Vierte Corona-Impfung, Grüner Pass: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Warum wird jetzt noch keine vierte Corona-Schutzimpfung für alle empfohlen? Wie geht es mit dem Grünen Pass weiter? Und wie ist der Ausblick auf den Herbst? Rund um die neuesten Empfehlungen des Nationalen Impfgremiums gibt es viele Fragen - und Antworten.
Was hat das Nationale Impfgremium jetzt konkret empfohlen?
Personen ab 80 Jahren wird eine Auffrischungsimpfung (vierte Impfung) schon jetzt empfohlen, frühestens vier Monate nach dem dritten Stich. Dasselbe gilt für Menschen mit einem schwer beeinträchtigten Immunsystem, wie Transplantierte oder Chemotherapie-Patienten. Risikopersonen und Personen zwischen 65 und 79 Jahren kann frühestens ab 4 Monaten, in der Regel aber ab 6 Monaten nach der Grundimmunisierung nach ärztlicher Nutzen-Risiko-Abwägung eine Auffrischungsimpfung empfohlen werden. Für gesunde Personen von 12 bis 64 Jahren ist eine Auffrischungsimpfung derzeit nicht empfohlen.Den genauen Wortlaut der neuen Empfehlungen finden Sie hier.
Eine allgemeine Empfehlung für eine vierte Impfung sei nach aktuellem Wissensstand erst vor den voraussichtlich nächsten Infektionswellen im Spätsommer / Herbst 2022 zu erwarten.
Wieso wird erst ab 80 Jahren - ausgenommen Risikopersonen - eine 4. Impfung empfohlen?
Die dritte Impfung ist als Abschluss der Grundimmunisierung ein „echter Booster“ für das Immunsystem und ganz entscheidend für einen guten Schutz. „Es mehren sich die Daten, dass die dritte Impfung einen lang anhaltenden Schutz vermittelt“, sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch, Mitglied des Nationalen Impfgremiums (NIG). Die vierte Impfung hingegen ist „nur“ eine Auffrischung, nach der die Antikörpertiter wieder auf den Wert nach dem dritten Stich steigen – aber nicht höher. Und der Abfall scheint weniger rasch zu erfolgen als nach dem dritten Stich. Für Risikopersonen und Ältere ist eine vierte Impfung jetzt dennoch wichtig, weil bei ihnen der Schutz rascher zurückgeht als bei Jüngeren und Gesunden.
Eine israelische Studie mit Menschen über 60 Jahren hat ergeben, dass in den neun Wochen nach der vierten Impfung das Risiko für eine schwere Erkrankung im Vergleich zu Dreifachgeimpften um 73 Prozent zurückgegangen ist. Der Schutz vor Infektionen ging aber von 63 Prozent nach drei Wochen auf nur 29 Prozent nach zehn Wochen zurück.
Aber wäre es so gesehen nicht besser, jeder würde sich jetzt schon schützen?
"Wir sehen derzeit eine ganz generelle Impfmüdigkeit", sagt der Virologe Norbert Nowotny. "Selbst bei denen, die bisher brav zu den Impfungen gegangen sind. Die wollen sich auch nicht ein viertes und dann noch ein fünftes Mal impfen. Und wir erwarten ab Mai und über den ganzen Sommer hinweg kaum eine Viruszirkulation. Das heißt, jetzt ist eine Impfung für alle nicht unbedingt notwendig. Im Herbst und Winter werden wir sie hingegen sehr wohl benötigen."
Und wenn sich trotzdem jetzt jemand impfen lassen will, dem die Impfung nicht explizit empfohlen wurde?
Dann ist das durchaus möglich. In den neuen Empfehlungen heißt es wörtlich: "Auf persönlichen Wunsch kann jedoch eine Auffrischungsimpfung (4. Impfung) dennoch frühestens ab 4 Monaten, besser erst ab 6 Monaten nach der Grundimmunisierung (3. Impfung) verabreicht werden (off-label). Personen mit Impfwunsch sollte eine Auffrischungsimpfung (4. Impfung) nicht vorenthalten werden."
Was bedeuten die Empfehlungen für den Grünen Pass – für Geimpfte, Genesene?
Die Entscheidung, jetzt die vierte Impfung nicht für alle zu empfehlen, bedeutet, dass die Gültigkeit des Grünen Passes verlängert werden muss. Dies wird in der neuen Verordnung passieren, die das Gesundheitsministerium voraussichtlich morgen, Donnerstag, spätestens aber am Freitag vorlegen wird. Derzeit gilt der Grüne Pass für doppelt Geimpfte und für Genese 180 Tage, für dreifach oder öfter Geimpfte 270 Tage. Diskutiert wird eine Verlängerung für Dreifachgeimpfte auf ein Jahr. Andernfalls wären Zehntausende dieser Zertifikate in den kommenden Monaten ausgelaufen.
