Um in der Frühphase einzugreifen, bieten sich sogenannte Virostatika an.
Remdesivir
Etwa Remdesivir. Das antivirale Medikament wurde gegen Ebola entwickelt, zeigte aber keinen Erfolg. Seit Wochen wird es weltweit an Tausenden Covid-19-Patienten getestet: "Jüngste Studien haben bestätigt, dass es bei milden bis moderaten Verläufen in der Frühphase zu einer schnelleren Genesung kommt. Bei schweren Fällen kann man nicht viel ausrichten. Die Sterberate kann nicht in größerem Ausmaß gesenkt werden", sagt Hasibeder, der Remdesivir für eines der vielversprechendsten Medikamente hält. In den USA ist Remdesivir bereits zugelassen. Das Zulassungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur läuft.
Lopinavir/Ritonavir
Ähnlich potent ist eine Behandlung mit den HIV-Medikamenten Lopinavir und Ritonavir. Zwar konnte in einer ersten Studie im chinesischen Wuhan die Überlebenschance Schwerkranker damit nicht erhöht werden. Auch die Eliminierung der Viren konnte nicht beschleunigt werden. Bei 13 von 199 Patienten musste die Studie zudem wegen Nebenwirkungen abgebrochen werden. Kürzlich wurden jedoch neue Erkenntnisse publik: "In einer weiteren chinesischen Studie hat man die HIV-Medikamente mit dem Virenhemmer Ribavirin ergänzt. Betroffene konnten im Schnitt früher aus dem Krankenhaus entlassen werden." Ein Effekt auf Intensivpatienten und die Sterberate blieb aus.
Chloroquin/Hydroxychloroquin
Exemplarisch lässt sich die Bruchlandung mancher Covid-Behandlungen am Uralt-Wirkstoff Chloroquin und dem verwandten Hydroxychloroquin illustrieren. Als Malaria-Medikament hatten sie bereits ausgedient. Im Lichte der Pandemie erlebte Chloroquin zunächst einen zweiten Frühling. Frühe Laborversuche in Wuhan und eine kleine französische Studie deuteten darauf hin, dass das Virus rascher aus dem Rachen entfernt, eine Verlagerung in die tieferen Atemwege und Entzündungen verhindert werden. Im April mehrten sich Zweifel an der Wirksamkeit und Verträglichkeit des Präparats. Daten einer umfangreichen Erhebung belegten gravierende Nebenwirkungen wie Herzstillstände. Die WHO hat ihre Hydroxychloroquin-Studie nun endgültig eingestellt. "Chloroquin dürfte vom Tisch sein", befindet Hasibeder. Die Nebenwirkungen könne man nicht in Kauf nehmen. "Und es hat auch keinen nennenswerten Einfluss auf die Genesung."
Dexamethason
Der Entzündungshemmer Dexamethason wird seit Kurzem von der WHO und renommierten Oxford-Forschern als neues Heilmittel gegen Covid-19 gefeiert. Die Sterberate könne damit um ein Drittel gesenkt werden. Dexamethason bei schwersten Infektionen zu verabreichen, sei nichts Neues, sagt der Experte. "Letztlich hat es in diesem Kontext nie wirklich überzeugende, positive Daten zur Wirksamkeit gegeben." Es sei aber sinnvoll, das Präparat in Studien zu testen.
Ruxolitinib
Ein Newcomer ist auch Ruxolitinib. Das Krebsmedikament konnte in Einzelfällen den lebensbedrohlichen, entzündlichen Lungenschaden bei Patienten abwenden. Der Behandlungserfolg des Universitätsklinikums Marburg weckt Hoffnung, noch ist es zu früh, um daraus Schlüsse zu ziehen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte genehmigte eine klinische Studie.
Tocilizumab
Bereits im März behandelte ein italienischer Arzt Corona-Patienten mit diesem Antikörper gegen Rheumatoide Arthritis. Er bremst eine überschießende Reaktion des Immunsystems. Momentan testet eine weltweite Studie die Wirkung des Rheumamittels. Aus einer kleinen chinesischen Untersuchung sind erste Ergebnisse bekannt: "Nach aktuellem Stand kann man davon ausgehen, dass Covid-Patienten mit einem schweren Verlauf profitieren könnten", sagt Hasibeder. Das Mittel sei keine Wunderwaffe, zu viele Komponenten noch unerforscht. "Außerdem gilt bei Mitteln, die wie Tocilizumab die Immunantwort unterdrücken, zu beachten, dass sich das Risiko für Zweitinfektionen erhöht. Gerade im Krankenhaus und im Besonderen auf der Intensivstation können so gefährliche Bakterien leichter über Beatmungsschläuche, Harnkatheter und intravenöse Katheter in den Patienten eindringen und schwere Infektionen auslösen."
Experimentelle Ansätze gibt es mit dem weiblichen Sexualhormon Östrogen (soll die Immunantwort bei Männern verbessern) und dem Antidepressivum Fluoxetin (soll die Virusvermehrung bremsen).
Sämtliche Medikamente die bisher ausprobiert wurden, haben in puncto der Wirksamkeit ihre Grenzen, manche darüber hinaus beträchtliche Nebenwirkungen. Gemeinsam haben sie, dass sie nicht erst dann eingesetzt werden sollten, wenn der Patient bereits derart geschwächt ist, dass er intensivmedizinisch behandelt werden muss. "Man wird noch einiges ausprobieren und wohl die guten Effekte von Remdesivir weiterverfolgen", ist Hasibeder überzeugt. Das Timing werde stets ins Gewicht fallen: "Ganz schweren Fällen wird man letztlich nur mit einem Impfstoff vorbeugen können."
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