Warum Österreich beim Impfen langsamer als andere Staaten ist
2.550 Neuinfektionen gab es von Dienstag auf Mittwoch. Auch wenn die Gründe für diesen deutlichen Anstieg gegenüber den Vortagen noch nicht ganz klar sind: „Das Niveau war auch davor relativ hoch und wir sind weit von einer 7-Tage-Inzidenz von 50 Fällen pro 100.000 Einwohner entfernt, die in Deutschland das Ziel ist“, sagt der Statistiker Erich Neuwirth. Deshalb sei es unbedingt notwendig, zu Silvester die Lockdown-Bestimmungen ernst zu nehmen: „Man sollte dem Virus nicht die Chance geben, sich in freier Wildbahn zu vermehren. Je weiter wir vor dem großflächigen Impfstart mit den Zahlen runterkommen, umso besser wäre das.“
Geringere Impfrate
6.000 Menschen haben in Österreich laut Gesundheitsministerium bisher eine erste Dosis des BioNTech/Pfizer-Impfstoffes erhalten. Bis zum Ende des ersten Quartals werden es in Summe 578.850 Personen sein. Viel ist das – im Vergleich mit anderen Staaten – nicht: In Israel etwa steht man zu Jahresende bei 650.000 Geimpften, bis Ende März will man eine Durchimpfung von 60 Prozent der knapp neun Millionen Einwohner erreichen. Großbritannien hat bisher 800.000 Menschen geimpft, im ersten Quartal sollen es 18 Prozent der Bevölkerung sein.
In Österreich liegt man dann bei 6,5 Prozent. Dass das an zu wenigen Bestellungen bei BioNTech liege – Israel hat etwa den bisher einzigen zugelassenen Impfstoff im großen Stil nachgeordert – verneint man im Gesundheitsministerium. Man habe mit der EU kürzlich eine Option gezogen, damit werde die Zahl der verfügbaren Impfdosen bis zum Sommer auf vier Millionen erhöht, in Summe hat man 5,5 Millionen Dosen geordert. Einen Sonderweg abseits der EU-Vereinbarung – wie etwa Deutschland ihn geht, das separat 30 Millionen nachbestellt hat – will man in Österreich jedenfalls nicht gehen, so das Ministerium.
Zugpferd AstraZeneca
Bedarf dafür gebe es keinen, weil man vor allem auf einen anderen Wirkstoff setze – jenen von AstraZeneca. Danach sei die Impfstrategie ausgerichtet worden, so das Ministerium. Großbritannien hat den Vektorimpfstoff von Uni Oxford und AstraZeneca am Mittwoch jetzt auch als erstes Land weltweit zugelassen. Argentinien war dann am Mittwochabend das zweite Land, das diesen Schritt setzte - so wie Großbritannien mit einer Notfallregistrierung.
Nur: Bis dieser auch bei uns einsetzbar ist, werden noch viele Wochen, vielleicht sogar Monate vergehen – im Jänner wird die EU ihn nicht mehr lizenzieren, möglicherweise kommt er erst im zweiten Quartal zum Einsatz. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat von dem Pharmakonzern AstraZeneca zusätzliche Informationen zu seinem bereits in Großbritannien zugelassenen Corona-Impfstoff angefordert.
Das letzte Paket zu klinischen Daten habe die Behörde am 21. Dezember erhalten und werde aktuell bewertet, berichtete die EMA am Mittwoch. Im Gegensatz zu Großbritannien mit einer Notfallszulassung arbeite man in der EU an bedingten Zulassungen für Corona-Impfstoffe, mit all den damit verbundenen Kontrollen und Verpflichtungen.
In den USA werde der Impfstoff, wenn alles gut laufe, voraussichtlich irgendwann im April eine Notfallzulassung erhalten, sagte Moncef Slaoui, der Leiter der Operation Warp Speed, die die Entwicklung um einen Impfstoff in den USA antreibt und überwacht.
So gibt es Fragen bezüglich der Wirksamkeit: Die lag bei diesem Präparat zwischen 62 Prozent (zwei volle Dosen) und 90 Prozent (nur eine Dosis in einer kleinen Subgruppe von 3.000 Personen, meist jünger als 55). Die britische Aufsichtsbehörde MHRA gibt die Wirksamkeit mit 70 bis 80 Prozent nach einer Dosis an. Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer kann hingegen 95 Prozent der Erkrankungen verhindern.
Ist damit der Impfstoff, auf den Österreich setzt, schlechter?
„Nein“, sagt die Virologin Christina Nicolodi: „Erstens fehlen uns noch endgültige Daten, auch über die genaue Wirksamkeit in unterschiedlichen Altersgruppen.“ Man dürfe auch nicht nur auf diese eine Zahl schauen: „Man muss etwa auch bewerten, wie die Reaktion des Immunsystems aussieht. Und möglicherweise sind die nicht verhinderten Erkrankungen sehr stark abgeschwächt. Es kann dann sein, dass in der täglichen Praxis der Unterschied zwischen den Impfstoffen gar nicht so groß ist.“
Bei diesem Präparat gebe es überdies aus Tierversuchen sehr gute Daten, die zeigen, dass der Impfstoff bis zu einem gewissen Grad auch in der Lage sein könnte, Ansteckungen zu verhindern. Ein weiterer Punkt: Er kann bei Kühlschranktemperaturen von plus zwei bis plus acht Grad gelagert werden. Das betont auch das Ministerium: „Der Vorteil des Impfstoffes von AstraZeneca ist, dass man im Vergleich zu den mRNA-Impfstoffen in kürzerer Zeit mehr herstellen kann. Zudem ist die Logistik der Verteilung einfacher, weil er nicht so stark gekühlt werden muss. Das sind beides wichtige Kriterien.“
In der Schweiz sorgte der Tod einer 91-jährigen Person fünf Tage nach der Impfung mit dem Präparat von BioNTech/Pfizer für Aufregung. Mittwochabend kam die Entwarnung: Die Person litt an schweren Vorerkrankungen, ein Zusammenhang zwischen ihrem Tod und der Impfung ist laut Institut Swissmedic „höchst unwahrscheinlich“.
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