Ansteckungsrisiko: Sollten heuer doch keine Festivals stattfinden?
Der starke Anstieg bei den Corona-Infektionen sei beunruhigend, sagt Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer, im KURIER-Stadtstudio.
KURIER: Wie beurteilen Sie den doch deutlichen Anstieg der Infektionszahlen in den vergangenen Tagen?
Thomas Szekeres: Es liegt offensichtlich an der neuen ansteckenderen Delta-Variante, die jetzt auch in Österreich vorrangig kursiert. Es ist schon beunruhigend, dass es zu einem Anstieg kommt. Wir sehen aus anderen Ländern, dass es dann plötzlich zu einer Vermehrung der Infektionsfälle gekommen ist, in England, Spanien Portugal. Das wünschen wir uns in Österreich gar nicht, aber es ist zu befürchten, dass es auch bei uns mehr wird.
In den Niederlanden haben sich bei einem Festival 1.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. Gehen die Öffnungen zu weit?
Man sollte sehr vorsichtig sein. Mit der 3-G-Kontrolle sollte man ganz streng sein, aber da rutschen natürlich auch immer wieder Patienten durch, die ansteckend sind, weil der Test nicht anschlägt oder weil man sich trotz Impfung angesteckt hat. Und wenn dann eine Person Hunderte andere ansteckt, ist das ein Problem, das unbedingt vermieden werden muss. Das heißt, im Zweifel würde ich auf solche Großveranstaltungen verzichten.
Sollte man zumindest die Zutrittsbestimmungen verschärfen – etwa Wohnzimmer-Selbsttests österreichweit verbieten oder nur Genese und Geimpfte zu Großveranstaltungen zulassen?
Das halte ich für gute Vorschläge. Es gibt unterschiedliche Tests unterschiedlicher Qualität, aber diese Selbsttests im Wohnzimmer sind natürlich nicht so genau wie die PCR-Tests. Jedenfalls ist man auf der noch sichereren Seite, wenn man nur Geimpfte und Genesene hineinlässt. Wenn zwei Menschen geimpft sind, ist die Chance, dass sie sich gegenseitig anstecken, minimal. Wenn einer nicht geimpft ist und mit einem ungeeigneten, nicht qualitativ hochwertigen Test getestet wird, steigt die Gefahr einer Ansteckung. Generell macht mir Sorgen, dass die 3 G-Regel nicht überall streng kontrolliert wird.
KURIER Talk mit Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres
Es gibt aber auch Infektionen bei doppelt Geimpften?
Ja, aber in den meisten Fällen sind das sehr leichte Verläufe, wenn man zweimal geimpft ist. Hingegen sieht man schwere Verläufe auch bei jungen Ungeimpften – natürlich sind sie aber bei Älteren häufiger. Deshalb appelliere ich auch an junge Menschen ab 12 Jahren, sich impfen zu lassen.
Mehrere Länder planen eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal. Sollte Österreich das auch tun?
In Österreich hat sich die Politik mehrfach dazu bekannt, dass sie keine Impfpflicht möchte. Ich gehe also davon aus, dass wir sie nicht bekommen. Was es gibt, ist, dass man von Bewerbern, die künftig im Gesundheitsbereich arbeiten möchten, einen Impfnachweis verlangt. Wenn sie ihn nicht bringen, verzichtet man darauf, mit ihnen zusammenzuarbeiten – eine indirekte Impfpflicht. Und wir brauchen mehr Personal, etwa im Intensivbereich. Es mangelt nicht an Betten und Geräten, ein Engpass ist gut ausgebildetes Personal.
Ein Impfnachweis ist aber noch nicht in allen Bundesländern Voraussetzung für eine Neuanstellung.
Es wäre sinnvoll, dass es überall verpflichtend ist, dass Menschen, die im Gesundheitsbereich zu arbeiten beginnen, einen Impfnachweis vorlegen müssen.
Sollte es finanzielle Anreize für Impfungen geben?
Ich glaube nicht, dass das helfen würde. Was man unbedingt tun muss, ist verstärkt aufzuklären, auch in Fremdsprachen, und auch im niedergelassenen Bereich durch die Hausärzte mehr zu impfen. Da gibt es ein Vertrauensverhältnis und man kann ganz eigenartige Gerüchte aufklären – das funktioniert hier wesentlich besser als in Impfstraßen. Etwa das Gerücht, dass Frauen nach einer Impfung keine Kinder mehr bekommen können. Das ist natürlich ein Unsinn.
Sollten Corona-Tests kostenpflichtig werden?
Ja. In dem Moment, wo jeder ein Impfangebot bekommen hat, sollte man die Tests kostenpflichtig machen – das heißt, dass ungeimpfte Menschen dann zahlen müssen, um einen grünen Pass zu bekommen.
Vor kurzem fand eine Tagung der deutschsprachigen Ärzteorganisationen statt, bei der es um die Lehren aus der Covid-Krise ging. Welche Lehren sind das?
Es hat sich gezeigt, dass die Probleme in Deutschland, Österreich und der Schweiz sehr ähnlich waren: Durch die Zersplitterung der Kompetenzen im Bund und in verschiedenen Bundesländern gab es ein regional uneinheitliches Vorgehen, da wäre es wünschenswert gewesen, wenn jemand zentral Vorgaben gemacht hätte. Das war aber nicht nur bei uns, sondern auch in Deutschland und der Schweiz nicht der Fall. Und dann würden wir uns eine besser Nutzung der Daten wünschen.
Wir haben zum Beispiel in Österreich sehr viele Daten, was die verschriebenen Medikamente und die Infektionen betrifft, nur dürfen wir die nicht miteinander verknüpfen. Oder, was auch sehr wichtig wäre: Dass man die Daten des elektronischen Impfpasses mit den Infektionsdaten verbindet. Damit könnte man erkennen, wenn sich vermehrt Geimpfte anstecken - das ist ein Hinweis darauf, dass das Virus resistent wird und man könnet sehr schnell eine Anpassung des Impfstoffes anstoßen. Aus Datenschutzüberlegungen, die ich nicht nachvollziehen kann, dürfen diese Daten nicht miteinander verbunden werden. Aber wenn man sie anonymisiert, könnte man aus dieser Verbindung Lehren ziehen und zum Beispiel möglicherweise Medikamente finden, die sowieso schon für andere Krankheiten verwendet werden und schwere Verläufe verhindern.
Werden wir die Pandemie unter Kontrolle halten können?
Wenn sich sehr schnell sehr viele Menschen impfen lassen, dann ja. Wichtig ist, sich zwei Mal impfen zu lassen. In Israel sind 60 Prozent zwei Mal geimpft, aber immerhin 40 Prozent der Bevölkerung gar nicht. Wir haben schon etwas über 60 Prozent Erstimpfungen, deshalb bin ich zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, die Pandemie unter Kontrolle zu halten. Jeder Geimpfte schützt sich selbst - und schützt auch sein Umfeld.
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