Wie gefährlich ist die Delta-Variante für Geimpfte?
Wie gut schützen die Impfungen vor der Delta-Variante des Coronavirus? Diese Frage stellen sich viele seit den Meldungen aus Niederösterreich, wonach es zu Infektionen mit der Delta-Variante auch bei geimpften Reiserückkehrern aus Russland, Spanien und Serbien gekommen ist. Ein Betroffener hat demnach eine Teilimpfung mit Astra Zeneca erhalten, zwei bereits beide Impfdosen mit Sputnik V. In Österreich machte die Delta-Variante in der Vorwoche 6,3 Prozent der Neuinfektionen aus, in Großbritannien sind es bereits mehr als 90 Prozent.
Die britischen Gesundheitsbehörden haben mittlerweile auch zwölf Todesfälle durch eine Delta-Infektion bei Personen mit vollständiger Immunisierung bestätigt.
"Leider vereint diese Variante höhere Ansteckung mit einem Immune escape, sie entgeht also mehr dem Immunschutz", schreibt der deutsche Virologe Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, auf Twitter: "Dadurch konnte sie sich aktuell in Großbritannien auch gegen die Alpha-Variante (die ursprünglich in Großbritannien aufgetretene Variante, Anm.) durchsetzen.
Variante entgeht Immunschutz
Dieses Entgehen des Immunschutzes durch Impfungen zeigt sich vor allem nach der ersten Teilimpfung: Hier können sowohl Astra Zeneca als auch Biontech/Pfizer nur rund 33 Prozent der Infektionen verhindern: "Daher sind die Antikörper von Personen nach der ersten Impfung kaum in der Lage, die Delta-Variante zu neutralisieren."
Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Zwei Teilimpfungen können zwischen 60 Prozent (Astra Zeneca) und 88 Prozent (Biontech/Pfizer) der Erkrankungen, die bei Ungeimpften auftreten würden, verhindern.
"Der Schutz vor schwerer Erkankung durch die zweite Impfung ist noch besser", unterstreicht Watzl: "92 Prozent bei Astra Zeneca, 96 Prozent bei Biontech/Pfizer.".
Daher würden sich aktuell in Großbritannien besonders Personen ohne Impfung oder nur mit einer Impfung mit der Delta-Variante infizieren.
Keine Daten zu den Verstorbenen
Zu den Patienten, die in England trotz doppelter Impfung verstorben sind, gebe es noch keine näheren Angaben, etwa "wie alt diese Patienten in Großbritannien waren oder ob sie Vorerkrankungen hatten", sagte die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast Coronavirus update: "Ob sie zum Beispiel Medikamente nehmen, die das Immunsystem unterdrückt haben."
Die wichtige Botschaft sei, dass "man trotz Impfung auch eine Infektion bekommen kann". Und: Eine Studie mit 45.000 Mitarbeitern aus dem englischen Gesundheitssystem (95 Prozent geimpft), die regelmäßig mit PCR getestet werden, "zeigte auch in der letzten Zeit keinen Anstieg der PCR-positiven Teilnehmer." Dies seien sehr positive Nachrichten, die dafür sprechen, dass "ein vollständiger Impfschutz auch sicher vor schweren Erkrankungen oder vor der Erkrankung schützen kann", betonte die Virologin. Aber es gebe immer Einzelfälle, bei denen das nicht der Fall sei.
Dennoch ist die Sorge in England groß: So hat eine Studie gezeigt, dass die Delta-Variante sogar um rund 60 Prozent ansteckender ist als die Alpha-Variante, die ihrerseits bereits deutlich infektiöser ist als jene Variante, die im Frühjahr 2020 in Österreich zirkulierte.
Und es zeigt sich mittlerweile in England auch immer deutlicher, dass sie zu schwereren Krankheitsverläufen führt und die Zahl der Spitalsaufnahmen erhöht. Das Risiko, eine Spitalsbehandlung zu benötigen, verdoppelt sich, wenn man nicht geimpft ist oder nur eine Teilimpfung erhalten hat, ergab eine schottische Studie.
Gefahr besonders bei Ungeimpften
Dass das Risiko besonders für Ungeimpfte oder Teilgeimpfte hoch ist, schreibt auch die österreichische Corona-Kommission in ihrem jüngsten Bericht: "Die internationale Fachliteratur geht von einer erhöhten Transmissibilität (Übertragbarkeit) und erhöhter Wahrscheinlichkeit von schweren Verläufen insbesondere in nicht immuniserten Populationen aus."
Die höhere Gefährlichkeit der Delta-Variante erklärt sich mit speziellen Mutationen, genetischen Veränderungen, die es dem Virus leichter ermöglichen, sich an Zellen anzuheften, in sie einzudringen und dort zu vermehren. Um angesichts der erhöhten Infektiosität dieser Variante eine Herdenimmunität in der Bevölkerung zu erreichen (dass also Ungeimpfte durch die Geimpften mitgeschützt werden), müsste die Durchimpfungsrate aus Sicht vieler Experten bei zumindest 80 Prozent liegen.
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