Was spielt hier konkret eine Rolle?
Im Einzelfall ist es schwierig, nachzuvollziehen, was für eine Infektion trotz Impfung ausschlaggebend war. "Es ist davon auszugehen, dass die Virusmenge, die das infizierte Gegenüber ausscheidet, eine gewisse Rolle spielt", sagt Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der MedUni Wien. Inzwischen zirkuliere die Delta-Variante in Österreich: "Und wir wissen, dass diese Variante von SARS-CoV-2 deutlich ansteckender ist." Das bestätigt Széll, der darauf hinweist, dass es bei der Delta-Variante bei zweimalig Geimpften häufiger zu asymptomatischen und leichteren Infektionsverläufen komme. Eine neue Studie der Uniklinik Köln zeigt unterdessen, dass länger anhaltende Beschwerden auch nach milden Verläufen teils möglich sind. Erkrankungen nach einer Covid-Schutzimpfung gebe es laut Széll vor allem in Risikopopulationen: "Etwa bei Menschen, die wegen einer Autoimmunerkrankungen oder Immunsuppression weniger gut darauf ansprechen. Junge, gesunde Menschen haben mit der Impfung aber ein geringes Risiko schwer zu erkranken."
Im Cluster im U-Ausschuss wurden auch teilweise geimpfte Personen infiziert. Manche Menschen könnten daraus ableiten, dass die Impfung nichts bringt. Stimmt das?
"Die Impfung bringt sehr viel, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen schwere Verläufe schützt", betont Puchhammer-Stöckl. Bei einer hohen Durchimpfungsrate würde infolge unser Gesundheitssystem nicht erneut durch einen Anstieg der Hospitalisierungen extrem belastet. "Das ist ja eigentlich das Relevante in der Bekämpfung der Pandemie", sagt die Virologin. "Wenn eine Infektion nur mehr einen Schnupfen oder andere leichte respiratorische Symptome beim Einzelnen auslöst, ist das nicht weiter bedrohlich. Es sind die schweren und krankenhauspflichtigen Infektionsverläufe, die es zu verhindern gilt. Und das tun die zugelassenen Impfstoffe."
Wie ist es, wenn Geimpfte zusammentreffen?
Geimpfte sind in geringerem Ausmaß Virusüberträger, zeigen Studien. Puchhammer-Stöckl: "Geimpfte scheiden das Virus auch weniger lange aus." In der aktuellen US-Studie konnte das Virus bei Geimpften im Schnitt 2,7 Tage nachgewiesen werden. Der Vergleichswert bei Ungeimpften betrug 8,9 Tage. Széll stimmt zu: "Begegnen sich zwei Geimpfte, besteht so eine viel geringere Wahrscheinlichkeit, dass sie sich anstecken." Er spricht sich weiterhin für mehrere Schutzmechanismen aus, um Cluster zu verhindern: "Wenn alle, die zusammenkommen, zweimal geimpft sind, Maske tragen, statt einem Antigentest einen PCR-Test gemacht haben und das Treffen im Freien stattfindet, sind das viele Schichten, die sehr gut schützen."
Warum ist man kürzer infektiös als geimpfte Person?
"Man verfügt als geimpfter oder auch genesener Mensch über einen immunologischen Schutz, der schon da ist, bevor einen das Virus trifft", sagt Puchhammer-Stöckl. Wird man infiziert, trifft das Virus auf eine schon bestehende Immunantwort im Organismus des Menschen, die bereit ist, sich dem Erreger sofort entgegenzustellen. "Die rasche, spezifisch auf SARS-CoV-2 abgestimmte Interaktion zwischen Virus und dem Immunsystem führt dazu, dass das Virus schneller beseitigt wird und hemmt die Ausbreitung im Körper. Damit werden schwere gesundheitliche Schäden verhindert." Bei Personen, die nicht geimpft oder genesen sind, springt das Immunsystem wesentlich langsamer an, "weil es das Virus erst neu erkennen muss, hochfahren muss und erst dann effizient einschreiten kann, um die Virusvermehrung einzudämmen".
Kann man jede Ansteckung durch Sequenzierungen nachverfolgen?
Ja, über das Genom des Virus lässt sich feststellen, wer wen infiziert hat. Die AGES sequenziert größere Cluster, um Infektionswege abzuklären. "Allerdings zirkuliert Delta schon breit in der Bevölkerung", gibt Puchhammer-Stöckl zu bedenken. "Zu beweisen, von wem genau das Virus gekommen ist, ist extrem aufwendig und wenig sinnvoll."
Wie relevant bleibt Contact Tracing?
"Es macht Sinn, das Contact Tracing weiterhin aufrechtzuerhalten, um einen Überblick über das Virusgeschehen zu behalten", sagt Puchhammer-Stöckl. Auch deshalb, weil es vulnerable Menschen gebe, "die besonders geschützt werden müssen".
Ab einem Ct-Wert von 30 gilt man als nicht mehr infektiös. Ändert die Delta-Mutante etwas an diesem Schwellenwert?
Dazu gibt es noch nicht genügend Daten. Am Anfang einer Infektion, wenn die Virusvermehrung beginnt, kann der Ct-Wert laut Fachleuten jedenfalls ein ganz anderer sein, als wenn sich das Virus schon im Körper vermehrt hat. Klar ist damit, dass die Viruslast auch innerhalb eines Tages schnell ansteigen kann.
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