Kaum Überblick über Varianten
Während Antigen-Schnelltests „erst ab einer gewissen Höhe der Infektiosität“ anschlagen, messen PCR-Tests bereits frühzeitig, auch noch vor Symptombeginn. Er vergleicht die Situation in Österreich mit jener, als sich die Alpha-Variante langsam ausbreitete. Auch damals hätte es kaum einen Überblick über die Dynamik der Varianten gegeben. Dies solle sich nicht bei der Delta-Variante wiederholen.
Hacker ergänzte im KURIER-Gespräch am Donnerstag: „Wir sind selbst erstaunt, dass mittlerweile fast 90 Prozent der PCR-Tests Österreichs in Wien gemacht werden.“ Entscheidend sei, die Infizierten nicht erst zu entdecken, wenn sie Symptome haben, wie das beim Antigentest der Fall ist. Sondern die entscheidenden Tage schneller zu sein. Dies sei nur mit dem PCR-Test möglich. „Mit Schnelltests können wir kein Monitoring der Virus-Varianten machen“, sagte Hacker.
Monitoring
Genau das sei in den nächsten Wochen entscheidend, sagt Virologe Norbert Nowotny, VetMed Uni Wien. „Man muss die Delta-Variante im Auge behalten. Dafür braucht es ein gutes System mit Tests, um eine eventuell problematische Situation zu erkennen und dagegenhalten zu können.“ Trotz guter Antigen-Tests (wie in den Teststraßen verwendet) seien PCR-Tests empfindlicher und dadurch genauer. „So findet man eher positive Fälle.“ Und erhält einen Überblick, „was von der Delta-Variante ins Land kommt“.
Diese macht bereits 90 Prozent der neuen Fälle in Großbritannien aus, wie eine aktuelle Studie zeigt. „Der Anstieg der Infektionszahlen in England dürfte kein kurzfristiger Ausreißer sein“, sagt Infektiologe Heinz Burgmann, MedUni Wien: Die Delta-Variante ist infektiöser und ersetzt Alpha.
Mehr sequenzieren
Um Informationen über die Verbreitung der Delta-Variante zu erhalten, schlägt Dujaković vor, die für PCR-Tests gewonnenen Proben zu sequenzieren. Dort, wo derzeit nur Antigentests erfolgen, ist das nicht möglich. Hinzu komme, dass, falls ein Antigentest positiv ist, nicht mehr unbedingt PCR-Tests erfolgen, sondern automatisch Quarantäne angetreten wird. „Dann erfahren wir nie, ob/welche Virusvariante vorliegt. Oder er wird nachgetestet, dann vergehen erneut einige Tage.“
Und weiter: „Wenn es ganz blöd läuft, erkennen wir aktuelle Entwicklungen im Land gerade gar nicht oder nur sehr spät“, twittert Dujaković. Es gehe ihm nicht darum, Wien besonders hervorzuheben – in Wien werden mittlerweile 86 Prozent aller in Österreich durchgeführten PCR-Tests gemacht -, sondern darum, besser zu erfassen, wo wir in Österreich hinsichtlich der Varianten stehen.
Trotz derzeit niedriger Zahlen solle die Teststrategie aufrechterhalten werden. „Anstatt den Sommer und die beruhigte Lage für den Ausbau von PCR-Tests zu nutzen, werden sie in den meisten Regionen Österreichs zurückgefahren! Das ist brandgefährlich. Natürlich müssen die Leute so den Eindruck gewinnen, dass die Pandemie zu Ende geht.“
Virologen sehen es ähnlich
Auch Virologin Monika Redlberger-Fritz, MedUni Wien, sprach sich gegenüber dem KURIER dafür aus, sich weiterhin testen zu lassen. „Bei jeglichem Symptom einer Atemwegserkrankung – und wenn es nur eine rinnende Nase ist –, sollte man sich immer auf Covid-19 testen lassen. Das galt aber auch schon vor der Delta-Variante.“ Mit der Impfstrategie und dem sehr guten Testsystem, wo man rasch ein PCR-Ergebnis bekommt, hätten wir sehr gute Chancen, einen starken Anstieg zu verhindern. „Wenn wir aber sagen, die Pandemie ist vorbei, ich muss mich weder testen noch impfen lassen noch aufpassen, dann haben wir verloren“, sagt Redlberger-Fritz.
Virologe Norbert Nowotny von der VetMed Uni Wien sieht in einer intensiven Teststrategie Vorteile, um die Delta-Variante nachzuverfolgen. "Durch vermehrtes Testen und Sequenzieren speziell auf diese Variante können wir regionale Cluster, die in den nächsten Wochen enstehen könnten, noch regional eingrenzen und eine Ausbreitung dieser infektiöseren Mutation verhindern."
Sequenzieren
Virusimmunologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) unterstreicht die Bedeutung des Testens und des Sequenzierens (Aufschlüssels von Virus-Erbgut in Einzelbausteine): „Es ist wichtig, das Infektionsgeschehen und die Eigenschaften des Virus zu verstehen: In Ländern, wo die Datenlage sehr dicht ist, ist es möglich, rasch Aussagen zu treffen über die Eigenschaften neuer Mutationen, ihre Infektiosität, das Krankheitsbild, das sie auslösen etc.“ Je besser die Daten, umso rascher erkenne man, ob sich eine neue Variante durchsetzt und in welchem Ausmaß: „Die Engländer machen das exzellent.“
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