durch Zecken: "Er war örtlich und zeitlich komplett desorientiert, seine Persönlichkeit komplett verändert, wenn ich das sehe kann ich nur zur Impfung aufrufen."
Der FSME-Impfschutz muss alle fünf Jahre, ab 60 alle drei Jahre aufgefrischt werden.
Kann man sich nicht manche Impfungen möglicherweise ersparen, indem man vorher einen Antikörpertest durchführt, etwa bei der FSME-Impfung?
Gerade bei FSME werde das oft gefragt, "aber im Österreichischen Impfplan wird das nicht empfohlen und ich empfehle es auch nicht in diesem Fall", sagt Laferl. Denn der Wert eines herkömmlichen Tests sei nicht sehr aussagekräftig, "wenn man es wirklich genau wissen möchte, müsste man einen Neutralisationstest machen, aber der kostet ein Vielfaches der Impfung". Es gebe immer wieder Menschen die sagen würden, sie wollen sich nur dann impfen lassen, wenn es unbedingt notwendig sei, "aber in einem Gespräch kann man die meisten dann schon davon überzeugen, dass Impfen der pragmatischere und auch bessere Weg ist".
Anders sei es bei Hepatitis A und B: "Da bekommt man einen Wert für den Impftiter, auf den man bauen kann. Da weiß ich gleich, ich bin hundertprozentig geschützt, ich habe noch einen Schutz, der aber nicht mehr lange anhält oder ich habe gar keinen Schutz."
Man findet seinen Impfpass nicht mehr, kennt nicht die Jahre, wann jeweils die letzten Auffrischungen gemacht wurden? Kann man zu früh auffrischen?
"Nein", sagt Laferl. "Vielleicht ist die Lokalreaktion am Arm etwas stärker, aber mehr kann nicht sein."
Möglicherweise braucht man mehrere Auffrischungen und Zusatzimpfungen für das Reiseziel: Kann das dem Körper zu viel werden?
"Es gibt sehr schöne Untersuchungen die zeigen, dass es keine Obergrenze für die Zahl der an einem Tag verabreichten Impfstoffe gibt", betont Hollenstein. "Mit einer Ausnahme: "Man braucht ausreichend Platz am Oberarm, weil ein Abstand einzuhalten ist. Einem Arnold Schwarzenegger kann man gleichzeitig sehr viel mehr Impfungen geben als einem zarten jungen Mädchen mit einem dünnen Oberarm. Dieses Einhalten der Abstände ist der einzige limitierende Faktor. Medizinisch gesehen ist es unbedenklich, ob zwei, drei oder vier Impfungen an einem Tag verabreicht werden.
Was ist der Unterschied zwischen "vorgeschriebenen" und "empfohlenen" Impfungen?
"Sie bekommen meistens beim Buchen der Reise die beruhigende Aussage, dass eh keine Impfungen vorgeschrieben seien und nehmen damit mit, dass man auch keine braucht", sagt Hollenstein. Aber vorgeschrieben sei - wie bei Gelbfieber - nur etwas, womit das Land sich schütze, "was mit den Bedürfnissen und der Sicherheit der Reisenden gar nichts zu tun hat". Die wirklich interessanten Dinge finden sich in der Liste der empfohlenen Impfungen, "und das ist von Land zu Land unterschiedlich. Und man sollte unbedingt darauf drängen, dass man diese Unterscheidung auch sprachlich macht und die Reisebüros so nicht versuchen, sich aus der Affäre zu ziehen. Mit dieser irreführenden Aussage werden viele dazu gebracht, dass sie glauben ich brauche überhaupt nicht impfen und muss mich auch nicht erkundigen", sagt Hollenstein.
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