Zuletzt haben Studien gezeigt, dass auch wer zwei Mal geimpft und genesen ist einen sehr guten Schutz gegen die alten Varianten und gegen Omikron hat. "Meiner Ansicht nach sollte zwei Mal geimpft plus genesen gleichgestellt werden mit drei Mal geimpft", betont Nowotny. Denn es komme auf den dreifachen Kontakt mit dem Virus bzw. Viruspartikeln - sei es durch Infektion oder Impfung - an.
Sollen zweifach geimpfte Kinder ab 12 die 3. Impfung erhalten? Und unter 12?
Derzeit ist eine 3. Impfung für Kinder und Jugendliche unter 12 Jahren noch nicht allgemein empfohlen. Für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren ist die 3. Impfung ab 6 Monate nach der 2. Impfung empfohlen. „Zweifach Geimpfte Kinder ab zwölf Jahren würde ich nach sechs Monaten auf jeden Fall auffrischen“, sagt die Virologin Christina Nicolodi.
"Bei den Fünf- bis Zwölfjährigen hat sich gezeigt, dass eine zweifache Impfung gut schützt und daher bestand im Moment keine Notwendigkeit einer dritten Impfung. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, dass für den Frühherbst dann eine dritte Impfung auch für die Fünf- bis Zwölfjährigen angedacht wird", sagt Nowotny. Ähnlich sieht das auch Nicolodi: "Das ist sicher zu überlegen, weil es gerade bei der Omikron-Variante bei den Kindern hohe Infektionszahlen gibt."
Wann kommt der Impfstoff für die Unter-5-Jährigen?
Er sollte im Laufe des Sommers kommen. Er ist ja im Wesentlichen vorhanden, es geht nur noch um die Dosierung, sagt Nowotny. "Für die Unter-5-Jährigen wurde nur ein Zehntel der Erwachsenendosis angedacht. Diese deutlich niedrigere Menge scheint aber nicht den gewünschten Erfolg gebracht zu haben. Das heißt, es geht jetzt noch um die genau Dosierung. Und ich bin mir sicher, dass dies im Laufe des Sommers möglich sein sollte."
Wird es für die 4. Impfung angepasste Omikron-Impfstoffe geben?
Sowohl Moderna als auch Pfizer führen derzeit Studien mit Omikron-spezifischen Booster-Impfungen durch. Bei Moderna sollten „Daten bald verfügbar sein“, bei Pfizter möglicherweise bis zum Sommer, schreibt der Virologe Florian Krammer in einem Vortragsmanuskript vom 9.4..
„Das Problem: „Es ist noch nicht klar, wie diese Impfstoffe zugelassen werden. Momentan sind jeweils klinische Studien notwendig, was lange dauert. WHO und Zulassungsbehörden müssen Wege finden, das zu beschleunigen.“ Ob es eine Zulassung bis zum Sommer gibt, ist derzeit noch offen.
Pfizer-Chef Albert Bourla rechnet möglicherweise bis zum Herbst mit einem neuen Impfstoff, der sowohl gegen die Omikron-Variante als auch gegen weitere Varianten schützt. „Es ist einfach, etwas nur gegen Omikron zu tun“, erklärte Bourla auf einer Veranstaltung des Pharmaverbands IFPMA. Wissenschaftlich und technisch anspruchsvoller sei es, einen effektiven Impfstoff gegen alle bisher bekannten Varianten zu entwickeln.
Hätten an Omikron angepasste Impfstoffe einen Vorteil?
Auch wenn die derzeitigen Impfstoffe gegen Omikron einen sehr guten Schutz vor schweren Erkrankungen und Todesfällen bieten: An Omikron angepasste Vakzine könnten Geimpften einen Vorteil bieten: Sie könnten – so wie eine Infektion – die bereits vorhandenen antikörperproduzierenden B-Zellen gegen die Urform des Virus boostern – und gleichzeitig besser als die bisherigen Impfstoffe den Schutz vor Omikron erhöhen.
Erhöht eine vierte Impfung auch wieder den Schutz vor Infektionen?
Während der Schutz vor schweren Erkrankungen hoch bleibt, geht der Schutz vor einer Infektion relativ rasch zurück und ist zehn Wochen nach der Impfung bereits deutlich reduziert. Der Infektiologe Herwig Kollaritsch betonte im Ö1-Mittagsjournal, dass man „mit den konventionellen Impfstoffen, vorausgesetzt es bleibt diese Virusvariante die dominante, doch sehr, sehr gut aufgestellt" sei.
Auch um die Infektionswellen im Herbst einigermaßen zu beherrschen, sei es wichtig, sich knapp vor diesen Herbst-Wellen impfen zu lassen: Nicht nur, um dann optimal die schweren Erkrankungen zu verhindern, sondern auch deswegen, um die Infektionen hintan zu halten. "Denn wir wissen, unmittelbar nach der Impfung haben wir auch einen gewissen Schutz gegen die Infektionen" - und das könnte in einer ansteigenden Welle den Unterschied ausmachen.
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