Die Psychologin fände Belohnungssysteme für Geimpfte, wie sie bereits in einigen Ländern zum Einsatz kommen, gut. In Griechenland erhalten etwa junge Erwachsene im Alter von 18 bis 25 Jahren eine Bezahlkarte im Wert von 150 Euro für ihre Erstimpfung. Sie kann für Hotelbuchungen, Fähr- und Flugtickets sowie Konzerte und Museumsbesuche genutzt werden. Auch in den USA gibt es spezielle Aktionen, um Menschen für die Impfung zu motivieren. In Los Angeles wurden Dauerkarten für ein Baseball-Team verlost, in einigen Staaten gibt es gar Bargeldlotterien mit hohen Gewinnen für diejenigen, die geimpft wurden.
Kuriose Impf-Präsente
Im US-Bundesstaat Ohio wurde bereits dreimal je eine Million US-Dollar unter Geimpften verlost – initiiert von Ohios Gouverneur Mike DeWine, der die frohe Botschaft persönlich überbringt. Unter 12- bis 17-Jährigen werden in einigen US-Staaten regelmäßig College-Stipendien verlost. In Kanada erwarten Geimpfte ebenfalls hohe Gewinne: In Alberta findet monatlich eine Lotterie statt – Hauptpreis ist eine Million Kanadische Dollar. Außerdem werden Hunderte weitere Preise, darunter Urlaubsreisen oder Eintritte für Veranstaltungen vergeben.
In Indonesien freut sich die ältere Bevölkerung über Hühner als Impfbelohnung, anderswo werden Eier und Eiscreme (China), Autos und Eigentumswohnungen (Russland) oder Joints (New York) für Frischgeimpfte ausgegeben.
Reizvoller Pikser
Ulrike Schiesser meint, dass es auch eine Schnitzelsemmel unmittelbar nach der Impfung tun würde – hier sind die Amerikaner Vorreiter, Impflinge erwarten nach der Impfung mancherorts Hamburger und Freibier. „Wir sind spielerische Wesen und haben gerne Belohnungen. Natürlich spricht die Lotterie nicht Impfskeptiker an, sondern eher jene, denen es bisher zu unbequem war oder die meinen, dass sie die Impfung nicht brauchen in ihrem Alltag.“ Ihnen durch eine kleine Belohnung ein gutes Gefühl zu vermitteln, sei zielführender als zu versuchen, sie mit Fakten aufzuklären.
Von einer Impfpflicht rät sie ab. „Zum aktuellen Zeitpunkt wäre das kontraproduktiv. Damit wird bei jenen, die noch überzeugbar wären, der Widerstandsgeist geweckt.“ Besser sei es, den Alltag unbequemer zu machen, indem beispielsweise Fluglinien nur geimpfte Passagiere mitnehmen. „Manche haben gar keine intensive Meinung gegen das Impfen, sie sehen einfach keinen Nutzen für sich. Wenn sie aber nicht verreisen können, lassen sie sich halt impfen“, so Schiesser.
Barrieren abbauen
Damit Menschen ein Impfangebot annehmen, brauche es Vertrauen in die Sicherheit und Effektivität der Impfung sowie einen geringen Aufwand. „Je weniger Barrieren es zwischen Person und Impfung gibt, desto besser. Wichtig ist auch, dass wir uns mehr auf die Vorteile der Impfung fokussieren und weniger auf die seltenen Risiken“, betont Schiesser. Ähnlich wie bei einem Autokauf entscheiden sich Menschen weniger auf Basis von Fakten als auf Basis von Emotionen. Das führt dazu, dass Risiken falsch eingeschätzt werden, so wird etwa der gefürchtete Flugzeugabsturz als häufiger eingeschätzt als ein Autounfall. In Bezug auf die Impfung heißt das, dass die Häufigkeit seltener Nebenwirkungen viel größer bewertet wird, als sie eigentlich ist. Hört man oft von diesen Nebenwirkungen, wird dieser Effekt verstärkt. „Vertrautes, das wir oft hören, erscheint uns zudem automatisch wahrer“, erklärt Schiesser.
Das gelte auch für Berichte von vermeintlichen Nebenwirkungen, selbst wenn diese völlig haltlos sind, etwa, dass jemand nach einer Impfung eine Allergie entwickelt hätte. „Menschliche Entscheidungen basieren auf irrationalen Denkprozessen. Das macht es so schwierig, Informationen zu vermitteln. Man muss sie emotional erreichen und den Zugang zur Impfung erleichtern.“
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