Drei Fallberichte: Pille von Pfizer als Therapie gegen Long Covid?
Bis zu 30 Prozent der Menschen, die sich mit SARS-CoV-2 infizierten, leiden unter Long Covid. Mehr als 200 Symptome wurden bisher mit dem Syndrom in Zusammenhang gebracht, am häufigsten sind Müdigkeit, Gedächtnisstörungen, Atembeschwerden und Erschöpfung schon nach geringer körperlicher Aktivität.
Bisher können nur die Symptome behandelt werden, eine Heilung gibt es nicht. Nun zeigen aber erste Hinweise, dass Paxlovid, ein Medikament von Pfizer, das ursprünglich zur Therapie von Covid-19 entwickelt wurde, auch bei Long Covid helfen könnte.
Selbstversuche einzelner Betroffener, darunter eine 37-jährige Forscherin, deren Fall sowie der Fall einer weiteren Frau veröffentlicht wurden, sowie die Beschreibung einer amerikanischen Autorin auf Twitter deuten darauf hin, dass die Einnahme der Tablette über mehrere Tage Symptome von Long Covid beenden kann.
Einer der Fallberichte beschreibt eine zuvor gesunde und geimpfte 47-jährige Frau, die sich im Sommer 2021 mit Covid-19 infizierte. Innerhalb von 48 Stunden verschwanden die meisten ihrer akuten Symptome, allerdings blieben Müdigkeit, Gehirnnebel, Erschöpfung nach dem Training, Schlaflosigkeit, Herzrasen und Körperschmerzen, die so stark waren, dass die Frau nicht mehr arbeiten konnte.
Besserung am dritten Tag nach Einnahme
Ungefähr sechs Monate nach ihrer Erstinfektion wurde sie erneut infiziert, viele ihrer akuten Symptome kehrten zurück. Ihr Arzt verschrieb ihr eine fünftägige Behandlung mit Paxlovid. Bereits am dritten Tag bemerkte die Frau eine rasche Besserung und zwar auch bei ihren Long Covid Symptomen.
"Sie ist wieder normal", sagte Linda Geng, Co-Direktorin der Long Covid-Klinik von Stanford Health Care und Autorin des Fallberichts.
Paxlovid hemmt die Virusvermehrung im Körper, wird oral eingenommen und ist ein Kombi-Präparat aus einem Wirkstoff, der speziell gegen Covid-19 entwickelt wurde (Nirmatrelvir) und einem älteren Wirkstoff aus der HIV-Therapie (Ritonavir). Letzterer kommt zum Einsatz, damit der neue Wirkstoff im Körper nicht zu rasch abgebaut wird. Nirmatrelvir stoppt die Vermehrung des Virus im Körper.
Dazu blockiert der Stoff einen bestimmten Baustein des Virus: ein Enzym, das dabei hilft, die Eiweißmoleküle des Erregers richtig anzuordnen. Das Enzym ist eine sogenannte Protease. Der Paxlovid-Wirkstoff wird daher auch Protease-Hemmer genannt. Ritonavir hat selbst in diesem Kontext keine antivirale Aktivität, schützt aber die wirksame Substanz Nirmatrelvir vor dem Abbau in der Leber.
Die Behandlung umfasst eine fünfteilige Packung: Zweimal täglich werden zwei 150-mg-Tabletten Nirmatrelvir eingenommen sowie eine 100-mg-Tablette Ritonavir.
Der zweite Fall betrifft die 37-jährige Immunologin Lavanya Visvabharathy, die in der Long-Covid-Klinik am Northwestern Medicine Forschungskrankenhaus in Chicago tätig ist. Sie hat sich im Dezember 2021 mit Covid-19 infiziert.
Ihre anfänglichen Symptome waren mild, aber vier Monate nach der Infektion litt sie unter chronischer Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Sie wurde auch bei Antigen-Schnelltests immer wieder positiv getestet.
Müdigkeit verschwunden
Aufgrund des ersten Fallberichts, den sie zuvor gelesen hatte, beschloss Visvabharathy eine Therapie mit Paxlovid zu versuchen. Gegen Ende der fünftägigen Einnahme hatten sich ihre Müdigkeit und Schlaflosigkeit gebessert, Kopfschmerzen traten seltener auf. Zwei Wochen nach der Behandlung war ihre Müdigkeit verschwunden. "Das ist zu 100 Prozent behoben", sagt sie.
Neben diesen beschriebenen Fallberichten gibt es auch einzelne Erzählungen von Betroffenen. So berichtet etwa die Autorin Alisa Lynn Valdes auf Twitter von Verbesserungen ihrer Long Covid-Symptome seit sie Paxlovid eingenommen hat.
Sie hatte sich zu Beginn der Pandemie mit Covid-19 infiziert und litt seither unter anderem an hohem Blutdruck. Sie schreibt, dass sie am Tag neun der Einnahme von Paxlovid wieder eine Spaziergang in den Bergen machen konnte, ohne erschöpft zu sein, ohne Herzrasen oder Schmerzen.
Studien fehlen
Kontrollierte klinische Studien fehlen allerdings bisher. Um zu beweisen, dass Paxlovid auch bei Long Covid hilfreich ist, brauche es diese aber, meint Immunologin Visvabharathy.
Steven Deeks, Medizinprofessor an der University of California in San Francisco betonte gegenüber Reuters, dass die Fallberichte ernst genommen werden sollten. "Dies ist ein wirklich starker Beweis dafür, dass wir die antivirale Therapie in diesem Zusammenhang so schnell wie möglich untersuchen müssen", sagte Deeks.
Laut dem Pharmaunternehmen Pfizer ist derzeit keine Long-Covid-Studie geplant. Paxlovid werde laut dem Unternehmen derzeit nur dahingehend untersucht, wie gut es eine anfängliche Infektion mit SARS-CoV-2 verhindern kann.
Zugelassen ist Paxlovid derzeit nur zur frühen Behandlung von Covid-19.
Kommentare