Nicht vorbehaltlos
Man hatte auf im Fachmagazin The Lancet veröffentlichte Studienergebnisse reagiert: Bei der Kombination von zuerst Astra Zeneca und danach Biontech/Pfizer war die mittlere Antikörperkonzentration bei 463 Probanden um das 9,2-Fache höher als bei der zweifachen Impfung mit Astra Zeneca. Auch in einer Untersuchung zur Wirksamkeit der Abwehrzellen (T-Zellen) war die stärkste T-Zell-Antwort bei der Kombination von Astra Zeneca (zuerst) mit Biontech/Pfizer (Zweitimpfung) gegeben. Der Vektorimpfstoff von Astra Zeneca löst eine stärkere Bildung von T-Zellen aus, der mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer eine stärkere Bildung von Antikörpern. Eine Kombination führt daher womöglich zu einer besonders starken Immunantwort.
"Die STIKO empfiehlt derzeit etwas, was in der Zulassung der Impfstoffe so nicht enthalten ist", gibt Herwig Kollaritsch, Impfexperte und Mitglied des NIG, zu bedenken. "Man begibt sich damit ganz klar in den Bereich der Off-Label-Anwendung." Das bedeutet, dass die Impfstoffe außerhalb des durch die Arzneimittelbehörde zugelassenen Gebrauchs Verwendung finden. Damit bewege man sich laut Kollaritsch rechtlich in einem anderen Umfeld: "Zum einen besteht eine erhöhte Aufklärungspflicht. Es muss sichergestellt sein, dass der Patient wirklich alle Risiken versteht. Zum anderen trägt der impfende Arzt die alleinige Verantwortung, die Hersteller und auch die Arzneimittelbehörde können sich hingegen der Verantwortung entziehen."
Das heißt laut Kollaritsch, der grundsätzlich ein großer Befürworter der Wahlfreiheit bei Corona-Impfstoffen ist, nicht, dass man eine Arznei niemals abseits seiner Zulassung verwenden dürfe – "das passiert bei vielen Präparaten. Es aber vorsätzlich zu machen, halte ich nicht für klug". Es gebe keine Notwendigkeit, das homologe Impfen "komplett über den Haufen zu werden". Das heimische Impfgremium habe sich daher entscheiden, heterologes Impfen nicht generell zu empfehlen, sondern nur dann, wenn eine "medizinische oder psychologische Notwendigkeit" besteht. Menschen, die aus Angst eine Folgeimpfung mit Astra Zeneca strikt ablehnen, könne man so zum Zweitstich motivieren.
Impfwillige aufklären
Als "einen Schritt in die richtige Richtung" bezeichnet der Rechtsanwalt und frühere SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim die neue Formulierung in den Anwendungsempfehlungen. Er vertritt mehrere Klienten, die eine Erstimpfung mit Astra Zeneca erhalten haben und sich jetzt mit einem mRNA-Impfstoff zweitimpfen lassen wollen. Die Information, dass ein Impfstoffwechsel auf eigenen Wunsch möglich sei, dürfe aber nicht Privilegierten vorbehalten sein, die von dieser neuen Möglichkeit bereits wissen: "Es wäre wichtig, dass eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung durchgeführt wird, damit alle Impfwilligen eine fundierte Entscheidung treffen können."
Auch Virologe Norbert Nowotny begrüßt die Entwicklungen: "Ich hoffe, dass die Möglichkeit auf Kreuzimpfungen bald auch abseits der medizinischen Notwendigkeit gegeben sein wird." Für den Virologen ist die Datenlage ausreichend, um heterologes Impfen zu empfehlen: "Gerade im Hinblick auf die massive Ausbreitung der Delta-Variante."
Antikörperspiegel vs. tatsächlicher Schutz
Das Argument, dass bei einer Folgeimpfung mit einem mRNA-Impfstoff mehr Antikörper gebildet werden, müsse laut Kollaritsch differenziert betrachtet werden: "Wichtig ist, dass man bei den Antikörpern nach einer Impfung im protektiven Bereich ist, dass der Geimpfte also gut gegen schwere Verläufe geschützt ist. Zwischen den konkreten Antikörperspiegeln im Blut und der tatsächlichen Schutzwirkung gibt es aber kein Korrelat. Mehr Antikörper heißt also nicht zwingend besserer Schutz."
Interessant: Der Hauptautor der Lancet-Antikörper-Studie, Mattew Snape von der Universität Oxford, tritt trotz der Erkenntnisse dafür ein, in erster Linie die zugelassenen Impfschemen einzuhalten, wie er in einem BBC-Interview bekräftige: "In erster Linie ist es besser, sich an jene Schemen zu halten, von denen wir eine belegte Wirksamkeit haben."
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