Wagner: "Einzige Alternative ist Durchseuchung - zu hohem Preis"
Die Infektionszahlen steigen täglich auf neue Höchstwerte an. Knapp 12.000 Neuinfektionen wurden am Donnerstag gemeldet, 432 Menschen müssen auf Intensivstationen behandelt werden. Für den Mikrobiologen Michael Wagner sind diese Zahlen alarmierend. "Wenn nicht sehr schnell reagiert wird, kommt es zu einer massiven Durchseuchung der Kinder unter zwölf Jahren und aller anderen Ungeimpften in diesem Herbst und Winter. Das wird sehr viel vermeidbares Leid nach sich ziehen."
Viele Fehler wiederholt
Bereits im Frühsommer sei klar gewesen, dass wir im Herbst aufgrund der infektiöseren Deltavariante, der niedrigen Impfquote, der saisonalen Effekte und der nicht ausreichenden Maßnahmen eine starke Welle erleben würden, so Wagner zum KURIER. "Leider wollten dies viele nicht wahrhaben und es wurden letztlich viele Fehler des Sommers 2020 wiederholt. Das wäre vermeidbar gewesen."
Wie sich der Herbst weiterentwickelt, hänge von den verhängten Maßnahmen, vom Verhalten der Bevölkerung und von der Dunkelziffer der Genesenen ab. "Über einen kurzen Zeitraum hinaus ist die weitere Entwicklung nicht seriös vorhersagbar. Was immer klar war, ist jedoch, dass, solange die Impfquote so niedrig ist und die jüngeren Kinder nicht geimpft werden können, wir in diesem Herbst alleine schon aufgrund der hohen Infektiösität der Deltavariante und dem saisonalen Effekt in Österreich in massive Probleme laufen werden, wenn wir keine geeigneten Vorkehrungen treffen", betont Wagner.
Tests für Geimpfte und Ungeimpfte
Um die vierte Welle in den Griff zu bekommen, wären aus Wagners Sicht zwei Punkte wichtig:
- Dass sich möglichst viele Menschen impfen bzw. boostern lassen.
- Dass sich Geimpfte und Ungeimpfte konsequent mit PCR testen, bevor sie sich in öffentlichen Innenräumen mit anderen Menschen zusammentreffen.
Wagner: "Wir kommen aus dieser belastenden Situation erst heraus, wenn sich die allermeisten Menschen impfen lassen und auch für die jüngeren Kinder eine Impfung möglich ist. Die einzige Alternative ist eine Durchseuchung, zu einem absolut inakzeptablen hohen gesundheitlichen Preis."
Übertragung drinnen
Wagner selbst trägt in öffentlichen Innenräumen bis auf wenige Ausnahmen FFP2-Maske. "Mit einer korrekt getragenen FFP-2 Maske sehe ich etwa Kinobesuche nicht kritisch. Im Theater wäre es wichtig, dass sich alle Schauspielerinnen und Schauspieler regelmäßig mit PCR testen. Da man in Fitnessstudios und Schwimmbädern keine Masken tragen kann, meide ich diese."
An seinem Arbeitsplatz, dem Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemforschung an der Uni Wien, seien alle geimpft und dennoch testen Wagner und seine Kolleginnen und Kollegen sich dreimal pro Woche mit Gurgeln und PCR. "Aufgrund dieser regelmäßigen Testungen, die ich auch für den Schutz der Schulen vorgeschlagen habe, verzichten wir auf Masken, solange keine positiven Fälle auftreten. Sollte sich ein Mitarbeiter infizieren, werden wir für zehn Tage FFP2-Masken tragen und hochfrequente PCR-Testungen durchführen."
Ein Haupterkenntnis der Pandemie sei schließlich, dass das Virus über Aerosole übertragen wird und sich in Innenräumen über weite Strecken verteilen kann. Dadurch können sich auch Menschen anstecken, die von einer infizierten Person weit weg sitzen.
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