Vierte Impfung gegen Covid: So gut schützt sie auch Krebspatienten
Krebspatientinnen und -patienten haben ein erhöhtes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung. Die nach Impfungen gebildete Menge an neutralisierenden Coronavirus-Varianten wie Delta oder Omikron ist geringer als bei Gesunden. „Umso erfreulicher ist das Ergebnis unserer jüngsten Studie zur vierten Impfung bei Krebspatientinnen und -patienten“, sagt der Onkologe Matthias Preusser, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie der MedUni Wien, zum KURIER.
Die Studie wurde im Top-Journal JAMA Oncology veröffentlicht. Die Arbeit, an der mehrere Abteilungen der MedUni Wien sowie das Krankenhaus „Franz Tappeiner“ in Meran in Südtirol beteiligt waren, zeigte eine hohe Schutzwirkung der vierten Impfung auch bei Krebspatienten. 72 Patientinnen und Patienten (Durchschnittsalter: 74 Jahre) mit verschiedenen Tumorarten nahmen daran teil. Alle waren drei Mal geimpft.
54 erhielten eine vierte Impfung mit einem der noch nicht an eine Omikron-Subvariante angepassten Impfstoffe. 18 erhielten ein Kombinationspräparat aus zwei Antikörpern, das Risikopersonen vorbeugend gegeben werden kann, um ihren Immunschutz zu erhöhen. Dies ist eine Option für Menschen, bei denen aufgrund ihrer Grunderkrankungen bzw. ihrer Therapien dagegen mit einem schlechten Ansprechen der Impfung gerechnet wird (weil die Therapien das Immunsystem schwächen).
Zentrales Ergebnis der Studie: „Der vierte Stich führte in einem deutlichen Ausmaß zu einer Steigerung der Immunabwehr“, sagt Preusser. Die Forscher konnten nachweisen, dass speziell der Spiegel jener Antikörper stark anstieg, die ganz spezifisch jene Stelle des Spike-Proteins erkennen und an diese binden, mit der das Virus an menschliche Zellen andockt. Dabei handelt es sich um die sogenannte Rezeptorbindungsdomäne (RBD). Je mehr speziell von diesen Antikörpern vorhanden sind, umso stärker wird das Eindringen des Virus in die Zellen behindert.
Gleichzeitig untersuchten die Wissenschafter aber auch, wie gut das Blutserum der Probanden im Labor das Andocken des Virus an Zellen blockieren – „inhibieren“ – kann. Preusser: „Nach der vierten Impfung können deutlich weniger Viren an die Zellen binden und sie infizieren.“ Diese Hemmung der Bindungsfähigkeit war nach der vierten Impfung um bis zu 60 Prozent verstärkt. „Das kann den Unterschied ausmachen zwischen einem schweren und einem leichten Krankheitsverlauf.“
Eine Hemmung der Virusaktivität zeigte sich auch bei den Patientinnen und Patienten mit bestimmten Formen von Leukämien und Lymphomen, die eine Therapie gegen bösartige B-Zellen erhielten – jene Zellen, die Antikörper gegen Covid-19 bilden.
Schlechter war der Effekt der vorbeugend verabreichten Antikörperkombination: „Laut unseren Daten werden dadurch die Omikron-Subvarianten BA.1 und BA.4 nicht ausreichend blockiert.“ Die Daten zur vierten Impfung seien hingegen insgesamt sehr ermutigend, betont Preusser: „Dabei hat es sich ja noch gar nicht um einen der an Omikron angepassten Impfstoffe gehandelt. Mit diesen ist ein mindestens genauso guter – wenn nicht sogar noch besserer – Schutz zu erwarten.“
Unklar sei, wie lange die Schutzwirkung anhalte: Risikopersonen wie Krebspatientinnen und -patienten empfiehlt das Nationale Impfgremium deshalb ab vier Monaten nach der vierten eine weitere, fünfte, Impfung.
Schwere Covid-Verläufe selten geworden
Die Krebspatientinnen und Krebspatienten, die an der Klinischen Abteilung für Onkologie der MedUni Wien betreut werden, seien zu mehr als 80 Prozent vollständig geimpft, berichtet Preusser. „Schwere Covid-Verläufe sind dadurch sehr selten geworden“, sagt Preusser, genauso wie bei unserem Personal, das zu mehr als 90 Prozent geimpft sei. „Wir empfehlen unseren Patienten aber nicht nur die vierte Impfung (ab vier Monaten nach der 3. Impfung laut Impfgremium empfohlen), sondern auch weiterhin den Mund-Nasen-Schutz in Innenräumen.“
Generell sollte man alles tun, um Infektionen zu vermeiden, sagt Preusser: „Für Krebspatienten gilt das ganz besonders. Nicht nur wegen der verstärkten Gefahr für schwere Erkrankungen. Bei ihnen können auch leichte Verläufe problematische Folgen haben.“ Denn es kann dadurch zur Verschiebung ihrer Krebstherapien kommen: „Es kann ein paar Wochen dauern, bis die Betroffenen wieder genesen sind. Eine derart lange Therapieunterbrechung kann aber bereits kritisch sein, was den Krankheitsverlauf betrifft. „Deshalb sind diese Menschen auch darauf angewiesen, dass die Menschen in ihrer Umgebung achtsam sind und versuchen, Infektionen zu vermeiden bzw. rasch zu erkennen.“ Neben der Impfung sei deshalb auch weiterhin ein Bewusstsein für allgemeine Hygienemaßnahmen und das Tragen von Masken notwendig.
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