"Erstaunliche Daten": Impfung gegen Gehirntumore verlängert das Leben
Es ist eine vollkommen neuartige Therapie gegen bösartige Gehirntumore, die jetzt in einer Phase-3-Studie - der letzten Studie vor der möglichen Zulassung - einen großen Erfolg zeigt: Diese Therapieform könnte laut den Studienautoren das Leben mancher Patienten deutlich verlängern, im Schnitt zumindest aber um einige Monate. Allerdings gibt es am Aufbau der Studie heftige Kritik von externen Experten. Sie sehen keine ausreichend abgesicherte Datengrundlage für eine positive Auswirkung auf die Lebenserwartung.
Das Präparat DCVax der US-Firma Northwest Biotherapeutics ist eine komplett personalisierte Immuntherapie. Sie wird aus eigenen Immunzellen (dendritischen Zellen) und speziellen Merkmalen (Antigenen) des Tumors des Patienten innerhalb von acht Tagen produziert. Die mit den Abwehrzellen kombinierten Tumormerkmale (spezielle Proteine) helfen den Zellen den Tumor aufzuspüren und zu bekämpfen - fast so, wie wenn man einen Spürhund trainiert, etwas Bestimmtes zu erschnüffeln.
Studie zur Impfung gegen Gehirntumore begann vor 8 Jahren
Die einzelnen Dosen der Impfung werden eingefroren und können jederzeit für die Therapie abgerufen werden. Die Ergebnisse der bereits vor acht Jahren begonnenen Studie wurden jetzt in dem Fachmagazin Jama Oncology veröffentlicht. Beteiligte Mediziner bezeichnen die erreichte Lebensverlängerung als überraschend.
Das Glioblastom ist der häufigste bösartige Gehirntumor. Es entsteht aus den Stützzellen des Gehirns, kann überall im Gehirn auftreten und betrifft meist Menschen im Alter von 50–70 Jahren. Die Standardtherapie ist eine Kombination aus einer Operation mit einer Bestrahlung und Chemotherapie.
"Die gesamten Studienresultate sind erstaunlich", zitiert die britische Zeitung The Guardian den Neurochirurgen Keyoumars Ashkan vom King´s College Spital in London. Er hat in Europa die Studie geleitet. "Sie bedeuten eine neue Hoffnung für Patienten mit einem Glioblastom."
Es habe sich gezeigt, dass durch die Therapie das Leben verlängert wird, "interessanterweise auch bei den Patienten, die eine schlechtere Prognose haben", wie ältere Menschen, für die eine Operation keine Option mehr ist. Oder Patienten, die auf andere Therapien nicht mehr ansprechen.
Die zentralen Ergebnisse:
- Neu diagnostizierte Patienten, die den Impfstoff erhielten, lebten im Schnitt 19,3 Monate nach der Diagnose, im Vergleich zu 16,5 Monaten mit der bisherigen Standardtherapie. Das ist insoferne beachtlich, da die durchschnittliche Überlebensdauer bisher nur 15 bis 17 Monate betrug.
- Bei einem nach einer ersten konventionellen Therapie wiederaufgetretenem Glioblastom stieg die durchschnittliche Lebenserwartung mit der neuen Therapie auf 13,2 Monate, im Vergleich zu 7,8 Monaten ohne diese Behandlung ab dem Wiederauftreten des Tumors.
- Immerhin 13 Prozent jener Studienteilnehmer, die mit der neuen Therapie behandelt wurden, lebten mindestens fünf Jahre nach der Diagnose, im Vergleich zu 5,7 Prozent in der Kontrollgruppe. Einer überlebte acht Jahre, und The Guardian berichtet von einem namentlich genannten Patienten im Alter von 53 Jahren, dessen Therapie bereits sieben Jahre zurückliegt.
Wie der Impfstoff gegen Gehirntumore wirkt
In die Studie waren 331 Patienten eingeschlossen, 232 erhielten den neuen Impfstoff DCVax, 99 ein Placebo - allerdings wurde dieser ursprüngliche Studienaufbau im Laufe der Studie geändert, was etwa der österreichische Onkologe Matthias Preusser von der MedUni Wien und dem AKH Wien kritisiert. Mehr zu seiner Kritik lesen Sie hier:
An der Studie beteiligt waren 94 medizinische Zentren in vier Ländern (USA, Kanada, Vereinigtes Köngireich, Deutschland). Alle Patienten bekamen die derzeitige Standardtherapie aus einer Operation, Strahlen- und Chemotherapie. "Der Impfstoff stimuliert das Immunsystem im Kampf gegen den Tumor", sagt Neurochirurg Ashkan. "Es handelt sich um ein personalisiertes Konzept, das mit dem Immunsystem des Patienten arbeitet. Es ist das intelligenteste System, das wir derzeit kennen."
Noch ist die neue Therapie nicht zugelassen. Sollte sie aber den Zulassungsprozess erfolgreich durchlaufen, wäre es die erste neue Therapie seit der Einführung einer speziellen Chemotherapie im Jahr 2005.
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