Geruchsverlust nach Covid-19: Forscher sind Ursachen auf der Spur
In den ersten beiden Pandemiejahren war es eines der beherrschenden Themen: Der Geschmacks- und Geruchsverlust nach einer Covid-19-Infektion. Zwar scheint bei Omikron die Zahl der Betroffenen geringer zu sein, aber immer mehr zeigt sich, dass viele Patientinnen und Patienten aus den ersten Corona-Wellen langfristig von diesen Beschwerden betroffen sind.
Für eine große US-Studie wurden die Daten von 616.318 Menschen in den USA ausgewertet, die Covid-19 hatten. Da gibt es zunächst eine gute Nachricht. Mit jeder neuen Variante des neuen Coronavirus ging die Wahrscheinlichkeit für einen Geruchs- und Geschmacksverlust zurück:
- Am größten war das Risiko bei der Ursprungsvariante des Virus.
- Bei der Alpha-Variante betrug die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zum Wildtyp 50 Prozent, bei Delta 44 Prozent und bei Omikron nur mehr 17 Prozent.
Langzeitfolgen
Das ist die erfreuliche Seite der neuen Erkenntnisse. Die weniger erfreuliche: Ein nicht unerheblicher Teil der Menschen, die zu Beginn der Pandemie von Geruchsverlust betroffen waren, haben heute, mehr als ein Jahr nach der Diagnose, immer noch Probleme.
Ebenfalls in den USA wurden für eine Studie 100 Personen, die an Geruchsverlust litten, mehr als ein Jahr nachbeobachtet: 46 Prozent von ihnen hatten nach einem Jahr noch immer Beschwerden, sieben Prozent hatten sogar noch einen vollständigen Geruchsverlust (Anosmie).
"Angesichts von mehr als 500 Millionen Covid-19-Fällen, die bisher weltweit bestätigt wurden, haben wahrscheinlich Millionen Menschen anhaltende Geruchsprobleme", schreibt das Wissenschaftsmagazin Nature.
Suche nach den Ursachen
Für viele dieser Menschen seien dringend neue, effektivere Therapien notwendig: "Einfache Dinge wie das Schmecken von Essen oder das Riechen an Blumen können emotionalen Stress auslösen", sagt Valentina Parma, eine auf Geruchsstörungen spezialisierte Psychologin vom "Monell Chemical Senses Center" in Philadelphia.
Die Wissenschaft ist auf der Suche nach den Ursache. Hier gibt es mehrere Theorien:
Zunächst ging man von einer Schädigung der Neuronen in der Epithelzellschicht (der äußersten Schicht) der oberen Atemwege aus. Laut neueren Daten sind es aber Stützzellen der oberen Atemwege, die geschädigt werden. Das führt zwar nicht zu einer Schädigung, aber zu einer Veränderung der Funktion der nahe gelegenen Nervenzellen, die die Geruchsempfindung an das Gehirn weitergeben.
Eine ganz neue Untersuchung der Columbia Universität in New York kam jetzt ebenfalls zu der Erkenntnis, dass die Nervenzellen intakt sind, sie aber weniger Rezeptoren haben, um Geschmacksmoleküle zu erkennen.
Warum der eine Geruchsverlust erleidet und der andere nicht, könnte an einer kürzlich entdeckten speziellen genetischen Mutation liegen: Sie führt zur Bildung von Proteinen, die Geruchsmoleküle aus der Nase entfernen, sobald diese entdeckt werden. Wie aber das Coronavirus mit diesen Genen interagiert und wie es diese Proteine offenbar aktiviert, ist noch ungeklärt.
Hinweise gibt es auch auf anhaltende Veränderungen in der Gehirnstruktur bei Menschen mit Geruchsverlust. 785 Personen in Großbritannien hatten in größerem zeitlichen Abstand zwei Gehirn-Scans. 400 erkrankten zwischen beiden Terminen an Covid-19. Bei diesen Personen konnten die Forscher verschiedene Veränderungen in der Gehirnstruktur wahrnehmen, darunter auch im Geruchszentrum.
Der Grund dafür ist nicht eindeutig geklärt, aber die fehlende Geruchsempfindung könnte eine Ursache sein. "Wenn die Nase weniger Input bekommt, baut das Gehirn ab", sagt die Genetikerin Danielle Redd vom Monell Center in Philadelphia.
Hoffnung auf neue Therapien
Hauptsächliche Therapie derzeit ist Geruchs-Training mit verschiedenen Düften. Allerdings: "Diese Methode scheint nur bei Menschen mit einem teilweisen Geruchsverlust zu funktionieren", sagt Reed.
Für die anderen ist man nach wie vor auf der Suche nach effektiven Therapien: Eine Hoffnung waren cortisonhaltige Nasensprays zur Entzündungslinderung.Von Covid-19 ausgelöste Entzündungen könnten zumindest ein Mitauslöser des Geruchsverlusts sein. Bisherige Studien zeigten aber keinen positiven Effekt.
Ein anderer Ansatz könnte eigenes, mit Blutplättchen (Thrombozyten) angereichertes Blutplasma sein, das von jeweiligen Patienten gewonnen wird. Kleine Studien zeigten bei einem Teil der Teilnehmer Verbesserungen des Geruchssinns, wenn das Plasma in die Nasen injiziert wurde. Bisher sind die Teilnehmerzahlen zu klein, größere Untersuchungen sind im Laufen. Eine weiterer Ansatz könnte Vitamin A sein, hier gibt es erste Hinweise auf eine gewisse Wirksamkeit bei anderen Formen des Geruchsverlusts.
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