Delta-Variante: Wird sie im Herbst beherrschbar sein?
Das ist die Basis unserer guten Corona-Zahlen derzeit: 10 Infizierte stecken nur 8 weitere Personen an – die Welle ebbt ab. Anders in England: Dort stecken 10 Infizierte derzeit zwischen 12 und 14 Personen an – die Welle wird größer. Ursache ist die Delta-Variante des Coronavirus.
Warum gibt es so viel Beunruhigung wegen der Delta-Variante?
Weil das Beispiel England zeigt, wie stark sie sich ausbreiten kann, obwohl bereits 60 Prozent der Bevölkerung ab 18 zwei Teilimpfungen erhalten haben. Täglich steigen dort die Infektionszahlen um drei bis sechs Prozent, insgesamt gibt es bereits mehr als 75.000 Delta-Infizierte, eine Zunahme um 33.630 innerhalb einer Woche. Die Zahl der Spitalspatienten hat sich innerhalb einer Woche nahezu verdoppelt (von 423 auf 806). Davon waren 527 ungeimpft, lediglich 84 hatten beide Impfdosen erhalten. Während in England bereits 99 Prozent der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verursacht werden, sind es in Österreich vorerst erst rund sechs Prozent. Allerdings: Auch bei uns ist mit einem Anstieg zu rechnen. Der Präsident des deutschen Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, hat bereits erklärt, dass er davon ausgehe, dass die Delta-Variante auch in Deutschland die meistverbreitete Form des Coronavirus werden wird.
Welche Bevölkerungsgruppen sind am stärksten betroffen?
„Die Ausbreitung der Delta-Variante wird ganz massiv von Nicht- oder nur Teilgeimpften angetrieben – und das sind besonders Kinder und Jugendliche“, sagt der Kinderarzt Karl Zwiauer, auch Mitglied im Österreichischen Impfgremium: „Eine Covid-Infektion mit dieser Variante bekommen die Nicht- und Teilgeimpften, und zwar in einem erschreckend hohen Ausmaß, wie wir jetzt immer deutlicher sehen. Die Entwicklung in Großbritannien ist uns ein paar Monate voraus. Je mehr ältere Bevölkerungsgruppen vollständig geimpft sind, desto mehr Infizierte wird es bei ungeimpften Jüngeren geben.“
Wie gut wirken die Impfungen tatsächlich?
Von 53.000 Infizierten in England ist der Impfstatus bekannt. Nur 7,7 Prozent waren doppelt geimpft (die zweite Impfung mindestens 14 Tage vor der Infektion), hingegen waren 66,8 Prozent der Infizierten komplett ungeimpft. Trotzdem sind auch unter zweifach Geimpften Todesfälle durch eine Infektion möglich (26 von 1. Februar bis 14. Juni in Großbritannien). Genaue Angaben über Alter oder Vorerkrankungen gibt es aber nicht. „Es gibt immer Einzelfälle, die man sich anschauen muss“, sagt dazu die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast Coronavirus update. „Aber ein vollständiger Impfschutz schützt zu mehr als 90 Prozent auch vor schweren Verläufen mit der Delta-Variante“, betont auch Zwiauer.
Wie sieht es mit den Risiken der Kinderimpfung aus?
Am Freitag sprach sich eine Gruppe von Medizinern gegen die Impfung von Kindern und Jugendlichen aus. Die Klosterneuburger Kinderärztin Veronika Himmelbauer wird in einer Aussendung zitiert, wonach die Infektion durch SARS-CoV-2 in der Regel harmlos verlaufe und wenig ansteckend sei: „Diese Bevölkerungsgruppe ist durch dieses Virus nicht gefährdet.“ Anders Zwiauer: „Wir hatten in Österreich ein Kind pro Woche mit Covid-19 auf einer Intensivstation. Bei einem von 500 bis 1.000 Kindern kann es zu einem schweren Verlauf kommen. In den USA wurde schon mehr als eine Million Jugendliche geimpft, es gibt bis jetzt keinen Hinweis auf eine gravierende Problematik.“
Und das erhöhte Risiko von Herzmuskelentzündungen?
Aus den USA gibt es Daten von 800 Entzündungen vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ab 16 Jahren in zeitlicher Nähe zu einer Impfung mit Biontech/Pfizer und Moderna. Bei 300 ist ein Zusammenhang belegt. „Im Schnitt ist es ein Fall unter rund 100.000 Geimpften“, sagt der Pharmakologe Markus Zeitlinger, MedUni Wien. Meist sei eine solche Entzündung zwei Tage nach der Impfung aufgetreten. Wenn man sich in den Tagen nach der Impfung einige Tage schont, erholen sich die Betroffenen in der Regel gut“, betont Zwiauer.
Kann eine hohe Durchimpfungsrate tatsächlich einen Schutz für Ungeimpfte bedeuten?
Eine Studie aus Israel hat gezeigt: „Je mehr Erwachsene sich impfen lassen, desto geringer war der Anteil der Kinder unter 16 Jahren, die positiv getestet wurden“, sagt Ciesek. Pro 20 Prozent mehr Geimpften kam es zu einer Halbierung der positiven Tests bei Kindern und Jugendlichen – Geimpfte geben keine oder weniger Viren weiter. Modellierungen der Stadt Wien zeigen, dass erst bei einer Durchimpfungsrate ab 80 Prozent die Belegung der Intensivstationen im Herbst in keinen kritischen Bereich kommen wird.
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