Doppelt geimpft und trotzdem positiv - was heißt das?
"Vollimmunisiert" - und trotzdem infiziert: Dieser Fall bei den Salzburger Festspielen sorgt jetzt für Aufsehen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Ab wann ist mit dem höchsten Impfschutz zu rechnen?
Laut der Fachinformtion ab dem 8. Tag nach der zweiten Impfung mit Comirnaty (Biontech/Pfizer), ab dem 14. Tag nach der zweiten Impfung mit Spikevax (Moderna), ab dem 15. Tag nach der zweiten Impfung mit Vakzevria (Astra Zeneca) und ab dem 15. Tag nach der ersten und einzigen Impfung mit dem Impfstoff von Janssen (Johnson & Johnson).
Aber auch danach kann es zu Infektionen und Erkrankungen kommen?
"Es konnte mittlerweile gezeigt werden, dass geimpfte Personen durch eine geringere Viruslast auch eine reduzierte Virusausscheidung aufweisen und darum deutlich weniger ansteckend sind als nicht geimpfte Personen", heißt es in den Anwendungsempfehlungen des Nationalen Impfgremiums (NIG).
Allerdings: Die Delta-Variante führte dazu, dass der Schutz vor Infektionen und milden Erkrankungen zurückgegangen ist - das Robert-Koch-Institut schreibt von "einer reduzierten Wirksamkeit": Die Schutzwirkung gegen jegliche Schwere einer symptomatischen Erkrankung lag zuletzt laut RKI bei 88 Prozent bei Biontech/Pfizer und 60 Prozent bei AstraZeneca nach einer vollständigen Immunisierung. Bei einer unvollständigen Impfserie (eine Dosis) wurde jedoch eine stark verringerte Wirksamkeit gegen die Delta-Variante nachgewiesen. Diese lag für Biontech/Pfizer und AstraZeneca bei 33 Prozent gegen jegliche Verlaufsschwere. Der Schutz gegen schwere Erkrankungen und Spitalsaufnahmen ist aber nach wie vor sehr hoch: Dieser lag in den Studien zuletzt bei 96 Prozent für Biontech/Pfizer und bei 92 Prozent für AstraZeneca.
Besonders betroffen sind von einer schlechteren Wirkung auch Personen mit "eingeschränkter Immunkompetenz", wie es in den Anwendungsempfehlungen heißt: Also zum Beispiel Transplantationspatienten oder bestimmte Krebspatienten, etwa nach einer Stammzelltransplantation.
England impft sowohl mit Astra Zeneca als auch mit Pfizer/Biontech. Gibt es da aktuelle Vergleichszahlen?
Die englische Gesundheitsbehörde Public Health England hat in ihrem jüngsten "Covid-19 vaccine surveillance report" Zahlen veröffentlicht, die sich allerdings noch auf die Alpha-Variante beziehen. Demnach schaut die Schutzwirkung folgendermaßen aus:
- Schutz gegen symptomatische Erkrankungen: Zwei Dosen Pfizer 85-95 Prozent, zwei Dosen Astra Zeneca 70-85 Prozent
- Schutz gegen Spitalsaufnahme: Zwei Dosen Pfizer 90-99 Prozent, zwei Dosen Astra Zeneca 80-99 Prozent
- Schutz gegen Tod durch Covid-19: Zwei Dosen Pfizer 95-99 Prozent, zwei Dosen Astra Zeneca 75-99 Prozent
- Schutz gegen Infektion: Zwei Dosen Pfizer 70-90 Prozent, zwei Dosen Astra Zeneca 65-90 Prozent
Und doppelt Geimpfte können die Infektionen auch weitergeben?
"Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCR-positiv wird, ist bereits niedrig, aber nicht Null", heißt es beim Robert-Koch-Institut. "In welchem Maß die Impfung darüber hinaus die Übertragung des Virus weiter reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden. Auf Basis der bisher vorliegenden Daten ist davon auszugehen, dass die Viruslast bei Personen, die trotz Impfung mit SARS-CoV-2 infiziert werden, stark reduziert und die Virusausscheidung verkürzt ist. In der Summe ist daher das Risiko einer Virusübertragung stark vermindert." Die Infektiosität von Geimpften hält also auch deutlich kürzer an.
So zeigte erst kürzlich eine israelische Studie unter Haushaltsangehörigen: Unter geimpften Haushaltsbewohnern infizierten sich 7,5 Prozent verglichen zu 37,5 Prozent bei ungeimpften Mitgliedern desselben Haushalts, wenn ein Mitbewohner infiziert war.
Es müsse davon ausgegangen werden, dass auch einige vollimmunisierte und asymptomatische Personen "PCR-positiv werden und dabei auch infektiöse Viren ausscheiden", heißt es beim RKI.
