Wie geht es mit der Pandemie weiter? Sechs Corona-Experten antworten
Durch die neuen Lockerungen steht aus jetziger Sicht ein relativ entspannter Sommer bevor. Allerdings zeigt ein Blick nach Großbritannien und Israel, dass auch relativ hohe Impfraten nicht verhindern können, dass die Infektionszahlen wieder rasch ansteigen. Droht uns also aufgrund der Delta-Variante eine vierte Welle? Wie wird es mit der Pandemie weitergehen? Fünf Corona-Experten und eine -Expertin geben Antworten auf sieben Fragen zum Sommer und Herbst sowie wie Sie privat die nächsten Monate verbringen werden, ob sie etwa in Restaurants, Theater und Schwimmbäder gehen oder ins Ausland fahren.
Der KURIER hat bei Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, Epidemiologin Eva Schernhammer, Impfexperten Marton Széll, Epidemiologen Gerald Gartlehner, Mikrobiologen Michael Wagner und Infektiologen Heinz Burgmann nachgefragt.
Wie wird es mit der Pandemie im Sommer und Herbst weitergehen?
Hans-Peter Hutter: Den Sommer sehe ich soweit problemlos. Die Zeit können wir nun zur Erholung mit Hirn nützen. Infektiösere Varianten sind in einigen Ländern auf dem Vormarsch und wir müssen darauf achten, dass wir nicht in dieses Fahrwasser geraten. Im Herbst ist dann mit Problemen zu rechnen, wenn es nicht gelingt, die jetzige Öffnungseuphorie zu bremsen.
Eva Schernhammer: Die Zahlen werden überschaubar niedrig bleiben, bis auf einige regionale Cluster vorwiegend in Gruppen von Nicht-Geimpften.
Gerald Gartlehner: Ich glaube, dass wir trotz Delta-Variante relativ gut durch den Sommer kommen werden. Eventuell kommt es zu einem Anstieg der Infektionszahlen, aber das Gesundheitssystem wird davon nicht belastet sein. Wie der Herbst verläuft, wird in erster Linie davon abhängen, wie hoch die Impfrate bis dahin ist. Es wird ganz sicher zu einem Anstieg der Infektionen und Krankenhausaufenthalte kommen, aber es wird nicht mehr mit der Heftigkeit sein, die wir letzten Herbst erlebt haben. Ich rechne mit keinem Lockdown mehr im Herbst.
Marton Széll: Momentan sind die Fallzahlen in Österreich sehr niedrig, sie werden sicher wieder ansteigen, wann und in welchem Ausmaß ist schwer zu prognostizieren. Spätestens im Herbst ist mit einer Zunahme zu rechnen, inwieweit die neue Deltavariante dies beschleunigen wird, ist noch unklar.
Heinz Burgmann: Je freizügiger das Verhalten der Bevölkerung ist, desto mehr laufen wir Gefahr in eine neuerliche Welle zu kommen. Derzeit sind noch zu wenige immunisiert. Man sieht auch, dass im Moment die 15- bis 25-Jährigen die größte Gruppe der Infizierten ist. Das ist auch der Teil der Bevölkerung, der noch nicht so viel geimpft wird.
Michael Wagner: Die Delta-Variante wird über den Sommer dominant in Österreich werden, wie jetzt bereits in Israel und England – beide mit hohen Impfquoten. Dies wird vor allem Kinder betreffen. Durch Impfverweigerer kann ein echtes Problem erwachsen.
Rechnen Sie mit einer vierten Welle im Herbst?
Hans-Peter Hutter: Ein Anstieg der Infektionen ist wahrscheinlich. Wie stark hängt davon ab, ob bewährte Schutzmaßnahmen aufrecht bleiben. Es muss einen Weg zwischen Vergnügen und Vorsicht geben.
Eva Schernhammer: Nein, nicht in der Form wie wir die ersten drei Wellen kennengelernt haben. Es mag zu einem Anstieg an Neuinfektionen kommen, dank des Impffortschrittes in Österreich wird dieser aber weder mit einer Erhöhung der Mortalität noch mit einer Überfüllung der Intensivstationen verbunden sein. Die Dinge könnten natürlich anders gelagert sein, sollte im Laufe der kommenden Monate eine neue SARS-CoV-2-Variante auftauchen, auf die unsere gegenwärtigen Impfungen nicht ansprechen.
Gerald Gartlehner: Eine kleine Welle wird kommen, vor allem bei den Ungeimpften. Wie groß sie ausfällt, wird davon abhängen, wie viele Personen dann tatsächlich ungeimpft sind.
Marton Széll: Ja, das ist sehr wahrscheinlich. Ob man dazu dann „vierte Welle der Pandemie“ sagen wird oder ob es die erste normale saisonale Welle dieses Coronavirus sein wird, ist noch offen.
Heinz Burgmann: Ja, die Delta-Variante nimmt immer mehr zu. Auf der anderen Seite werden Maßnahmen immer mehr gelockert. Letztes Jahr hat gezeigt, was dann passiert. In Großbritannien sehen wir auch jetzt einen exponentiellen Anstieg, ebenso in Israel. Es ist noch nicht vorbei. Es ist nicht Zeit für Leichtsinn.
Michael Wagner: Aufgrund des saisonalen Effekts und den vielen Ungeimpften, rechne ich mit einer deutlichen Welle, die vermutlich wieder eine Verschärfung mancher Maßnahmen erfordert.
Was sollte jetzt gemacht werden, damit uns im Herbst nicht erneut Lockdowns drohen?
Hans-Peter Hutter: Nicht dieselben Fehler machen wie vorigen Sommer. Masken in Öffis und Supermärkten sollten beibehalten sowie der Rückreiseverkehr deutlich mehr kontrolliert werden. Auch wichtig: Rasches Weiterimpfen und eine fundierte Teststrategie. Einen harten Lockdown im Herbst sehe ich nicht.
Eva Schernhammer: Bei derzeitiger Ausgangslage werden keine großflächigen Lockdowns drohen. Lokale Maßnahmen wird man vorübergehend dort setzen, wo Cluster von Neuinfektionen auftreten.
Gerald Gartlehner: Da hilft nur eines: Impfen, Impfen, Impfen!
Marton Széll: Das, was jetzt absoluten Vorrang hat, ist die rasche Durchimpfung. Nur so können wir die Ausbreitung des Virus einbremsen ohne wieder unliebsame Maßnahmen einführen zu müssen.
Heinz Burgmann: Die wichtigste Maßnahme ist Impfen. Ich glaube nicht, dass großflächige Lockdowns notwendig sein werden, aber lokal kann es zu deutlichen Einschränkungen kommen.
Michael Wagner: Wichtig wäre konsequentes Contact Tracing, umfassende PCR-Testungen aller Reiserückkehrer und die Möglichkeit für alle, sich im Herbst und Winter kostenlos und einfach PCR-testen zu können.
Wie werden Sie Ihren Urlaub verbringen? Fahren Sie ins Ausland?
Hans-Peter Hutter: Ja, ich werde ans Meer fahren. Verhalten und Umsicht sind personen- und nicht ortsgebunden.
Eva Schernhammer: Ja, in die USA, aus beruflichen Gründen.
Gerald Gartlehner: Ich war mit meiner Frau schon eine Woche auf einer griechischen Insel auf Urlaub. Griechenland hat auf den Inseln schon fast alle Bewohnerinnen und Bewohner geimpft, dadurch ist es sehr sicher.
Marton Széll: Meine Frau und ich werden eine Woche in Griechenland verbringen, und ansonsten in Österreich unterwegs sein. Fernreisen sind uns im Moment zu beschwerlich und unsicher.
Heinz Burgmann: Ich bleibe in Österreich. Ins Ausland zu fahren, ist mir derzeit noch zu unsicher.
Michael Wagner: Ich werde den Großteil des Urlaubs in Österreich verbringen. Möglicherweise fahre ich beruflich nach Dänemark.
Gehen Sie jetzt und im Sommer in Schwimmbäder oder Restaurants?
Hans-Peter Hutter: Selbstverständlich bin ich mit meiner Familie oft in unseren tollen Freibädern. Im Übrigen halte ich mich gerne in Cafés auf.
Eva Schernhammer: Sicher. Schwimmen gehe ich aber sowieso lieber in den österreichischen Seen und Essen gehe ich sehr selten, aber wenn, dann mit Freude und ohne Bedenken.
Gerald Gartlehner: Ich bin selbst schon voll geimpft, darum gehe ich auch wieder in Schwimmbäder schwimmen und ins Restaurant.
Marton Széll: Angesichts der niedrigen Fallzahlen spricht nichts dagegen. Speziell outdoor herrscht derzeit kaum eine Gefahr sich zu infizieren.
Heinz Burgmann: Ja, natürlich. Es gibt ja entsprechende Sicherheitskonzepte. Die müssen einhalten werden. Testen ist für mich eine sehr wichtige Maßnahme. Nur so können wir das Infektionsgeschehen überwachen und frühzeitig gegensteuern.
Michael Wagner: Seitdem ich doppelt geimpft bin, besuche ich Restaurants im Außenbereich. Innen verzichte ich darauf, bis alle, die es möchten, geimpft werden konnten. Schwimmen gehe ich – unabhängig von der Pandemie – lieber in Seen.
Besuchen Sie ein Fitnessstudio, das Kino oder Theater?
Hans-Peter Hutter: Als Fitnessstudio nutze ich derzeit Outdoorlocations wie Skateparks und die Praterhauptallee. Theaterbesuche hebe ich mir vorbehaltlich von Präventionskonzepten für Herbst auf.
Eva Schernhammer: Im Sommer bin ich viel lieber im Freien als in Fitnessstudios sportlich aktiv. Ich habe vor, Outdoor-Konzerte zu besuchen, so es möglich ist, ins Innere wie Theater oder Kino zieht es mich im Sommer wenig.
Gerald Gartlehner: Absolut, ich fühle mich dort sicher.
Marton Széll: Ich werde in den nächsten Wochen sicher bei Schlechtwetter in ein Fitnessstudio gehen, dort aber auf ausreichende Lüftung und Abstand zu anderen achten.
Heinz Burgmann: Ja, unter Einhaltung von Sicherheitskonzepten.
Michael Wagner: Nein. Das werde ich erst wieder machen, wenn allen Personen in der Bevölkerung, auch Kindern, ein Impfangebot gemacht werden konnte.
Treffen Sie im Sommer wieder Familienmitglieder oder nehmen an größeren Feierlichkeiten teil?
Hans-Peter Hutter: Nein, es sind keine Festivitäten geplant.
Eva Schernhammer: Definitiv.
Gerald Gartlehner: Es sind keine Hochzeiten oder größeren Geburtstagsfeiern geplant, aber falls, würde ich teilnehmen.
Marton Széll: Da in meiner Familie bereits so gut wie alle geimpft sind, steht Familienfeiern nichts im Weg.
Heinz Burgmann: Ja. An zu großen Feierlichkeiten nehme ich aber nicht teil.
Michael Wagner: Bis auf Kinder unter 12 Jahren sind alle doppelt geimpft, sodass wir uns wieder treffen. Größere Feiern besuche ich nur im Freien.
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