Wenn also jetzt die Salzburger Festspiele wieder eine Maskenpflicht einführen, ist das durchaus sinnvoll?
Aus Sicht des Robert-Koch-Instituts eindeutig ja. Das noch bestehende Risiko auch bei Geimpften "muss durch das Einhalten der Infektionsschutzmaßnahmen zusätzlich reduziert werden". Daher gebe es die Empfehlung, auch nach der Impfung "die allgemein empfohlenen Schutzmaßnahmen (Alltagsmasken, Hygieneregeln, Abstandhalten, Lüften) weiterhin einzuhalten". Auch österreichische Virologinnen und Virologen haben sich in den vergangenen Tagen mehrfach für ein Aufrechterhalten bzw. Wiedereinführen einer generellen Maskenpflicht in Innenräumen ausgesprochen.
Wieso gibt es auch Covid-19-Todesfälle unter Geimpften?
Weil kein Impfstoff eine Schutzwirkung von 100 Prozent hat. Laut dem britischen Risikoexperten David Spiegelhalter reduzieren die Impfstoffe das Sterberisiko um das Zwanzigfache des Wertes von Ungeimpften. Auch die österreichische Corona-Kommission schrieb in einem ihrer Berichte von einem deutlich erhöhten Risiko schwerer Erkrankungen bei Ungeimpften: "Die internationale Fachliteratur geht von einer erhöhten Übertragbarkeit und erhöhter Wahrscheinlichkeit von schweren Verläufen insbesondere in nicht immunisierten Populationen aus."
Anfang Juli gab es Meldungen aus England, dass 40 Prozent aller neuen Corona-Toten geimpft waren. Wie gibt es das?
"Das Risiko, an Covid-19 zu sterben, hängt stark vom Alter ab", schreiben David Spiegelhalter (Winton Centre for Risk and Evidence Communication, Cambridge) und Anthony Master (Royal Statistical Society) in der britischen Zeitung The Guardian. Pro sechs bis sieben Jahre an niedrigerem Alter halbiert es sich. "Das bedeutet, dass jemand im Alter von 80 Jahren, der vollständig geimpft ist, ein Covid-19-Sterberisiko einer ungeimpften Person im Alter von 50 Jahren hat." Die größte Durchimpfungsrate gibt es aber in den älteren Altersgruppen - und je mehr Menschen insgesamt geimpft sind, umso größer ist dann auch der Anteil der Geimpften, die infiziert sind.
"Mit Meldungen wie ,40 Prozent aller neuen Corona-Toten war geimpft' verhält es sich ähnlich wie mit ,70 Prozent aller Verkehrstoten war angeschnallt'", schrieb der Statistiker Christoph Rothe von der Uni Mannheim auf Twitter: "Sie suggerieren ein Problem, obwohl dahinter eigentlich eine Erfolgsgeschichte steht."
Der Chemiker und Wissenschaftsjournalist Lars Fischer erklärte es auf Twitter so: "So lange wir also hohe Infektionszahlen haben, wird ein immer höherer Anteil der Toten doppelt geimpft sein. Einfach weil diejenigen, die das überwältigend höhere Sterberisiko haben, fast alle doppelt geimpft sind und die Impfung nicht perfekt schützt."
Laut einer Analyse der Nachrichtenagentur Associated Press waren in den USA im Mai von 107.000 Covid-19-Spitalspatienten nur 1,1 Prozent doppelt Geimpfte. Und nur 150 von mehr als 18.000 Todesfällen im Mai in den USA betrafen voll Immunisierte (0,8 Prozent). Laut neuen Daten aus England entfielen dort zuletzt 60 Prozent der Spitalsaufnahmen auf nicht Geimpfte.
Werden eigentlich solche Impfdurchbrüche in Österreich gemeldet?
Das sollte so sein. "Bei Impfstoffen ist auch das Ausbleiben einer Wirkung (...) besonders relevant und sollte in jedem Fall gemeldet werden", heißt es beim Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG). Von einem Impfdurchbruch ist die Rede, wenn frühestens sieben Tage nach der zweiten Impfung (oder 28 Tage nach der einzigen Impfung bei Janssen) eine Person SARS-CoV-2 positiv ist und zusätzlich Symptome hat. Eine Infektion ohne Symptome wird nicht als Impfdurchbruch eingestuft, da die derzeit zugelassenen Impfstoffe zur Verhinderung von Erkrankungen entwickelt wurden. Bis 9. Juli wurden dem BASG 314 derartige Impfdurchbrüche gemeldet (261 Biontech/Pfizer, 13 Moderna, 39 Astra Zeneca und 1 Janssen).
Kommentare